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Mit Leib und Seele der Kunst verpflichtet

Alte Industriebauten in Bokschan (Feder, Sepia)

Die sechs Pinsel (Öl auf Karton)

Ladenstraße in Dognatschka (Pastell)

Der Maler und Grafiker Peter Kneipp bei der Vernissage seiner Ausstellung im Ulmer Kultur- und Dokumentationszentrum. Foto: Joseph Ed. Krämer

Man sollte sich Zeit lassen, um die filigranen Federzeichnungen des Malers und Grafikers Peter Kneipp zu betrachten. Seine im Kultur- und Dokumentationszentrum der Banater Schwaben in Ulm ausgestellten Werke sind mit Akribie, Freude am Detail und perspektivisch einwandfrei strukturiert. Sie stellen malerische Ansichten der Berge und Häuser dar, die für die Gegend um Bokschan, eine Stadt im Herzen des Südbanats, typisch sind. Dieser Gegend fühlt sich der Künstler eng verbunden, obwohl er weiter nördlich, in der Banater Heide, geboren wurde.

Peter Kneipp kam am 24. Juni 1939 in Schebel (Jebel) zur Welt. Erst fünfjährig, musste er mit seinen Eltern westwärts flüchten, doch nach einem kurzen Aufenthalt in Österreich kehrte die Familie ins Banat zurück. Bedingt durch den mehrfachen Arbeitsplatzwechsel des Vaters, musste er dauernd die Schule wechseln. Seine künstlerische Ader manifestierte sich bereits in der Grundschule. Noch Jahre später war in einer Vitrine in seiner Grundschule ein Heft mit Landkarten ausgestellt, die der Schüler Peter Kneipp gezeichnet hatte. Sein Erdkundelehrer, der gleichzeitig Buchautor war, verhalf ihm zum Entwurf eines Buchumschlags. Und eines seiner Bilder wurde sogar für eine Kinderzeichnungsausstellung der UNICEF in Paris ausgewählt.

Die Tradition der Mittelschulen mit Kunstprofil wird in Temeswar bis heute gepflegt. Sowohl die Musikschule wie auch das Kunstlyzeum haben dank hervorragender Lehrkräfte vielen heute bekannten Künstlern das nötige Rüstzeug vermittelt. Peter Kneipp jedoch beschritt seinen künstlerischen Bildungsweg erst über einen Umweg. Er absolvierte die Pädagogische Lehranstalt und wirkte sodann als Grundschullehrer in Tschakowa, Liebling und Mora-witza. Erst 1962 hat er sich für die Aufnahme eines Kunststudiums entscheiden und inskribierte an der Pädagogischen Fakultät der Universität Temeswar mit dem Ziel, Zeichenlehrer und Kunsterzieher zu werden. Nach erfolgreichem Diplomabschluss wurde er Kunsterzieher am Lyzeum von Bokschan, wo er bis zu seiner Ausreise nach Deutschland 1995 eine ebenso vielseitige wie erfolgreiche Tätigkeit entfaltete. Unterstützt von seiner Ehefrau, die seine Kommilitonin und dann auch Kollegin am Bokschaner Lyzeum war, ist es Peter Kneipp gelungen, das Interesse seiner Schüler und auch der Bewohner von Bokschan an der Bildenden Kunst zu wecken.

Übrigens, künstlerisch begabte Jugendliche aus dem Banater Bergland hatten schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Ausland studiert und wurden später als Porträt- und Kirchenmaler bekannt. Ein Urgestein der Bokschaner Kunstszene war der Bildhauer und Maler Tibor (Tiberius) Bottlik (1884-1974), der in Wien, München und Paris studiert hatte und ab den 1920er Jahren bis an sein Lebensende in Bokschan wirkte. Peter Kneipp hat ihm zu Ehren den Kreis für Bildende Kunst „Tiberius Bottlik“ ins Leben gerufen. Hier versammelten sich all jene, die die Kunst ergründen oder auch ausüben wollten. Kneipp stand ihnen mit seine Kenntnissen und praktischen Anleitungen stets zur Verfügung. Sein Einsatz für die Förderung junger Talente brachte ihm dankbare Anerkennung seitens seiner gewesenen Schüler ein, von denen nicht wenige Kunst oder Architektur studiert haben. Der Kunstpädagoge war auch ein ausgezeichneter Organisator, wenn es um Kunstförderung ging. So war er Mitbegründer der Karasch-Severiner Zweigstelle des Verbandes Bildender Künstler Rumäniens sowie Mitinitiator und Veranstalter von Sommerakademien für Bildende Künstler in Eisenstein, Dognatschka, Crivaia/Franzdorf.

Schon als Student hatte  Kneipp seine Arbeiten in Ausstellungen präsentiert. Später nahm er an vielen Gruppenausstellungen im In- und Ausland teil. Als Spätaussiedler wurde Familie Kneipp in Tuttlingen sesshaft. Mit Leib und Seele seiner Kunst verpflichtet, machte der Künstler ohne Unterbrechung damit weiter, was er am besten konnte: malen und zeichnen. Der Großteil seiner in Ulm ausgestellten Werke stammt aus diesem Schaffensabschnitt. Einen seiner größten Erfolge erntete Peter Kneipp 2011 in Spaichingen, wo er als Gast des Kreisverbandes Tuttlingen-Rottweil der Banater Schwaben ausstellte. In Anwesenheit zahlreicher Gäste führte damals die Leiterin des Spaichinger Gewerbemuseums, Angelika Feldes, äußerst kompetent in die Ausstellung ein. Werke des Künstlers befinden sich in Sammlungen in Deutschland, Rumänien, Frankreich, Österreich, England, und auch das Ulmer Kultur- und Dokumentationszentrum Ulm hat er mit drei seiner Grafiken bedacht.

Den Hauptteil der ausgestellten Arbeiten bilden Ansichten von Orten des Südbanater Berglands: Eisenstein, Dognatschka, Franzdorf, Lindenfeld, Bresondorf und freilich Bokschan. Ausnahme machen bloß die Ansichten von Schebel (Elternhaus des Künstlers), Wojteg (Haus der Großmutter) und Darowa (katholische Kirche). Die grafische Darstellung ist vorherrschend: Federzeichnungen in schwarzer Tusche oder Sepia auf meist aquarellierten Farbfeldern. Das raffiniert ausgewogene farbliche Gleichgewicht verleiht den Landschaften geradezu topografische Präzision. Einige Motive sind auch als weich konturierte, zarte Pastellbilder oder mit Acrylfarben großflächig ausgeführt. Am Anfang seiner Schaffensperiode hatte Kneipp mit Vorliebe Stillleben gemalt. Eine Reminiszenz seiner Studienzeit? Wir hatten als Studenten viele Stunden vor den im Atelier aufgebauten Stillleben verbracht und dabei vieles gelernt: Formanalyse, Farbakkorde, Licht- und Schatteneffekte, Gleichgewicht der Komposition und vieles andere mehr. Es ist, wenn man so will, eine Art Kammermusik der Malerei, in der sich im Kleinen all das wiederfindet, was man später auf großen Bildflächen zu berücksichtigen hat.

Die dargestellten Objekte sind geometrisch vereinfacht, wie zum Beispiel die Blumen und Birnen in dem „Die sechs Pinsel“ betitelten Bild – so entsteht ein wohldurchdachter, effektvoller Bildaufbau. Man kann die vielseitigen Eigenschaften des Künstlers nicht beschreiben, ohne seine großformatigen, dekorativ wirkenden Kompositionen zu berücksichtigen. Da hat sich ein Experimentierfreudiger etwas ausgedacht, um eine monumentale Wirkung zu erzielen: klar abgegrenzte Silhouetten, ein mittels Repetition und Symmetrie aufgebautes Bild sowie klare und helle, primäre bis gebrochene Farbfelder. Und alles aus zig kleinen bemalten Teilen als Collage zusammengesetzt! Die mannigfaltige Textur der Flächen ergibt verschiedene Lichteinfälle. Bilder wie „Die Vögel“, „Tulpen“ oder „Frauen mit Sonnenblume“ kommen großen Mosaikkompositionen gleich.

Zur Eröffnung der Ausstellung sind zu Ehren des Künstlers auch zahlreiche Freunde, ehemalige Kollegen und Schüler angereist. Seine Familie war freilich mit dabei, und als Überraschung durfte die Enkelin Theodora Kneipp mit einer ausgestellten Zeichnung das Werkverzeichnis ihres Opas komplettieren.