Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Facettenreichtum trotz Strenge und Begrenztheit

Ingo Glass: Grundformen und Grundfarben in Bewegung, 2013 (120 x 120 x 120 cm)

Ingo Glass: Dominierender Kreis über einem Dreieck, 2012 (100 x 80 x 100 cm)

Bereits seit Jahrhunderten tauchen geometrische Elemente in Grund-zügen in der Kunst auf, doch erst die als Konkrete Kunst bekannte Stilrichtung der modernen Kunst beruht ausschließlich auf mathematisch-geometrischen Grundlagen. Ziel der Konkreten Kunst ist es, wie es Max Bill, einer ihrer führenden Repräsentanten, formulierte, „Gegenstände für den geistigen Gebrauch zu entwickeln“. Konkrete Kunst sei „der Ausdruck des menschlichen Geistes, für den menschlichen Geist bestimmt“ und in ihrer letzten Konsequenz „der reine Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetz. Sie ordnet Systeme und gibt mit künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben.“

Zu den bedeutendsten Vertretern der zeitgenössischen Konkreten Kunst zählt der 1941 im Banat geborene Metallbildhauer Ingo Glass. Werke des Künstlers werden jahrein, jahraus für Ausstellungen europaweit angefordert, die Konkrete Kunst in ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen (Malerei, Bildhauerei, Poesie, Fotografie) präsentieren. Sie sind aber auch immer wieder in Einzelausstellungen zu sehen, die der Künstler in Zusammenarbeit mit Museen und Galerien veranstaltet. Vor seinem biografischen Hintergrund konzentrieren sich diese Werkschauen auf Deutschland, zunehmend auf Ungarn, wo Ingo Glass heute lebt, und auf sein Herkunftsland Rumänien.

Im April dieses Jahres feierte Ingo Glass seinen 75. Geburtstag. Zu diesem Anlass zeigt der Künstler in
einer Wanderausstellung eine repräsentative Auswahl von Plastiken, deren Anzahl in Abhängigkeit von den jeweiligen räumlichen Gegebenheiten variiert. Das übergreifende Motto „Raum fassen. Raum lassen – immer wieder Offenheit“ widerspiegelt die Kernidee der Wanderausstellung, die in verschiedenen Variationen an den einzelnen Ausstellungsorten eine Konkretisierung erfährt. Erste Station machte die Ausstellung mit dem Titel „Dem Raum Geist geben“ im April/Mai 2016 im Üblacker-Häusl im Münchner Stadtteil Haidhausen. Der Ort war nicht zufällig gewählt, wirkte doch Ingo Glass 35 Jahre lang als Kustos dieser Kultureinrichtung der Landeshauptstadt München. Zudem lebte er fast genauso lange in diesem denkmalgeschützten ehemaligen Herbergsanwesen. Heute wird das Üblacker-Häusl von seiner Tochter Krista betreut.

Vor einigen Jahren verlagerte Ingo Glass seinen Lebensmittelpunkt nach Budapest. So war es nur selbstverständlich, dass die Ausstellung als nächstes dort gezeigt wurde. Vom 26. Mai bis 2. Juni war die Ausstellung unter dem Titel „Ingo Glass – Die Dreieinheit von Form, Farbe und Raum“ in der Budapester „byArt Galéria“ zu sehen. Bei der Vernissage sprach der Kunsthistoriker P. Szabó Ernő, Autor des im vergangenen Jahr erschienenen Interviewbandes „Szellemet adni a térnek. Beszélgetés Ingo Glass-al“ (Dem Raum Geist geben. Gespräch mit Ingo Glass).

Ihren Abschluss findet die Wanderausstellung in Rumänien. In der Kunstabteilung des Museums des Kreischgebietes (Muzeul Ţării Cri-șurilor) in Großwardein/Oradea wird sie unter dem Titel „Öffnung – Ingo Glass zum 75.“ in erweiterter Form am 22. September eröffnet. In die Ausstellung einführen werden die Kunsthistoriker Dr. Aurel Chiriac, Direktor des Museums des Kreischgebietes und Professor für Kunstgeschichte an der Universität Großwardein, sowie Vasile Duda, Lehrer am Lyzeum für Bildende Kunst „Corneliu Baba“ in Bistritz. Letzterer schreibt seine Dissertation über Ingo Glass bei Professor Chiriac. Zu der Ausstellung, die bis zum 23. Oktober geöffnet ist, wird auch ein Katalog erscheinen.

Nicht minder wichtig als diese Einzelausstellungen sind die regelmäßigen Beteiligungen des Künstlers an Gruppenausstellungen im In- und Ausland. So war er an der vom Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler veranstalten Gemeinschaftsausstellung „Pannonisches Herz“ beteiligt, die im Mai/Juni in der Galerie K.B. des Kunstlehrstuhls der Universität Kaposvár präsentiert wurde.

Das internationale Renommee, dessen sich Ingo Glass erfreut, wird auch durch die Einladung zur Teilnahme an zwei Kunstausstellungen unterstrichen, die derzeit in Frankreich und Deutschland zu sehen sind. Für die Ausstellung „Rythme & Géometrie“ (Rhythmus und Geometrie), die einen repräsentativen Überblick über die geometrische Kunst der Gegenwart bietet, wählte eine Jury rund sechzig Künstler aus aller Herren Länder aus, darunter auch Ingo Glass (unter den Teilnehmern findet sich übrigens mit dem Maler Diet Sayler ein weiterer aus dem Banat stammender konkreter Künstler). Die Ausstellung ist noch bis zum 18. September im Couvent des Cordeliers zu sehen, einem ehemaligen Franziskanerkonvent in der zentralfranzösischen Stadt Châteauroux.

Im Rahmen des 13. Internationalen Kongresses für Mathematische Erziehung, der Ende Juli in Hamburg tagte, beschäftigte sich eine Diskussionsgruppe mit „Mathematik in Kunst und Design der Gegenwart“. Begleitend dazu wurden drei Ausstellungen organisiert, die jeweils einen speziellen Aspekt des Themas veranschaulichten. In der von dem Mathematiker und Kunsthistoriker Professor Dietmar Guderian kuratierten und in der Galerie Renate Kammer gezeigten Ausstellung „Quadrat, Kreis, Dreieck in der Kunst der Gegenwart. Vom menschlichen Geist für den menschlichen Geist“ sind noch bis zum 27. August Werke renommierter Künstler zu sehen, die Bezüge zur Mathematik aufweisen.

Unter den teilnehmenden acht Künstlern, darunter so bekannte Namen wie Joachim Albrecht, Max H. Mahlmann, Gudrun Piper oder Martin Vosswinkel, nimmt Ingo Glass eine Sonderrolle ein. „Er modifiziert oder bearbeitet die geometrischen Grundformen Quadrat-Kreis-Dreieck nicht, setzt sie aber derart zueinander in Beziehung, dass nach exakt geführten Einschnitten selbständig stehende Skulpturen entstehen. Darüber hinaus ordnet er den drei Formen stets die gleichen, von ihm einleuchtend begründeten, vom üblichen Farb-Form-Kanon abweichenden Grundfarben zu“, heißt es in der Pressemitteilung zur Ausstellung.

Trotz strenger Geometrie und begrenztem Farben-Vokabular schuf Ingo Glass ein markantes und erstaunlich vielgestaltiges Werk, das ihm einen besonderen Platz in der Konkreten Kunst der Gegenwart sichert.