Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Eine herausragende Lebensleistung

Der aus dem Banat stammende Maler, Grafiker und Lichtkinetiker Franz Kumher hat ein bedeutendes, in Deutschland und international vielfach ausgezeichnetes Gesamtwerk geschaffen und sich gleichzeitig als Kunstpädagoge an der Pädagogischen Hochschule und an der Universität Hildesheim, wo er drei Jahrzehnte als Professor für Bildende Kunst tätig war, besondere Verdienste erworben. Sein künstlerischer Werdegang war geprägt durch die organische Verknüpfung von Kunstpraxis und Kunsttheorie. Er war Mitbegründer des Studiengangs Kulturpädagogik an der Universität Hildesheim und engagierte sich kontinuierlich in der Lehrerausbildung. In seiner eigenen Lehrtätigkeit strebte er danach, „eine Einheit von künstlerischer Praxis, Kunstvermittlung und dem Nachdenken über Kunst zu stiften“, so Rektor Professor Rudolf Weber bei der Emeritierung von Franz Kumher 1992.

Geboren wurde Franz Kumher am 16. Juli 1927 in Orawitz. Die Familie übersiedelte jedoch bald nach Temeswar und bezog eine Wohnung auf dem Schulgelände der Banatia, wo der Vater als Tischlermeister und Zimmermann beschäftigt war. So lernte der Banatia-Schüler Franz Kumher die Lehrer und den gesamten Schulbetrieb dieser damals größten deutschen Bildungseinrichtung Südosteuropas aus unmittelbarer Nähe kennen. Diese Erfahrungen der Kindheits- und Jugendjahre wirkten nach im Persönlichkeitsbild und im künstlerischen Werk von Franz Kumher.

Im Januar 1945 wurde er - wie Tausende seiner Generationsgefährten - zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Nach knapp zwei Jahren kam er mit einem Krankentransport in die sowjetische Besatzungszone, in den Kreis Heiligenstadt, ging aber noch im selben Jahr in den Westen, nach Norddeutschland, das ihm zur zweiten Heimat wurde.

Dass Franz Kumher 1948 sein Studium an der Pädagogischen Hochschule Alfeld/Leine aufnehmen konnte, wo er das Wahlfach Bildende Kunst bei Professor Kurt Schwerdtfeger belegte, war ein Glücksfall für die Entfaltung seiner Begabungen und sollte richtungweisend sein für seinen späteren künstlerischen Werdegang. Kurt Schwerdtfeger, der selbst Bauhaus-Schüler war, machte seine Studenten vertraut mit dem Bauhausstil, der den Neigungen von Franz Kumher entgegenkam, nämlich solides handwerkliches Können mit phantasievollem künstlerischem Gestalten zu verbinden. Weitere Stationen seiner künstlerischen und kunstpädagogischen Ausbildung waren sodann die Werkkunstschule Hannover und die Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg. Hinzu kamen geisteswissenschaftliche Fächer: Kunstgeschichte, Deutsche Literatur, Pädagogik und Philosophie.

Franz Kumher war wiederholt mehrgleisig tätig, als Studierender, als Kunsterzieher und Künstler, wobei sich Prioritäten in den verschiedenen Lebensphasen ergaben. Konstant blieb seine Kommunikations- und Dialogbereitschaft. Wichtig war ihm stets die Begegnung und der Austausch mit bedeutenden Persönlichkeiten der Kunst und Literatur, so mit Oskar Kokoschka bei der Internationalen Sommerakademie in Salzburg oder mit Paul Celan, dessen „Sprachgitter“ ihn zu eigenständigen Grafiken inspirierte. Seine zahlreichen Reisen und die damit verbundenen Besuche europäischer Kunstzentren erweiterten nicht nur die Vielfalt der Motive und Themen seiner künstlerischen Arbeit, sondern auch das Spektrum seiner anregenden internationalen Kontakte zu Künstlern, vor allem  in Österreich und Italien, wo er sich wiederholt zu Studien aufhielt, Einzelausstellungen zeigte und sich an Gruppenausstellungen beteiligte.

Als Essenz des künstlerischen Anliegens von Franz Kumher liest sich die Ankündigung der Hildesheimer Werk-Präsentation anlässlich seines 80. Geburtstags, der er den Titel „Spuren und Zeichen“ gegeben hatte: „In einer verschlüsselten Bildsprache setzt sich Kumher mit Inhalten und Problemen unserer Zeit auseinander und geht dabei eigene künstlerische Wege. Die inszenierten Kompositionen drücken das Bemühen aus, seine Konzepte in Bildzeichen und Chiffren zu vermitteln. Bei seiner Malerei und Grafik soll sich der Betrachter auf Spurensuche begeben, um Kumhers malerischen Dialog mit der Dingwelt in einem von Technik geprägten Zeitalter zu entschlüsseln oder zu deuten“.

Kritischer Gegenwartsbezug und historisches Denken sowie die Neigung des Malers zur Reduktion und Synthese hat die Kunstkritik wiederholt als kennzeichnend für sein Gesamtwerk hervorgehoben. Viele seiner Kompositionen sind als Inszenierungen oder „Bühnenbilder“ bezeichnet worden. Weniger als die Malerei und Grafik wurde die Lichtkinetik Franz Kumhers kommentiert. Seine „Farbe-Form-Klang-Bewegungs-Kompositionen“ (Musik, Bild, Text), welchen die vom Weimarer Bauhaus propagierte Idee eines „Gesamtkunstwerks“ zugrunde liegt, entwickelte er in den 1960er Jahren mit seinem Lehrer Kurt Schwerdtfeger und danach mit Wolfgang Roscher, der Musik und Texte schrieb. So entstand Franz Kumhers Lichtkinetik- Film „Entfremdung“ der auf der Weltausstellung 1992 in Sevilla erfolgreich aufgeführt wurde.

Franz Kumher hat seine Werke in zahlreichen Ausstellungen an vielen Orten in Deutschland und im Ausland gezeigt, darunter Einzelausstellungen in Hildesheim, Frankfurt a.M., Düsseldorf, Kassel, München, Erlangen, Mailand, Palermo, Rom, Bologna, Triest, Dubrovnik sowie Beteiligung an Gruppenausstellungen u.a. in Mailand, Paris, Salzburg, München, Athen, Bukarest, New York.

Für sein künstlerisches Werk wurde er mehrfach mit Kunstpreisen und Anerkennungen ausgezeichnet: in Österreich, Monaco (Goldene Palme), Italien, Griechenland, Deutschland.

Neben seiner künstlerischen Arbeit entfaltete Franz Kumher im Laufe von fünf Jahrzehnten eine ganze Reihe ehrenamtlicher Aktivitäten. Er setzte sich dabei vor allem für Künstler aus dem Osten ein, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verloren hatten. In seinen Ehrenämtern bei der Künstlergilde Esslingen, in der Ostgalerie Regensburg, beim Landesverband Niedersachsen des Bundes Bildender Künstler, schließlich in den neunziger Jahren beim Kulturverband der Banater Deutschen, in dem er sich als Vizepräsident engagiert hatte, investierte er viel Zeit und Energie.

Was verband nun Franz Kumher mit seiner Heimat Banat, die er als Siebzehnjähriger verlassen musste und erst fünfzig Jahre nach seiner Deportation, nach dem Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs wieder sah?

Der Kunsthistoriker Günther Ott weist auf einen tieferen Heimatbezug im Werk des Künstlers hin: „Er abstrahiert und entstofflicht seine Gegenstände, mal geometrisch flächig, mal in malerisch gestischer Weise. Aber er bleibt stets gegenständlich. Ob das sein Banater Erbe ist?“ Und unter dem Titel „Starke Beziehung zu Kindheitserlebnissen“ berichtete eine Kunstjournalistin über eine Ausstellung von Franz Kumher in München: „Der Künstler (…) erklärt sein starkes Beziehungsverhältnis zum Gegenstand mit seinen Kindheitserlebnissen: Großvater und Vater waren als Handwerker tätig, als Bub hatte er seine Lieblingsplätze in der Tischler- und Zimmermannswerkstatt seiner Vorfahren. Hier lernte er sehen, denn, die Kunst ist eine Kunst des Auges’, so versichert der Professor, der alle seine Materialien selbst sammelt“.

Seine Prägung in der Kindheit und Jugend im Elternhaus und in der Temeswarer Banatia hatten gewiss Langzeitwirkung im Leben und Werk von Franz Kumher. Vielleicht sind diese frühen Erfahrungen vordergründig zwar kaum erkennbar, für Eingeweihte aber doch spürbar in seine Kunst eingewoben. Vielleicht ist es die Sehnsucht nach Harmonie und die zurückhaltende Emotionalität, die aus seinen Bildern spricht, oder ist es die Spurensuche in der Vergangenheit und die damit verbundene Rätselhaftigkeit vieler seiner  Werke oder auch die sanft-ironische Inszenierung disparater Fundgegenstände, gleichsam als Strandgut der Geschichte, die seinem „Banater Erbe“ zu verdanken sind.

Jedenfalls war es für Franz Kumher eine besondere Genugtuung, dass er 1993 als renommierter Künstler und Ehrengast bei einer Großveranstaltung der Banater Schwaben in der Temeswarer Oper öffentlich begrüßt wurde. In den folgenden Jahren waren seine Werke in Ausstellungen in Temeswar, Reschitza und in seiner Geburtsstadt Orawitz zu sehen, die ihn auf Vorschlag der Banater Berglanddeutschen zu ihrem Ehrenbürger ernannte. In seinem Ausstellungsverzeichnis fanden nun auch diese Städtenamen neben Athen und Paris ihren Platz, wenn auch spät, sehr spät.

Franz Kumher ist am 13. Februar 2018 in Hildesheim verstorben. Wir werden ihn in ehrender Erinnerung behalten.