Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Banater Kirchenmusik erklingt in München

Chor, Solisten und Orchester bei der Aufführung der „Missa Jubilet“ von Peter Rohr. Fotos: Walther Konschitzky

Die Solisten: Nina Laubenthal (Sopran), Petra Krause (Alt), Wilfried Michl (Tenor), Wilfried Michl sen. (Bariton)

Der gutgemeinte Anruf eines Freundes und auch die Ankündigung dieses vom Gerhardsforum Banater Schwaben in der St.-Piuskirche München organisierten Konzertes in der „Banater Post“ waren für meine Frau und mich ein triftiger Grund, von Nürnberg anzureisen. Ein noch wichtigerer Grund war der Name von Peter Rohr, der in mir Kindheitserinnerungen weckte.

Mein Reschitzaer Großvater sang solistisch in manchen Operetten und zusammen mit der Großmutter im Operettenchor und manchmal als Aushilfe auch im Kirchenchor und im Gesangverein. Von dort kannten sie auch Peter Rohr, der in der Zwischenkriegszeit  d i e  musikalische Autorität in Reschitza war. Und nach einem Kirchenkonzert „mit’m Rohr-Bácsi seina Mess“ (Missa Jubilet) Anfang der 1950er Jahre, zu dem ich mitgenommen wurde, trafen sich die Aufführenden mit Peter Rohr vor der Kirche. Er war eine Respekt ausstrahlende Gestalt. Als er mich, damals etwa 7-8 Jahre alt, auf dem Kopf streichelte und fragte: „Na, du klaaner Stemla, willst aach mal singan wie tei Ota?“, werde ich wohl etwas mit Lokomotiven geantwortet haben.

Nun, zum Konzert. Wir näherten uns ziemlich früh der St.-Piuskirche, nach draußen drang Chorgesang
und Paukenwirbel. Die noch leere Kirche war von einem hervorragenden Klangbild mit langem Widerhall
erfüllt. Wir bekamen mit, wie Dr. Franz Metz, Chor und Orchester den letzten Probenschliff gab. Es war sehr laut, denn geübt wurde gerade aus Franz Liszts Oratorium Christus die Stelle „Et portae inferi non praevalebunt“ („Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“). Ich freute mich schon auf den ausgezeichneten Klang diese Ensembles und war sehr gespannt, wie das Orchester dem verhaltenen Charakter des „Exsul-tate, jubilate“ Mozarts wohl gerecht werden würde?

Der erste Programmpunkt des Konzertes war dann auch Mozarts Motette „Exsultate, jubilate“ für
Sopranstimme und Orchester. Diese Motette, allgemein der Gottesmutter gewidmet („Tu virginum corona, tu nobis pacem donna“), ist eine Art Prüfstein für Sopranstimmen. Viele berühmte Sängerinnen machen es sich zur Ehre, sie zu singen, weil im letzten Teil Halleluja sehr schnelle Linien hinauf und hinab, Sechzehntelnoten in Allegro, gesungen werden müssen. So manche Sängerin verliert hier das Tempo oder „rutscht“ weg, nicht aber die Sopranistin Nina Laubenthal, die die Passage mit Bravour meisterte, was mit starkem Applaus belohnt wurde. Man spürte die breite Palette ihres Könnens.

Als nächstes stand „Aeterne Deus unus“, ein Offertorium für Alt-Stimme, Violoncello-Solo und Orchester von Wenzel Josef Heller (1849-1914) auf dem Programm. Der böhmische Komponist hatte in Leipzig Musik studiert, war Organist in Hermannstadt und machte große Karriere in Temeswar als Kapellmeister und Komponist. Darauf folgte das „Confitebor tibi, Domine“ von Joseph Blahack (1780-1848). Dieses Werk ist ein vertonter Psalm für Tenor- und Violin-Solo mit Orchester und kann selbstständig, aber auch bei der Gabenbereitung gesungen werden. Blahack, ein Niederösterreicher, machte in Wien Karriere als Sänger und Sängerknabenbetreuer und kannte die musikalische Wiener Prominenz sehr gut. So erinnert seine Musik unverkennbar an Mozart und Haydn, bewahrt sich aber einen eigenen Charakter, erkennbar in mehr Lyrik und weniger Dramatik. Beide Solisten, der Tenor Wilfried Michl, ein Pfaffenwinkler aus Bayern mit Banater Wurzeln, mit herrlich heller, weicher und expressiver Stimme, und die noch sehr junge Augsburger Violinistin Eva Maria Wagner (Schülerin des aus Temeswar stammenden Geigenlehrers Karl W. Agatsy), mit bester Aussicht auf eine große Karriere, ließen einen besinnlichen, ruhigen Psalm in der St.-Piuskirche erklingen.

Nach dem „Ave Maria“ für Sopran-, Tenor-, Violin-Solo und Orchester von Wilhelm Schwach (1850-1921), einem Lugoscher Dirigenten und Komponisten, wurde das Stück „Lauda Sion Salvatorem“ für Bass-Solo, Solistenquartett und Orchester von Vincens Maschek (1800-1875) aufgeführt. Der böhmische Musiker war mit Johann Strauß befreundet, wirkte als Musiklehrer in Temeswar, dann als Chorleiter in Weißkirchen und später als Komponist, Gesangslehrer und Organist an der Temeswarer
Synagoge. Das Werk wurde von dem Bariton Wilfried Michl sen., einem gebürtigen Ortzydorfer, mit viel Gefühl und Dramatik vorgetragen.

Die „Missa Jubilet“ von Peter Rohr (1881-1956), auch bekannt als „Kirchweihmesse“, bildete den eigentlichen Höhepunkt des gesamten Konzerts. Rohr, aus Darowa stammend, musizierte schon seit seiner frühen Jugend. Nach mehreren Lebens- und Wirkungsstationen wie Karansebesch, Weißkirchen und Wien, fasste er in Reschitza Fuß und prägte dort das Musikleben für Jahrzehnte. Ihm verdankt die Stadt Reschitza die Erweiterung des Symphonischen Orchesters, den Neuaufbau des Gesangvereins und des Sängerbundes, regelmäßige Konzerte mit anspruchsvollen Werken (Beethovens Neunte, Opern, liturgische Musik). Ich glaube, dass es keinen Bereich der ernsten Musik in Reschitza gab, den Peter Rohr nicht positiv beeinflusst hätte. Diese Formationen bestanden auch noch nach seinem Tode, in der Zeit des Kommunismus, als Corul şi Orchestra Simfonică Muncitorească Reşiţa und Ansamblul de Operetă Reşiţa. Die Musiker bildeten eine Art Philharmonischen Verein, da eine Kerngruppe zu allen Veranstaltungen verpflichtet wurde.

Das Konzert endete mit dem Stück „Tu es Petrus“, der 8. Teil des Christus-Oratoriums von Franz Liszt (1811-1886). Das Stück beginnt dramatisch mit einer Dissonanz, gegen Mitte des Satzes löst sich die Stimmung melodisch auf und gegen Ende wird sie dann wieder majestätisch und kräftig.

Insgesamt war es ein herausragendes, gut besuchtes Konzert mit sehr guten Solisten und einem Orchester, das sich durch einen ziemlich weichen, sehr angenehmen Klang auszeichnete. Dabei spielte auch die Kirchenakustik eine positive Rolle. Das Zusammenführen der drei mitwirkenden Chöre (Kirchenchor und Banater Chor St. Pius, Chorgemeinschaft Maria Ramersdorf, Kirchenchor St. Franz Xaver) mit dem Orchester ist Dr. Franz Metz sehr gut gelungen. Es war ein musikalischer Höhepunkt für München und ein Genuss für alle Liebhaber von Kirchenmusik.