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Deutsch als Identitätssprache der deutschen Minderheiten

Im Juni 2013 fand in Hermannstadt eine vom damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Christoph Bergner, gemeinsam mit der Hanns-Seidel-Stiftung veranstaltete Konferenz zum Thema „Deutsch als Identitätssprache der deutschen Minderheiten in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion“ statt. In Wahrnehmung ihrer kriegsfolgenbedingten historisch-moralischen Verantwortung unterstützt die Bundesrepublik Deutschland die deutschen Minderheiten in den Ländern Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, denen ca. 1,5 Millionen Menschen angehören.

Die Desintegration der Minderheitengemeinschaften in Folge der
Repressionen, denen sie jahrzehntelang ausgesetzt waren, aber auch in Folge der großen Aussiedlungswellen nach Deutschland in den 1990er Jahren, war in den meisten dieser Länder – Rumänien bildet hier eine Ausnahme – von einem zunehmenden Verlust der Bindung an die Muttersprache und einem stetigen Rückgang muttersprachlicher Kompetenzen begleitet. Deutsch als Minderheitensprache ist jedoch vorrangiges identitätsstiftendes Merkmal wie auch wichtigste Voraussetzung für das Bestehen der jeweiligen Gemeinschaft und für ihre Selbstidentifika-tion als deutsche Volksgruppe. Der Erhalt des Deutschen als Identitätssprache entscheidet langfristig über das Sein oder Nichtsein der jeweiligen Minderheit. Aus diesem Grund kommt der Förderung der deutschen Sprache in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa sowie in der ehemaligen Sowjetunion eine essenzielle Bedeutung zu.

Demnach gab es vielfältigen Anlass, über die bestehenden Sprachbildungsangebote und ihre zukünftige Gestaltung nachzudenken und zu fragen, wie den Organisationen der deutschen Minderheiten bei der Bewahrung und Förderung einer identitätsstärkenden deutschen Sprachvermittlung nachhaltig geholfen werden kann. Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Konferenz in Hermannstadt, zu der rund 90 Vertreter verschiedener Minderheitenorganisationen aus den betreffenden Staaten eingeladen waren.

Sämtliche Beiträge und Podiumsdiskussionen der Konferenz liegen nun in gedruckter Form vor. Der Band „Deutsch als Identitätssprache der deutschen Minderheiten“ wurde von der Hanns-Seidel-Stiftung in der Reihe „Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen“ herausgegeben. Dem Tagungsprogramm entsprechend ist auch der vorliegende Band in drei thematische Sektionen gegliedert. Der erste Teil befasst sich mit politischen Aspekten der Minderheitenförderung und Sprachbildung. Vorgestellt werden zunächst die einschlägigen völkerrechtlichen Instrumente zum Schutz von Minderheitensprachen, sodann Maßnahmen und Instrumente zur Förderung der deutschen Sprache als Minderheitensprache durch Bund und Länder. Das Bundesministerium des Innern unterstützt im Rahmen seiner Hilfenpolitik deutsche Minderheiten in Staaten, in denen diese Personengruppen ein besonderes Kriegsfolgenschicksal erlitten haben, und legt einen besonderer Schwerpunkt auf die Förderung gemeinschaftsbildender Maßnahmen, zu denen auch Sprachbildungsangebote gehören. Ähnliche Unterstützung erfahren die deutschen Minderheiten auch aus einzelnen Bundesländern, wobei anhand von drei Länderbeispielen (Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen) Mittel und Wege aufgezeigt werden, wie sich die Länder dieser Aufgabe annehmen. Im Rahmen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik widmet sich auch das Auswärtige Amt vor allem über seine Mittlerorganisationen wie das Goethe-Institut oder das Institut für Auslandsbeziehungen der Förderung der deutschen Minderheiten.

Der zweite Teil des Bandes enthält Berichte über die aktuelle Lage der deutschen Sprache und die Sprachbildungsangebote für die deutschen Minderheiten in Rumänien, Russland, Kasachstan, der Ukraine, Polen und Ungarn. Das letzte Kapitel schließlich widmet sich der Vermittlung der deutschen Sprache als Minderheitensprache mittels schulischer und außerschulischer Sprachbildung.

Der vorliegende Band verdeutlicht die existenzielle Bedeutung der Sprachbildung für die deutschen Minderheiten und zeigt Möglichkeiten auf, wie die Bindung an die Muttersprache revitalisiert werden kann. Dieses Ziel ist nur durch gemeinsame Anstrengungen des deutschen Staates, der Minderheitenorganisationen selbst und der jeweiligen Heimatstaaten zu erreichen.

Christoph Bergner / Hans Zehetmair (Hrsg.): Deutsch als Indentitätssprache der deutschen Minderheiten. München: Hanns-Seidel-Stiftung, 2014. 103 Seiten. Die Publikation kann unter www.hss.de/publikationen.html kostenfrei bestellt werden und wird dort auch als PDF-Datei angeboten.