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Dem Theater immer noch verbunden

Johann Jakoby (ganz rechts) in „Endspurt“ von Peter Ustinow am Tourneetheater Landgraf. Die Bilder hat Johann Jakoby zur Verfügung gestellt.

Johann Jakoby (im Bild links) in „Wölfe und Schafe“ von Alexander Ostrowski am Stadttheater Pforzheim.

Vor wenigen Tagen wurde der in Freiburg im Breisgau lebende Banater Schauspieler Johann Jakoby 75. Über fünf Jahrzehnte lang stand er in Temeswar und in Deutschland auf der Bühne, und er hat sich die Freude am Theater bis heute bewahrt. Nach den Stationen Temeswarer Deutsches Staatstheater, wo er das Rüstzeug zur Bühnenarbeit erhielt und bis 1977 tätig war, danach Freiburger Stadttheater und Stadttheater Pforzheim, war er auch in der Komödie am Marquard und am Theater der Altstadt in Stuttgart, am Stadttheater Karlsruhe, auf den Freilichtbühnen in Schwäbisch Hall und in Bad Vilbel tätig, und seit seinem Eintritt in den Ruhestand 1994 wirkt er am Wallgraben-Theater in Freiburg und bei Veranstaltungen seiner Banater Landsleute mit. Anlässlich des 75. Geburtstags von Johann
Jakoby sprach Walther Konschitzky mit dem Schauspieler über seinen Werdegang in zwei sehr unterschiedlichen Theaterlandschaften.

Das Banater Dorf der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lebenswelt einer großen Zahl von deutschen Jugendlichen, die unter den Verhältnissen der Vorkriegszeit dort auch ihren Lebensmittelpunkt gefunden hätten. Früh und nachhaltig geprägt durch die Enteignung von Haus, Hof und Grund, durch die Deportationen in die Sowjetunion und in den Bărăgan, auch durch die Abwesenheit vieler aus dem Krieg nicht mehr oder noch nicht heimgekehrter Väter, nahmen viele von ihnen notgedrungen den Weg in die Stadt, wo sie in Berufe hineinwuchsen, die zehn Jahre früher kaum einer von ihnen angestrebt hätte. Und mancher fand erst auf Umwegen jenen, der ihm wirklich entsprach. Wie kam es zu Deinem Entschluss Schauspieler zu werden?
Die frühe Kindheit und die Schulzeit in meinem Geburtsort Kleinjetscha, in Neubeschenowa und in Großjetscha haben mich entscheidend als ein „Kind der Banater Heide“ geprägt, und trotz der Elendsjahre nach dem Krieg hatte ich in Kleinjetscha, zusammen mit meinen fünf Geschwistern, eine glückliche Kindheit. Und wie es im Banat so war: der älteste Sohn sollte den Hof übernehmen oder den Beruf des Vaters ergreifen; mein Vater war Schlosser, und so wurde ich Dreher. Nach drei Jahren Ausbildung in Temeswar kam ich in den „Electromotor“-Betrieb. Wir Dreher arbeiteten in Akkord, das war die schlechteste Art der Bezahlung, und so habe auch ich beschlossen mich „weiter zu entwickeln“. Ich besuchte und absolvierte das Abendlyzeum an der Lenauschule, aber eine klare Vorstellung, was danach geschehen sollte, hatte ich nicht. Dann aber suchte das Temeswarer Deutsche Staatstheater Nachwuchskräfte; ich meldete mich, bestand die Prüfung und kam ans Theater. Das war 1962.

Damals war dieses Theater noch keine zehn Jahre alt, und es war auch keine gewöhnliche städtische Bühne, denn die Ausbildung der Darsteller musste innerhalb des eigenen Ensembles erfolgen. Wie gestaltete sich der berufliche Einstieg in der Praxis eines Theaters, das weitgehend auch ein Gastspiel- und Tournee-Theater war?

Damals gab es bereits ein festgefügtes Ensemble mit einer Gruppe von Stammschauspielern wie Rudolf Schati, Ottmar Strasser, Peter Schuch, Otto Grassl oder Angela Falk, Hadamut Becker und einigen anderen, auf die wir aufschauen und von denen wir manches lernen konnten. Auf sie war auch das Repertoire zugeschnitten. Eine laufende und unumgängliche Aufgabe des Theaters aber blieb, begabte Nachwuchskräfte heranzuziehen und auszubilden, denn eine institutionelle Theaterschule in deutscher Sprache gab es damals nicht. Die berufliche Ausbildung für die Bühne erfolgte im Wesentlichen innerhalb der Probe-arbeit, aber auch der tägliche Umgang mit den erfahrenen Kollegen war wesentlich, und viel hatten wir jungen Leute unserer Frau Müller, der Sprachpädagogin des Theaters, zu verdanken. In den Anfangsjahren hatte ich allerdings nur wenig zu spielen, also beschloss ich nebenher Biologie zu studieren; das Fernstu-dium sollte eine Art Garantie sein, gegebenenfalls in den Lehrerberuf umzusteigen. Nach und nach aber wurde ich häufiger – vor allem als „Schwowe-Bu“ in Mundart-Stücken – eingesetzt und nach einiger Zeit wurden mir auch größere Rollen anvertraut, denn man hatte erkannt, dass Theater für mich so etwas wie Berufung ist.

Das Deutsche Staatstheater musste sich nach seiner Gründung 1953 auch ein eigenes Stammpublikum schaffen, denn ein deutsches Berufstheater gab es in Temeswar bereits seit über einem halben Jahrhundert nicht mehr. Peter Schuch erzählte mir eine für das Bühnenverständnis jener Zeit bezeichnende Begebenheit: Ein Zuschauer fragte ihn einmal, was die Schauspieler denn sonst tun, wenn sie nicht gerade auf der Bühne stehen und womit sie ihren Lebensunterhalt verdienten. Der aufreibende Theateralltag war dem Pub-likum nicht bewusst. Wie entwickelte sich die Beziehung zwischen dem Theater und seinen Zuschauern?

Das vorgegebene Wirkungsfeld des Theaters war das gesamte Siedlungsgebiet der Deutschen im Banat, und dies bedeutete für das Ensemble ein großes Pensum an Aufführungen im eigenen Haus, bei Gastspielen in den Städten und Dörfern des Banats und darüber hinaus auch bei Spielfahrten in andere Landesteile zu bewältigen. So lernten wir unser Publikum gut kennen, und ich kann rückblickend sagen: Wir standen unseren Zuschauern sehr nahe, und unsere Darbietungen wurden von ihnen als ein wesentlicher Beitrag zur Banater deutschen Kultur jener Jahre wahrgenommen.

Die Aussiedlung nach Deutschland im Jahr 1977 bedeutete zwar eine Zäsur, sie führte aber nicht zum Abbruch Deiner Bühnenlaufbahn, wie es bei vielen Deiner ehemaligen Kollegen bedauerlicher Weise eingetreten ist. Wie war der Neuanfang in Deutschland? Reichte das mitgebrachte berufliche Rüstzeug aus für den gewagten Schritt, in einer völlig anderen Kultur- und Theaterlandschaft angenommen zu werden und seinen eigenen Weg zu finden?

Ich musste mich zunächst entscheiden, diesen Schritt zu wagen oder aber im Lehramt unterzukommen. Ich habe mich für die Bühne entschieden, aber es wurde tatsächlich ein Neubeginn, man musste sich erst emporarbeiten. Zunächst wurde ich am Stadttheater Freiburg als Inspizient mit mindestens fünf
Episodenrollen im Vertrag verpflichtet. Manfred Beilharz, zu jener Zeit Intendant an den Städtischen Bühnen, empfahl mir Sprachunterricht zu nehmen, und er hatte Recht, weil de Schwob hat mer doch zu stark ins Gnack gschlaa. Danach aber waren die Weichen für meine schauspielerische Laufbahn in Deutschland gestellt.

Neue Erfahrungen und erste Erfolge stellten sich ein, aber auch Enttäuschungen blieben nicht aus. Welches waren die wichtigsten Stationen Deines Wirkens?

Der Anfang in Freiburg gab mir Selbstvertrauen. Danach war ich sieben Jahre lang am Stadttheater Pforzheim tätig, und so anspruchsvolle Rollen wie der Kreon (Antigone), Möbius (Die Physiker), Poche/Chandebies (Floh im Ohr) oder Genaro (Ein Vergnügen verrückt zu sein) waren für mich große Herausforderungen – wurden aber auch echte Erfolge. Es war eine arbeitsintensive Zeit, denn an einem Stadttheater mit Festvertrag spielt man bis zu sieben Rollen in der Spielzeit. 1992 bin ich in die freiberufliche Theaterarbeit eingetreten, mein damaliger Regisseur Eberhard Feik hat mich zu diesem Schritt ermutigt, und wir haben zusammen mehrere gute Tourneen gemacht, auch in mehreren Filmen
habe ich mitgewirkt, und unter seiner Regie in Pforzheim den Kreon und den Peter Stockmann in Volksfeind gespielt. Es war eine gute Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum. Neben dem Stuttgarter Theater der Altstadt im Westen unter der Intendantin Susanne Heidenreich, folgten noch viele Stationen und mit mehreren Tourneetheatern unvergessliche Aufführungen im gesamten deutschsprachigen Raum. Gut habe ich auch mit Günter Fleckenstein in Endspurt zusammengearbeitet (mit Charles Regnier auf Tournee), mit Kai Braak in Pforzheim und mit Hans Pöschl am Wallgraben-Theater in Freiburg.

Nun zum Publikum: Konntest Du wesentliche Unterschiede in der Theaterrezeption und im Verhältnis Thea-ter – Publikum an den Bühnen in Deutschland im Vergleich zum Temeswarer Deutschen Staatstheater erkennen?

In jeder Landschaft, in jeder Stadt, vielleicht sogar an jedem einzelnen Theater gibt es Besonderheiten in der Beziehung Bühne-Publikum. Bezüglich meiner Zeit am Temeswarer Deutschen Staatstheater ist zu sagen: Damals zählte ich zu den jungen Schauspielern, die Theater unbeschwert, vor allem aber mit Spaß gespielt haben, und Vergnügen war auch dabei. Erst an den Bühnen in Deutschland erkannte ich, wie hoch die Leistungserwartung – auch seitens des Publikums – an jeden einzelnen Darsteller ist, und das erzeugt einen enorm hohen Leistungsdruck. Im Bemühen, unter solch angespannten Bedingungen sein Bestes zu geben und keine Rolle in den Sand zu setzen, wächst auch die Gefahr des Verkrampfens; man musste höllisch auf der Hut sein, denn unter Umständen konnte das die letzte Chance gewesen sein.

Heute wissen wir, ein echter Ruhestand ist es immer noch nicht geworden, und auch kein endgültiger Abschied von der Bühne. Wie viel bedeutet Dir Theaterarbeit heute noch?

Seit dem Eintritt in den Ruhestand im Herbst 2000 spiele ich immer wieder am Freiburger Wallberg-Theater, und seit 1995 bemühe ich mich in Theater-Arbeitsgemeinschaften Schüler für die Bühnenarbeit zu gewinnen und zu begeistern, neun Jahre lang arbeitete ich jeweils mit der 10. Klasse der Turnseeschule, dann neun Jahre lang an der Schönbergschule und zur Zeit, zusammen mit meiner Frau, an der Reinhold-Schneider-Schule in Freiburg. Zeitweise hatte ich zwei Theater-AGs gleichlaufend an Freiburger Schulen. Aber auch bei Veranstaltungen unserer Banater Landsleute im Raum Freiburg wirke ich mit, und 2008 habe ich mit Mitgliedern des Banater Singkreises eine gekürzte Fassung des Mundartstückes Die Vegetarier von Peter Riesz inszeniert und beim Antoni-Treffen 2009 aufgeführt. Es macht mir auch viel Freude, zusammen mit Anton Bleiziffer und dem aus Siebenbürgen stammenden Schauspieler Karl-Heinz Maurer Balladen- und Romanzen-Abende zu gestalten. Auch dafür gibt es ein
begeistertes Publikum.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg auch weiterhin.