Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Eine Piccoloflöte zum Geschenk − ein Konzert als Dank

Vater und Sohn: Anton M. Braun und Anton J. Braun in der Saxophon-Abteilung der Schuhfabrik Victoria-Guban in Temeswar 1961

Vater und Tochter: Anton J. Braun und Antonia Eva Simon geborene Braun in ihrer Holzblasinstrumentenwerkstatt in Egelsbach

Bürgermeister Nicolae Robu überreichte Anton Johannes Braun im Jahr 2013 das Exzellenzdiplom der Stadt Temeswar.

Vlad Alecsandru Colar und Ion Bogdan Stefănescu (von links) beim Konzert der Temeswarer Philharmonie am 24. April 2015.

Die Flöten und Piccoli der Marke Anton Braun zählen zu den derzeit weltbesten Instrumenten dieser Art. Von einer großen Zahl führender Solisten und Orchesterflötisten hochgeschätzt, erklingen sie in den großen Konzertsälen der Welt. Angefertigt werden diese hochwertigen Holzblasinstrumente in Handarbeit und für den jeweiligen Kunden individuell von Anton Johannes Braun und seiner Tochter Antonia Eva Simon, geborene Braun, in Egelsbach bei Frankfurt am Main. Anton J. Braun führt die Familientradition des Instrumentenbaus bereits in vierter Generation weiter. Acht Jahrzehnte lang wirkte die renommierte Handwerker-Dynastie Braun unter wechselnden Herrschaften und sich wandelnden politischen Verhältnissen in Temeswar – bis 1977, als Anton J. Braun Rumänien den Rücken kehrte und unter abenteuerlichen Umständen nach Deutschland floh.

Rückkehr nach 36 Jahren

Nach 36 Jahren Abwesenheit besuchte Anton J. Braun im Frühjahr 2013 erstmals wieder seine Geburtsstadt Temeswar. Die Philharmonie „Banatul“ hatte ihn zum Eröffnungskonzert des 38. Internationalen Festivals „Musikalisches Temeswar“ eingeladen und zu diesem Anlass eine dokumentarische Fotoausstellung über die bemerkenswerte Geschichte der Firma Braun von der Gründung im Jahr 1896 bis in die Gegenwart vorbereitet. Bei dieser Gelegenheit wurde Anton J. Braun eine besondere Anerkennung zuteil: Bürgermeister Nicolae Robu verlieh ihm das Exzellenzdiplom der Stadt Temeswar und der Verein „Temeswar – Europäische Kulturhauptstadt 2021“ ernannte ihn zu seinem Botschafter. Beim Eröffnungskonzert wirkte Rolf Bissinger als Gastsolist mit, der Mann, der Anton J. Braun bei der Entwicklung seiner modernen Holzflöte zur Seite gestanden hatte. Rolf Bissinger, Flötist des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, spielte auf einer Braun-Flöte in Begleitung des Orchesters der Temeswarer Philharmonie unter der Leitung ihres Chefdirigenten Radu Popa das Flötenkonzert Opus 283 von Carl Reinecke.

Zwei Jahre später, im April 2015, weilte Anton J. Braun erneut in Temeswar als Ehrengast des von der dortigen Philharmonie veranstalteten Internationalen Musikfestivals. Der Anlass war diesmal ein außergewöhnlicher: Baun hatte dem Temeswarer philharmonischen Orchester eine C-Fuß-Piccoloflöte geschenkt. Dabei handelt es sich um das neueste, seit Oktober 2010 auf dem Markt befindliche Produkt der Werkstätte Braun. Eigens zu dem Zweck, dieses Instrument richtig zur Geltung zu bringen, komponierte Horia Şurianu, ein aus Temeswar stammender und seit den 1980er Jahren in Paris lebender Tonkünstler und Musikpädagoge, im Auftrag der Temeswarer Philharmonie ein Doppelkonzert für Piccoloflöte, Querflöte und Orchester.

Am 24. April erfuhr das aus der rumänischen Folklore des Banats inspirierte Werk im Beisein des Komponisten Horia Şurianu und des Flötenbauers Anton J. Braun seine Erstaufführung im „Capitol“-Saal. Am Dirigentenpult stand kein geringerer als Professor Michael Hasel, in dessen Auftrag und in enger Zusammenarbeit mit ihm Anton J. Braun 1984 sein erstes (tief-D) Piccolo entwickelt hatte. Hasel, seit 1984 Flötist bei den Berliner Philharmonikern und Gründungsmitglied des renommierten Philharmonischen Bläserquintetts Berlin, wirkt als Solist, Kammermusiker, Dirigent und Lehrer im In- und Ausland. Den solistischen Part des Konzerts übernahmen Vlad Alecsandru Colar (C-Fuß-Piccoloflöte der Marke Braun), Soloflötist der Philharmonie „Banatul“, und Ion Bogdan Ştefănescu (Querflöte), Erster Flötist des Philharmonischen Orchesters „George Enescu“ aus Bukarest und Solist der Banater Philharmonie. Das Konzert, eines der Highlights des diesjährigen Musikfestivals, umfasste zudem die Ouvertüre zur Oper “Die Meistersinger von Nürnberg” von Richard Wagner sowie die Sinfonie Nr. 8 G-Dur Opus 88 von Antonin Dvořak.

Anton J. Braun will die Bewerbung seiner Geburtsstadt als Europäische Kulturhauptstadt unterstützen, weil er das, was Temeswar, seine Menschen, seine Kultur einst ausmachte, zu schätzen und zu würdigen weiß, aber auch, weil er den Beitrag der Instrumentenbauerfamilie Braun zum Aufblühen der Musikkultur in Temeswar, im Banat und darüber hinaus stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken gedenkt. Der Name Braun steht seit Generationen für hochwertige Musikinstrumente, für Wartungen und Reparaturen von bester Qualität und eine lebhafte Handelstätigkeit.

Instrumentenbauer-Dynastie

Anton J. Brauns Großvater, der ebenfalls Anton hieß, gründete 1896 in der Prinz-Eugen-Straße in der
Temeswarer Innenstadt eine Werkstätte mit Musikgeschäft. Er war damals 19 Jahre alt und hatte den Beruf des Geigenbauers von seinem Vater Anton Braun (1832-1904) in Szegedin erlernt. Wegen Auftragsproblemen im Geigenbau begann er in seiner Werkstatt mit der Herstellung verschiedener Blasinstrumente. Er konnte auch seine beiden Söhne für den Traditionsberuf der Familie begeistern: Johannes Bruno Braun (1905-1968) wurde Geigenbauer, Anton Michael Braun (1911-1978) Holzblasinstrumentenbauer. Als Anton Braun 1928 starb, übernahm sein jüngerer Sohn das Geschäft, während der ältere sich ausbezahlen ließ und das Geld in eine Furnierfabrik in Kronstadt investierte.

Nach der Weltwirtschaftskrise florierte das Geschäft, so dass Anton Michael Braun die Belegschaft auf über 30 Angestellte ausbaute und neben dem Stammhaus zwei weitere Musikalien-Läden in Temeswar sowie eine Filiale in Arad eröffnete. Zudem übernahm er die Vertretung des Akkordeon- und Mundharmonikabauers Hohner aus Trossingen für das ganze Banat. Zu Recht warb die Firma Braun damit, das „erste und größte Musikinstrumentenhaus im Banat“ zu sein.

Damit war 1944 schlagartig Schluss. Unter schwierigen Bedingungen setzte Anton Michael Braun mit dem, was ihm nach der Plünderung und Verwüstung seines Geschäfts durch sowjetische Truppen noch übrig geblieben war, zusammen mit seinem Bruder Bruno – der nach der Verstaatlichung seiner Fabrik nach Temeswar zurückgekehrt war – und zwei bis drei Angestellten die Arbeit als kleiner Handwerks-
betrieb fort. Dieser reparierte vornehmlich Musikinstrumente aller Art und fertigte unter anderem auch Saxophone für den durch Importverbot entstandenen Bedarf.

Anton Johannes Braun, Jahrgang 1941, war schon von Kindesbeinen an in der Werkstatt seines Vaters und ist sozusagen in den Beruf hineingewachsen. Als 1958 die privaten Handwerkerbetriebe verboten wurden und die bisher selbständigen Handwerker sich in Genossenschaften zusammenschließen mussten, brachte sein Onkel Bruno seine gesamte Werkstattausrüstung in die Kooperative „Timiş“ ein, während Anton M. Braun mit seinem Sohn und seinen Mitarbeitern in der Schuhfabrik Victoria-Guban eine Saxophon-Abteilung aufbaute. Die Werkstätte expandierte kontinuierlich bis auf etwa siebzig Mitarbeiter. Die hier gebauten Saxophone wurden in erster Linie in die Sowjetunion, in die Bundesrepublik Deutschland, nach England und Holland exportiert. Nachdem Anton M. Braun 1973 in den Ruhestand trat, übernahm sein Sohn – er hatte inzwischen das Maschinenbaustudium am Temeswarer Polytechnikum auf dem zweiten Bildungsweg abgeschlossen – die Betriebsleitung.
Da er für sich in Rumänien keine Zukunft sah, floh Anton J. Braun 1977 unter abenteuerlichen Umständen und unter großer Lebensgefahr über den Bega-Fluss nach Jugoslawien. Die Geschichte seiner Flucht ist im zweiten der von Johann Steiner und Doina Magheţi herausgegebenen Sammlung „Die Gräber schweigen. Berichte von der blutigsten Grenze Europas“ (Troisdorf 2010) veröffentlicht.

nton J. Braun landete schließlich in Deutschland und wurde in Egelsbach ansässig. In Frankfurt am Main übernahm er ein Musikgeschäft und verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf und der Reparatur von Blasinstrumenten. Doch diese Tätigkeit stellte ihn nicht zufrieden. Anton J. Braun träumte davon, eine eigene Holzblasinstrumentenproduktion aufzubauen. Er wagte den Sprung ins kalte Wasser, gab das Musikgeschäft auf und widmete sich fortan in seiner Werkstätte in Egelsbach nur noch dem Bau neuer Instrumente. Was nun folgte, war eine Erfolgsgeschichte.

Neuanfang in Deutschland

Alles begann 1984 mit einer Piccoloflöte. Von Michael Hasel, der gerade das Probespiel bei den Berliner Philharmonikern – damals unter der Leitung von Herbert von Karajan – erfolgreich bestanden hatte, erhielt Anton J. Braun den Auftrag, ihm ein Piccolo zu bauen, das mindestens die gleichen Spieleigenschaften haben sollte wie sein altes Instrument, jedoch in der hohen Stimmung bequem spielbar sein sollte. „Das ist meine riesige Chance gewesen. So etwas passiert einmal im Leben. Es ist wie ein Lottogewinn! Und ich habe es gewagt“, erinnert sich Braun in einem kürzlich in der Banater Zeitung erschienenen Interview mit Ștefana Ciortea-Neamţiu. Er hat so lange an dem Piccolo gearbeitet und korrigiert, bis der Auftraggeber zufrieden war. Mit diesem Piccolo Nr. 1 spielte Michael Hasel dann das Neujahrskonzert 1985 der Berliner Philharmoniker. Das neue Instrument, das sich Braun auch patentieren ließ, überzeugte die Fachwelt sofort. Von da an hatten die Piccolos der Marke Braun den Ruf, zu den besten der Welt zu gehören.

1993 erweiterte Anton J. Braun das Angebot um Konzertflöten aus Holz. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war die Klangfarbe der Orchester und damit auch der Holzblasinstrumente allmählich auf einen brillianteren Klang hin verändert worden. Da die Holzflöten diese Entwicklung nicht mitmachen konnten, wurden sie durch Metallflöten ersetzt. Die von Anton J. Braun in Zusammenarbeit mit Rolf Bissinger, Flötist und Solo-Piccolist der Frankfurter Oper, entwickelte Holzflöte „sollte sich gut mit dem anderen Holzbläserklang mischen, sich dennoch aber klar abzeichnen und, wenn nötig, dominieren können“, erläutert Braun in einem von der Zeitschrift Flöte aktuell (Nr. 1/2010) ihm gewidmeten Porträt. „Auf dieses Ziel hin habe ich das Instrument entworfen und realisiert. Meine Holzflöte ist dünnwandig und so leicht wie eine Vollsilberflöte. Als wichtig erwies sich auch, den (patentierten) Mundlochkamin aus Gold zu machen. Dieser schafft die nötige Brillanz.“ Dass auch diese Entwicklung von der Fachwelt hoch geschätzt wurde, bestätigt die Tatsache, dass die gesamte Flötengruppe der Berliner Philharmoniker Holzflöten von Anton J. Braun kaufte.

Fünfte Generation

Als neueste Entwicklung der Werkstätte Braun entstand 2010 die C-Fuß-Piccoloflöte. Der Tonumfang der Piccoloflöten endete bislang üblicherweise mit dem D. Anton J. Braun, den seit einigen Jahren dieses Thema beschäftigte, hatte den Ehrgeiz, ein tief-C-Piccolo zu bauen, das – abgesehen vom erweiterten Tonumfang bis zum C – hinsichtlich seiner Spieleigenschaften in keiner Weise hinter seinen tief-D-Piccolos zurücksteht. In monatelangem intensivem Zusammenwirken mit Rolf Bissinger entwickelte er ein solches Instrument, an dem auf Anregung von Professor Michael Hasel noch letzte Modfikationen vorgenommen wurden. Von der Flötistengemeinde wurde das neue Piccolo sehr positiv beurteilt, zumal es den Piccolisten nun ohne Einschränkung das gesamte Blockflöten-Repertoire und das Repertoire der großen Flöte erschließt.

Anton J. Braun ist inzwischen 74 Jahre alt. Ans Aufhören denkt er jedoch nicht, denn „wie ein Kind nie müde vom Spielen wird, so wird ein Erwachsener nie müde von der Arbeit, wenn er Freude daran findet“, sagt Braun im BZ-Interview. Dabei ist der Fortbestand des Unternehmens auch in der fünften Generation gesichert. Seit 1998 ist seine Tochter Antonia Eva Simon im Betrieb tätig. Sie hat sich nach und nach in das über Generationen vererbte und stetig weiterentwickelte Wissen der Familie eingearbeitet, eine musikalische Ausbildung in Klavier, Flöte und Gesang genossen und 2001 an der Fachschule für Musikinstrumentenbau in Ludwigsburg ihre Ausbildung zur Holzblasinstrumenten-
macherin abgeschlossen. Eines Tages wird sie das traditionsreiche Unternehmen weiterführen.