Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Kulturvermittlung mit Sachverstand und Freude

Joseph Ed. Krämer (1937-2017). Foto: Walther Konschitzky

Joseph Ed. Krämer: Megakonstrukt / Die Vollkommenheit des Raumes (1971, Tusche/Tempera)

Zum Ableben von Joseph Ed. Krämer - Sein Name stand unter Dutzenden publizistischen Beiträgen und hunderten Illustrationen in Zeitungen, Zeitschriften, Kalendern und Büchern, er stand auf dem Vorspann zu Kurzfilmen, auf Plakaten zu Theateraufführungen, Musikdarbietungen und Bunten Abenden und nicht zuletzt wurde Joseph Ed. Krämer als Mitautor von zahlreichen Ausstellungen genannt – die bekanntesten wohl über die Volksarchitektur im Banat, die Deportation in die Sowjetunion, die Bărăgan-Verschleppung oder zum 50. Jubiläum des Temeswarer Deutschen Staatstheaters. Bei den meisten aber, die er mitgestaltet oder für andere eingerichtet hat, führte er selbst seinen Namen gar nicht erst an. Er drängte sich nie ins Rampenlicht, die Arbeit selbst und das Suchen nach Lösungen war seine Freude, und das Finden als Ergebnis seine Genugtuung. Obwohl er an zahlreichen Ausstellungen des Verbandes der Bildenden Künstler in Rumänien teilgenommen hat, stand für ihn die eigene Kunst – Grafik und Malerei – nur auf Rang zwei, im Vordergrund standen Kunsterziehung und Kulturvermittlung, und dies noch im Rentenalter bis wenige Monate vor seinem Tod am 31. März 2017 in Ulm.

Geboren wurde Joseph Krämer – das Kürzel Ed. wählte er später aus tiefer Verehrung für seine Mutter Edith – am 26. November 1937 in Busiasch, wo er in der vom Muschong-Kurbad, von einer Vielzahl von Läden und Handwerksbetrieben wie auch von den großen bäuerlichen Wochenmärkten geprägten Landgemeinde aufwuchs, die als ehemaliges Bezirkszentrum seit jeher ein bedeutender Bezugsort für das gesamte Umland, insbesondere für die Ortschaften in der Temesch-Niederung war. Eingebunden in die von seinem Tuschkan-Großvater, einem hoch angesehenen Lehrer und unermüdlichen Förderer des kulturellen Lebens in Busiasch, begründete anregende Atmosphäre im Elternhaus, erlebte er trotz Krieg eine unbeschwerte frühe Kindheit. Mit Freunden brachte er eine Schülerzeitschrift heraus, die er selbst illustrierte. Erst die vielfältigen gesellschaftlichen Veränderungen und materiellen Einschränkungen der Nachkriegszeit überschatteten die Jahre des Gymnasialschülers.

Zwischen 1951 und 1954 besuchte Joseph Krämer das Loga-Lyzeum in Temeswar; nach dem Abitur war er Gelegenheitsarbeiter in mehreren Betrieben, absolvierte seinen Militärdienst und nahm danach privaten Zeichenunterricht, um sich für die Aufnahmeprüfung zum Kunststudium in Temeswar vorzubereiten. Zunächst aber trat er die Stelle als Leiter des Kulturheims im Nachbarort Bakowa an, wo er alsbald Gelegenheit hatte, sein Können und seinen Einfallsreichtum innerhalb der in jenen Jahren sehr regen Kulturarbeit des Dorfes einzusetzen. In besonderer Weise engagierte er sich in dieser Zeit und auch in den Jahren danach als Student der Fakultät für Bildende Kunst innerhalb der Studentenkulturgruppe in Bakowa, wo allein im Jahr 1962 fünfzehn Jugendliche ein Hochschulstudium begonnen haben. Die Theateraufführungen, vor allem aber die Bunten Abende auf einer von Krämer gestalteten, durchgehend offenen Bühne, die während der Vorstellung mit nur wenigen Handgriffen laufend gewechselt werden konnte, erregten weithin Aufsehen; sie zählten in den 1960er Jahren im Banat sicher zu den gehaltvollsten neuartigen Kulturdarbietungen auf dem Land.

In seiner Studienzeit setzte auch seine Mitarbeit an der Bukarester Tageszeitung Neuer Weg ein. Als Mitglied des Publizistikarbeitskreises Temeswarer Studenten veröffentlichte er Illustrationen und Karikaturen, nach dem Studium auch umfassende publizistische Arbeiten – Berichte und Besprechungen zu Ausstellungen wie auch Beiträge über Bildende Kunst allgemein. In den Jahren 1981-1982 schuf er die Zeichnungen zu der volkskundlichen Serie „Sonnenrad und Lebensbaum – Banater Giebelhäuser und ihre Ornamentik“, ein Themengebiet, das ihn über Jahrzehnte beschäftigen sollte. Seine in der Zeitung erschienenen Federzeichnungen zu historischen und heimatkundlichen Beiträgen wurden später auch in mehreren Büchern veröffentlicht, viele auch in Ausstellungen präsentiert.

Von 1964 bis 1978 wirkte Krämer als auswärtiger Mitarbeiter des Temeswarer Kulturhauses der Studenten; hier gestaltete er Plakate, betreute Ausstellungen und entwarf die Bühnenbilder zu zahlreichen Theateraufführungen der rumänischen, später auch der deutschen Theatergruppe. Er zählte auch zu den Gründern des erfolgreichen Kurzfilmklubs im Kulturhaus der Eisenbahner und des Studenten-Cineklubs „Gaudeamus“.

Nach dem Staatsexamen 1964 wurde er Zeichenlehrer am Temeswarer Sportlyzeum. Drei Jahrzehnte lang wirkte er an dieser Schule als ebenso begnadeter wie engagierter Kunsterzieher; es war der Beruf, in dem er aufging. Als sprechendes Beispiel dafür mag gelten, dass von ihm eingerichtete Ausstellungen mit Zeichnungen von Sportschülern zu den schönsten der Stadt zählten, bemerkenswert für einer Schule, in der Sport gemeinhin das Wichtigste war. Sein pädagogisches Fachwissen und Können veranlasste das Schulinspektorat des Kreises Temesch, ihn viele Jahre lang als Fachinspektor und Leiter der Fortbildungskurse für Kunsterzieher einzusetzen.

1982 absolvierte Joseph Ed. Krämer an der Bukarester Kunstakademie ein fünfjähriges Fernstudium an der Fakultät für Museumswesen und Restaurierung. In den 1980er Jahren hat er die Restaurierung von Vitralien im Arader Rathaus und in der Temeswarer Millenniumskirche und, nach der politischen Wende, die Restaurierung der Jugendstil-Glasfenster des ehemaligen katholischen Priesterseminars, die heute im Bischofs-palais integriert sind, ausgeführt. Zwischen 1990 und seiner Auswanderung nach Deutschland 1996 war er auch am Architekturlyzeum in Temeswar als Fachlehrer für Denkmalpflege und Restaurierung tätig.

Nach seiner Ankunft in Deutschland bot sich ihm in Ulm die Chance, zunächst bei der Einrichtung des
Donauschwäbischen Zentralmuseums mitzuwirken. Als er kurze Zeit später die Betreuung des Kultur- und Dokumentationszentrums der Landsmannschaft der Banater Schwaben übernahm, konnte er in mancherlei Hinsicht auf seine reiche Erfahrung in der Vermittlung von Kultur in sehr unterschiedlichen Bereichen aufbauen.

Mit großer Hingabe und über einen langen Zeitraum – von der Eröffnung im Jahr 1999 bis Ende 2016 – betreute Joseph Ed. Krämer diese landsmannschaftliche Einrichtung in der Oberen Donaubastion, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Donauschwäbischen Zentralmuseum. In seinem Zuständigkeitsbereich lagen die Bibliothek und das Archiv, aber auch – und daran war ihm sehr gelegen – die Vermittlung von Banater Geschichte und Kultur durch eine monatliche Veranstaltungsreihe. Die von ihm liebevoll gestalteten Plakate und Informationsblätter geben – gesammelt – Rückschlüsse auf die Vielzahl und Vielfalt der in diesen 18 Jahren organisierten Veranstaltungen: Vorträge zur Geschichte, Kulturgeschichte und Volkskunde der Banater Schwaben, Lesungen und Buchvorstellungen, Dokumentations- und Kunstausstellungen usw. Und so gut wie alle Veranstaltungen trugen auch seine persönliche Handschrift, zumal er zu jedem Vortragsthema eine kleine Ausstellung aus den Beständen der Bibliothek und des Archivs gestaltete.

Joseph Ed. Krämer war allen, die ins Kultur- und Dokumentationszentrum kamen, stets ein guter Gastgeber. Unvergessen bleiben die Kaffeenachmittage, zu denen er auch in seiner Eigenschaft als Ulmer Kreisvorsitzender der Landsmannschaft jeden Monat einlud. Eine verlässliche Stütze war ihm dabei immer seine Frau Simona.

Die Chance, im Banater Kulturzentrum in Ulm zu wirken, empfand er stets als eine glückliche Fügung, und sein tief empfundener Dank dafür fand seinen Niederschlag in ungezählten Stunden Arbeit über sein Deputat hinaus. Eines schien er mehr zu haben als jeder in seinem Umfeld: Zeit. Doch das war ein Trugschluss, und wahrscheinlich wusste er es. Und so warteten hunderte Skizzen, vornehmlich aus den 1960er und 1970er Jahren, letztlich vergebens auf ihre Umsetzung in finite Kunstwerke. Ob ihn dies belastet hat? Kaum. Wichtiger erschien ihm, einen Gedanken, eine Bild-Idee in mehreren Spielformen festzuhalten und aus-zuloten. Nicht selten wurde das eine oder andere Motiv in ganz neuer Verarbeitung wieder aufgenommen oder in Bühnenbildern, zuweilen auch mit einer völlig anderen Sinngebung, eingesetzt. Das Spielen mit Ideen, das Suchen nach Varianten und Lösungen bedeutete ihm sichtlich mehr als die Ausführung des möglichen, oft auch unumgänglichen Endprodukts Bild oder Bühnenbild.

Dieses anregende Suchen nahm zuweilen ganz eigene Formen an: Es ist sicher nicht jedermanns Sache, in äußerst angespannten Phasen oder kritischen Momenten der Ausstellungsgestaltung zu erleben, wie jemand seelenruhig Jazzmotive summt oder rhythmisch auf den Arbeitstisch trommelt. Außenstehende mag dies gewundert haben; für ihn aber war es anregend und Ausdruck intensiver Partizipation. Und seine Mitarbeiter wussten, dass er nun optimale Lösungen gefunden hatte und die Arbeit läuft.

Viele haben die Ergebnisse seines Wirkens, aber auch seine freundliche Art Menschen zu begegnen, angesprochen, viele hat er bestärkt und bereichert. Vielen, sehr vielen war er Freund. Und sicher empfinden viele für diese Freundschaft einen tiefen Dank. Auch wir.