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Temeswar auf dem Weg zur europäischen Kulturhauptstadt

Bis Ende dieses Jahres wird feststehen, welche rumänische Stadt sich im Jahr 2021 mit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ schmücken darf. Von den ursprünglich 14 Städten, die sich für den begehrten Titel beworben haben, sind noch vier im Rennen: Temeswar, Klausenburg, Bukarest und Neustadt/Baia Mare. Die Temeswarer Journalistin und Hochschullehrerin Ştefana Ciortea-Neamţiu hat den Vorbereitungsprozess ihrer Heimatstadt Temeswar auf den Wettbewerb für den Titel einer „Kulturhauptstadt Europas 2021“ beobachtet und journalistisch begleitet. Lesern der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien / Banater Zeitung“ (ADZ/BZ) – der Printausgabe oder auch nur der mit ausgewählten Beiträgen bestückten Online-Ausgabe – dürfte die Rubrik „Unser Kandidat: Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2021“ bekannt sein. Ciortea-Neamţiu hatte diese seit Herbst 2014 wöchentlich erscheinende Rubrik angeregt und betreut. Kurz nachdem bekannt geworden war, dass es Temeswar auf die sogenannte Kurzliste der verbliebenen vier Städte geschafft hat, versammelte die Autorin ihre bis dahin erschienenen über fünfzig Beiträge in einem Buch. Die vom Verlag der Temeswarer West-Universität herausgebrachte Veröffentlichung mit dem Titel „Eine Stadt vermittelt sich. Temeswar – Kandidat für den Titel einer Kulturhauptstadt Europas 2021“ wurde am 9. Mai 2016 im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar vorgestellt.

Ştefana Ciortea-Neamţiu ist in der vorteilhaften Lage, nicht nur auf eine langjährige journalistische Erfahrung zurückgreifen zu können, sondern auch ihr theoretisches Wissen als Lektorin an der Fakultät für Politik- und Kommunikationswissenschaften der Temeswarer West-Universität einzubringen. Demnach ist das vorliegende Buch weit mehr als nur eine Sammlung von Zeitungsartikeln. Diesen vorangestellt ist eine Analyse des Diskurses der Stadt Temeswar im Kontext der Vorbereitungen auf den Wettbewerb für den Titel einer „Kulturhauptstadt Europas 2021“. Dabei schlägt die Autorin vor, die Stadt als „lebendigen Organismus“ anzusehen, der einerseits „die Spuren der Vergangenheit trägt und zugleich mit beiden Beinen in der Gegenwart steht, sich aber auch Gedanken über die Zukunft macht“ und andererseits imstande ist, selbst zu kommunizieren, sich zu vermitteln. Diesem Diskurs hat die Autorin mit offenen Sinnen nachgespürt, sie hat ihn als Journalistin aufgezeichnet und weitervermittelt und, im Hinblick auf die Buchpublikation, mit den Instrumenten der Sozialwissenschaften – unter Rückgriff auf soziologische, kommunikations- und kulturwissenschaftliche Erklärungsansätze – untersucht, ihm sozusagen eine theoretische Grundierung gegeben.

Der zweite, weitaus umfangreichere Teil des Buches umfasst die in der Zeitspanne Oktober 2014 – Januar 2016 in der ADZ/BZ unter dem Rubriktitel „Unser Kandidat: Temeswar – Kulturhauptstadt Europas 2021“ veröffentlichten Artikel, die chronologisch angeordnet sind. „Hier geht es nicht mehr um Theorien, hier ist das richtige, empirische Leben“, schreibt Prof. Dr. Robert Reisz, der Dekan der Fakultät für Politikwissenschaften, Philosophie und Kommunikationswissenschaften der West-Universität Temeswar, in seiner Einleitung zum Buch. Ein „wahres, phänomenologisches Temeswarer Kulturleben“ breite sich vor dem Leser aus.

Von den journalistischen Darstellungsformen her handelt es sich um eine Sammlung heterogener Texte. Es überwiegen Berichte und Reportagen aus dem Temeswarer Kultur-leben. Die Autorin schreibt über Kunstausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen, Musik- und Theaterfestivals und sonstige herausragende kulturelle Ereignisse. Sie stellt außerdem einige renommierte Temeswarer Künstler vor und greift dabei zum Porträt. In der Artikelreihe sind auch einige Interviews erschienen, in denen die Hauptakteure im Vorbereitungsprozess – die Geschäftsführerin des Vereins „Temeswar – Kulturhauptstadt Europas 2021“, Simona Neumann, und der Temeswarer Bürgermeister Nicolae Robu – zu Wort kommen oder aus Temeswar stammende Persönlichkeiten, die den Bewerbungsprozess ihrer Heimatstadt unterstützen – so der langjährige Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender, oder der in einer langen Familientradition stehende Musikinstrumentenbauer Anton Braun.

In weiteren Beiträgen beleuchtet Ciortea-Neamţiu die Erwartungen, die die deutsche Gemeinschaft an den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ knüpft, sowie den Beitrag, den die deutschen Kulturinstitutionen der Stadt (das Deutsche Staatstheater Temeswar, der Germanistik-Lehrstuhl sowie die Deutsche Schauspielabteilung an der Universität Temeswar, das Deutsche Kulturzentrum Temeswar) zu leisten gedenken. Überdies werden auch andere rumänische Anwärter für den Titel einer europäischen Kulturhauptstadt (Arad, Bukarest, Klausenburg, Kronstadt, Jassy) sowie die beiden Kulturhauptstädte 2015 (Pilsen/Tschechische Republik und Mons/Belgien) vorgestellt.

Bei aller thematischen Vielfalt befasst sich der Großteil der Texte mit dem Kulturleben Temeswars. Gerade weil dies in so unterschiedlicher Weise vermittelt wird, ergeben die Momentaufnahmen in der Summe und in ihren Zusammenhängen ein lebendiges und spannendes Bild dessen, was die Stadt an Alleinstellungsmerkmalen und Pluspunkten zu bieten hat und was sie für den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2021“ besonders qualifiziert.

Man kann als Banater nur wünschen, dass die Stadt Temeswar mit ihrer Bewerbungsdokumentation auch in der zweiten Auswahlrunde die Jury überzeugt und den Zuschlag erhält. Dann würde sich ein zweiter Band anbieten, zumal Ştefana Ciortea-Neamţiu die Rubrik „Unser Kandidat: Temeswar – Kulturhauptstadt Europas 2021“ weiterführt.

Ştefana Ciortea-Neamţiu: Eine Stadt vermittelt sich. Temeswar – Kandidat für den Titel einer Kulturhauptstadt Europas 2021. Timișoara: Editura Universităţii de Vest, 2016. 164 Seiten. ISBN 978-973-125-481-4 (Colecţia Amfiteatru. Seria Comunicare și Jurnalism)