zur Druckansicht

„Das Paprikaraumschiff ist mein Traumschiff“

Am 14. September stellte Sigrid Katharina Eismann im Offenbacher Haus der Stadtgeschichte in Begleitung der Musiker von „Rosenrazzia“ ihren ersten Gedichtband „Reise durch die Heimat. Von Offenbach nach Temeswar“, 2017 im Frankfurter Größenwahn-Verlag erschienen, vor. Auf die Frage eines Besuchers, wie die Künstlerin, die mit „Text-Klang Experimenten“ und vor allem durch die interaktive Ausstellung „Nach dem Fest  das Fest“ bekannt geworden ist, zum Gedichteschreiben gekommen sei, antwortete Katharina Eismann: „Basteln tu ich nicht, die Gedichte überfallen mich.“

Die Künstlerin, die als „Quereinsteigerin“ seit 2009 auch Gedichte schreibt, verarbeitet Erinnerungen an die Stadt ihrer Kindheit mit Gegenwartsmomenten. Rückblicke und Erlebnisse verdichten sich in den Gedichtzeilen, die gesprenkelt sind mit Ausdrücken aus verschiedenen Sprachen und Dialekten, mit Regionalismen. Ihre Gedichte klingen, nicht nur bei der Lesung in Begleitung der Klezmer-Klänge, des Trommelschlags und der Gitarrentöne, sondern aus sich heraus. Schon der ursprüngliche Titel des Bandes „Paprikaraumschiff“, der sich auf ein Gedicht bezieht, ist sphärisch, allerdings hat der Verleger Sevastos Sampsounis vom Größenwahn-Verlag ihr einen anderen Vorschlag gemacht, den sie annahm.

So entstand ein Heimat-Gedichtband, oder nicht? Viele ihrer Streifzüge durch die Stadt Temeswar, ihre Geburtsstadt, durch den Stadtteil Freidorf rufen Momente der Nostalgie angesichts einer schönen Zeit in der Banater Heimat hervor: „…die Stadt fröstelte / an der Haltestelle / Sehnsucht und Flucht // ein polentagelbes Zitat / kommt angerauscht: die Elektrische / hie und da eine Postkarte // sucht die Wiener im Kaffeehaus“ („Sucht die Wiener“, S. 76 f.).

Stimmungsvoll und doch schwungvoll, nostalgisch und trotzdem realistisch erzählen die Texte Katharina Eismanns von Menschen, Märkten und Szenen einer Stadt: „Raue Hände / wuchten Körbe / betten Petersilien / türmen Zwiebeln / auf Steintische / herzen mit Juwelen / aus Kirschen … am Mosaiktisch sitzt der Mokkafürst / er zählt seine Wertpapiere / mit einem Satz / macht er einen Satz nach Balkanova // Salatblätter segeln durch Pfützen…“ („Josefin / Josefstädter Markt“, S. 78 f.).

Herzerfrischend, bunt, melodisch, nostalgisch, zuweilen sarkastisch lässt die Autorin Menschen wiederauferstehen, so die „Kettel-Oma aus Altfreidorf“ im Gedicht „Schlehen“: „Die Hände im Gartenschoß / Erde unter ihren Fingernägeln / auf ausgetretenen Fußstapfen / wandern Reben / in grünen Höhlen reift Schmerz // im Sommer barfuß am Brunnen / vereiste Lachen ihr Weinen … dem Sommer entflohen Schlehen / im süßen Hemd fault Herbst“ (S. 80).

Zwischen Brecht und Tucholsky reiht sich der Duktus der freien Lyrik Eismanns ein: Wortschöpfungen, Metapher, poetische Bilder, humoristische Szenen, die gelegentlich ins Melancholische abfallen: „Trauben reiben sich die Augen / an den Hängen reifen Rebenschulen / Sonnenblumen drehen die Köpfe / durch augenlange Auen / die Puszta ist aufgeladen / Maispuppen außer Puste“ („Uhudler“, S. 89).

Mit dem „Dorf im Kopf“ (S. 72) auf der Reise zur „Lokalpoesie“ (S. 44) ist die Dichterin als „Tuchfühlerin“ (S. 45) unterwegs auch in der neuen Heimat am Main, in Offenbach, und vergleicht diese mit der
alten, vermischt Eindrücke und Empathie. Eine dynamische Poesie über unsere Banater Heimat – einmal anders: mit historischem Rückblick auf Wiener Schmäh und Banater Nostalgie in humorvollen, bunten Bildern, von der Donau zum Main. Unbedingt empfehlenswert.

S. Katharina Eismann: Reise durch die Heimat. Von Offenbach nach Temeswar. Gedichte. Frankfurt am Main: Größenwahn Verlag, 2017. 107 Seiten. ISBN 978-3-95771-178-6. Preis: 16,90 Euro