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Vom Militärsatiriker zum Kriegsnovellisten

Dr. Walter Engel sprach über das Frühwerk von Franz Xaver Kappus. Foto: Ioan Gojda

Franz Xaver Kappus hinterließ ein umfangreiches schriftstellerisches Werk. Foto: Archiv BP

Kultur- und Literaturliebhaber trafen sich am 1. Juni zu einer literarischen Veranstaltung im Festsaal des Bezirksmuseums Wien-Josefstadt. Dazu eingeladen hatte der Verein „Banater Schwaben Österreichs“, der die Veranstaltung in Kooperation mit der Österreichisch-Rumänischen Gesellschaft und mit Unterstützung des Bezirkskulturamts Wien-Josefstadt, der Stiftung der Altösterreicher und des Vereins HORA organisiert hat. Auf dem Programm stand ein Vortrag des Literaturwissenschaftlers und Publizisten Dr. Walter Engel aus Kaarst bei Düsseldorf über den in Temeswar geborenen Schriftsteller Franz Xaver Kappus (1883-1966). „Vom österreichischen Militärsatiriker zum Kriegsnovellisten“ lautete der Titel des Vortrags, in dessen Mittelpunkt das Frühwerk des Autors stand.

Zur Eröffnung der Veranstaltung sprachen Mag. Dr. Hans Dama, Obmann des Vereins Banater Schwaben Österreichs, und Mag. Lukas Vosicky, Generalsekretär der Österreichisch-Rumänischen Gesellschaft. Dama stellte den Referenten des Abends vor. Dr. Walter Engel, 1942 in Deutschsanktmichael geboren, wirkte nach Abschluss seines Germanistik- und Rumänistikstudiums an der Universität Temeswar als Kulturredakteur in Hermannstadt und als Dozent für Neuere Deutsche Literatur am Germanistik-Lehrstuhl der Temeswarer Universität. Nach seiner Aussiedlung nach Deutschland 1980 promovierte er an der Universität Heidelberg  und war wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitätsbibliotheken Heidelberg und Frankfurt am Main, dann Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Düsseldorf (1988-2006). Engel ist Autor und Herausgeber von Buchpublikationen und veröffentlichte zahlreiche Beiträge zur deutschen und rumäniendeutschen Literatur in Zeitschriften und Sammelbänden.

In seinem Vortrag bot Walter Engel zunächst einen knappen Überblick über Leben und Werk des
bedeutenden Temeswarer Schriftstellers Franz Xaver Kappus. Er ging dabei besonders auf dessen frühen Werke ein, die vor und während des Ersten Weltkriegs erschienen sind. Vordergründig waren diese mit Kappus’ Erlebnissen und Erfahrungen als „Zögling“ der Militärakademie in Wiener Neustadt (1902-1905) verbunden, aber in der Tiefe auch mitgeprägt von der Suche nach dem eigenen Weg, nach seinem Dichtungsideal. Der Referent hob den Zwiespalt zwischen „den Anforderungen militärischer Disziplin und künstlerischem Freigeist“ hervor, unter dem der angehende k.u.k. Offizier und sensible junge Dichter Franz Xaver Kappus zu leiden hatte. Diese innere Spannung unterstrich Walter Engel in seinem kurzen Kommentar zu Rainer Maria Rilkes „Briefen an einen jungen Dichter“ (erschienen 1929 im Leipziger Insel-Verlag), die vom bereits berühmten Prager Dichter 1903-1908 an Kappus gerichtet worden waren. Sie findet sich ansatzweise in den Militär-Humoresken und bleibt über die Kriegsnovellen hinaus bis zu den expressionistisch anmutenden Texten von Kappus spürbar.

Der Referent griff sodann einige Humoresken und Satiren des Temeswarer Autors aus dessen Bänden „Im mohrengrauen Rock“ (Wien, 1903) und „Durchs Monokel“ (Wien und Leipzig, 1913) heraus und wies auf die subtile Ironie von Franz Xaver Kappus hin, der den eklatanten Widerspruch zwischen Sein und Schein im untergehenden Habsburger Reich früh erkannte. Einen weiteren Schwerpunkt des Vortrags bildeten sodann die Kriegsnovellen des 1915 schwer verwundeten Autors. Aus dem Band „Blut und Eisen“ (Stuttgart, 1916) stellte Engel die Kriegsnovellen „Fahrt durch das Grauen“ und „Mutter Erde“ vor. Er wies auf erzählerische Besonderheiten dieser Prosa hin, so „auf die spannungsreiche Gestaltung dramatischer Szenen, die Übergänge von der realen zur Bewusstseinsebene, auf die starke Emotionalität in den Erzählungen von Kappus“. Dies habe, so der Referent, „schon hingedeutet auf seine expressionistischen Texte. Im Kern blieb der kriegsbeteiligte Erzähler mit der bitteren Einsicht, dass die Brutalität des Krieges der humanen Gesinnung keine Chance gelassen hat.“

Nach dem Krieg kehrte Kappus nach Temeswar zurück. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, begann er sich journalistisch zu betätigen. Als Mann mit Zeitungserfahrung – er hatte in Wien die „Militärische Rundschau“ redigiert und sich als Schriftleiter der Besatzungszeitung „Belgrader Nachrichten“ (1917-1918) betätigt – war seine Mitarbeit nicht nur im lokalen deutschen Pressebetrieb gefragt. Er hat auch in siebenbürgisch-deutschen Periodika und in der deutschsprachigen Presse Bukarests sowie in der deutschen Presse des Auslands publiziert. Die Temeswarer Jahre waren, so Eduard Schneider, „die fruchtbarste Zeit des Journalisten und Publizisten Franz Xaver Kappus“.

Nachdem sein Debütroman „Die lebenden Vierzehn“ 1918 im Berliner Ullstein-Verlag erschienen und wohlwollend aufgenommen worden war und auch weitere seiner Romane einen Publikumserfolg im binnendeutschen Sprachraum erzielt hatten (der Roman „Der rote Reiter“ wurde 1923 sogar verfilmt), verließ Kappus 1925 Temeswar, um sich seine Existenz in Berlin zu begründen. Bei Ullstein übernahm er eine Lektorenstelle und als Autor von Unterhaltungsromanen bediente er mit Erfolg einen recht weiten Leserkreis. Sein letzter Roman, „Flucht in die Liebe“, ist 1949 erschienen. Kappus starb 1966 im Alter von 83 Jahren in West-Berlin.

Musikalisch umrahmt wurde die von Univ.-Doz. Dr. Andreea Kolbus moderierte Veranstaltung von Remo Neusatz, der am Klavier klassische Stücke darbot. Aus den Werken von Franz Xaver Kappus lasen Hans Dama, Remo Neusatz und Josef Szarvas. Der Vortrag sowie das Aufeinandertreffen von Literatur und Musik schufen eine angenehme, von einzigartigen Augenblicken geprägte Atmosphäre.