zur Druckansicht

Auch Friedhöfe prägen die Kulturlandschaft

Zu den in die Studie einbezogenen römisch-katholischen Friedhöfen im Banat zählt auch jener in Lovrin. Einsender: Vladimir Obradovici

Haupteingang des Grabatzer Friedhofs. Einsender: Vladimir Obradovici

Mit seinen Untersuchungen zu den ländlichen Friedhöfen des Banats hat ein junges Forscherteam aus Temeswar – bestehend aus den Landschaftsarchitekten Alexandru Cio-botă, Raluca Rusu und Andrei Condoroş sowie dem Architekten Vladimir Obradovici – Neuland betreten, zumal es sich auf ein bisher wenig erforschtes Gebiet begab. Das unter der Ägide der Gesellschaft der Landschaftsarchitekten aus Rumänien durchgeführte und von der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds finanzierte Forschungsprojekt weist einige Alleinstellungsmerkmale auf: Es bezieht zum einen das gesamte (rumänische) Banat und sämtliche ethnischen und konfessionellen Gruppen mit ein und es ist zum anderen interdisziplinär angelegt. Berücksichtigt wurden zudem nur die Friedhöfe im ländlichen Raum, zumal – wie Architekt Vladimir Obradovici gegenüber der „Banater Zeitung“ erklärte – „auf dem Land die Kennzeichen jeder Kultur besser zum Ausdruck kommen als in der Stadt“. Ziel der Untersuchungen ist es, die Friedhöfe als integralen Bestandteil der Banater Kulturlandschaft darzustellen, aber auch darauf hinzuweisen, dass ihnen als Teil des kulturellen Erbes besondere Bedeutung zukommt.

Das Forschungsprojekt unter der Leitung des aus Reschitza stammenden Landschaftsarchitekten Alexandru Ciobotă startete im Jahr 2012. Seitdem hat das Team ausgedehnte Feldforschungen unternommen, umfassende Archivstudien betrieben und einschlägige Fachliteratur konsultiert. Um seinem interdisziplinären Ansatz gerecht zu werden, zog es eine ganze Reihe sachkundiger Mitarbeiter aus den Bereichen Geschichte, Volkskunde, Anthropologie, Theologie u.a. heran. Dank einer effektiven und ergebnisorientierten Vorgehensweise ist es dem Forscherteam gelungen, bisher drei Studienbände und einen Bildband vorzulegen.

Während der ersten Forschungsetappe verschaffte sich das Team ein Gesamtbild in Bezug auf die im Banat lebenden Ethnien und Konfessionen und deren Geschichte, auf die Friedhöfe der verschiedenen ethnisch-konfessionellen Gemeinschaften und deren spezifische Sepulkralkultur, also der kulturellen Erscheinungen im Zusammenhang mit Sterben, Tod, Bestatten, Trauern und Erinnern. Von den über einhundert in situ erforschten Friedhöfe wurden 16 für Fallstudien ausgewählt (so auch der Friedhof von Lovrin und jener von Liebling als Beispiele von Friedhöfen der deutschen Bevölkerung römisch-katholischen bzw. evangelischen Glaubens).

Auf diese erste Gesamtstudie, deren Ergebnisse in dem Band „Cimitirul ca element în evoluţia peisajului cultural. Studiu de caz: Cimitirele rurale din Banat“ (Der Friedhof als Element in der Entwicklung der Kulturlandschaft. Fallstudie: Die ländlichen Friehöfe im Banat) 2012 im Verlag der Temeswarer West-Universität veröffentlicht wurden, folgte die zweite Projektphase, in der das Forschterteam zur detaillierten Untersuchung der Friedhöfe der einzelnen ethnischen Gemeinschaften schritt. Zunächst wurden die Friedhöfe der orthodoxen Rumänen, Serben und Ukrainer erforscht, wobei der rumänisch-orthodoxe Friedhof in Crivina de Sus Gegenstand einer umfangreicheren Fallstudie war. Die Ergebnisse wurden 2013 publiziert.

Im Jahr 2014 widmete sich die Mannschaft in einer erweiterten Zusammensetzung – dazugestoßen waren die Architektin Dr. Diana Belci von der Architekturfakultät der TU Temeswar, die Kulturanthropologin Dr. Nicoleta Muşat von der West-Universität und die Grafikerin Ioana Hariga – dem Studium der römisch-katholischen Friedhöfe der deutschen Gemeinschaften im Banat. Institutionelle Unterstützung erfuhr das Projekt seitens des römisch-katholischen Bistums Temeswar und des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar. Im März  dieses Jahres ist der Studienband unter dem Titel „Cimitirul ca element în evoluţia peisajului cultural. Comunităţi germane din Banat“ (Der Friedhof als Element in der Entwicklung der Kulturlandschaft. Deutsche Gemeinschaften im Banat) im Verlag der West-Universität erschienen. Mit knapp 300 Seiten ist es der umfangreichste Band der Reihe. Zu seinen Koautoren zählen Universitätsprofessor Teodor Octavian Gheorghiu von der Temeswarer Architekturfakultät und der Archivar der Römisch-katholischen Diözese Temeswar, Claudiu Călin. Das Vorwort verfasste Bischof Martin Roos.

Der Band ist in sieben Kapitel gegliedert. Zunächst umreißt Teodor Octavian Gheorghiu die habsburgische Kolonisation des Banats und deren Auswirkungen auf die Gestaltung der Landschaft sowie die Struktur und Morphologie der neu entstandenen Siedlungen. Im zweiten Kapitel erläutert Diözesanarchivar Claudiu Călin die Bestimmungen bezüglich der Verwaltung der römisch-katholischen Friedhöfe in Vergangenheit und Gegenwart. Wiedergegeben ist hier auch die derzeit gültige Satzung der römisch-katholischen Friedhöfe in der Diözese Temeswar aus dem Jahr 2002.

Das dritte Kapitel stellt die Entwicklung der Friedhöfe chronologisch dar, wobei diese in Beziehung zu der Landschaft und der dörflichen Siedlung gesetzt wird. Der Schwerpunkt der Darstellung wird auf den Entstehungskontext der Friedhöfe im 18. Jahrhundert gelegt. Die Entwicklung in den beiden darauf folgenden Jahrhunderten wird hingegen nur summarisch abgehandelt.

Nachdem im nächsten Kapitel die Forschungsmethoden und Kriterien erläutert werden, aufgrund derer die Auswahl der Untersuchungsobjekte erfolgt ist, wird im fünften Kapitel, dem umfangreichsten des Bandes, die Morphologie der Friedhöfe beschrieben. Kernpunkte sind dabei die analytischen Erfassungsbögen der 13 erforschten Friedhöfe: Altringen, Billed, Bogarosch, Charlottenburg, Guttenbrunn, Lovrin, Neudorf, Perjamosch, Saska, Tirol, Triebswetter, Tschiklowa und Weidenthal. Diese liefern eine Fülle an Informationen zu den betreffenden Friedhöfen (Lage, Besitzverhältnisse, Datierung, Fläche, Grundriss, Anzahl der Grabdenkmäler und Kreuze, räumliche Organisation, landschaftliche Gestaltung, Erhaltungszustand usw.). Als sehr aufschlussreich erweisen sich die detaillierten Beschreibungen der erforschten Grabdenkmäler und Kreuze. In einem Unterkapitel werden die „inneren Elemente“ des Friedhofs (Grabdenkmäler, zentrales Kruzifix, Kapelle, Kalvarienberg, Kreuzweg, Glockenturm, Kriegerdenkmal, Umzäunung und Friedhofstor, Wege, Vegetation) zusammenfassend dargestellt.

Das vorletzte Kapitel mit der Überschrift „Drei Jahrhunderte der Einsamkeit im Banat“ ist das Ergebnis einer von der Kulturanthropologin Nicoleta Muşat in den Gemeinden Billed, Bogarosch, Lenauheim, Weidenthal und Wolfsberg durchgeführten ethnologischen Forschung. Aufgrund von Interviews mit Dorfbewohnern richtet sich hier der Blick auf die Friedhöfe als Orte des gemeinschaftlichen Erinnerns. Am Ende des Bandes finden sich nach einem Fazit des Forscherteams ein bibliographisches Verzeichnis sowie eine schematische Darstellung der Entwicklung der Grabdenkmäler vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Bei der Vorstellung des Projekts anlässlich der diesjährigen Verbandstagung in Frankenthal sagte Architekt Vladimir Obradovici: Der Friedhof „ist der einzige Platz, der den ausgewanderten Deutschen noch gehört und ein Ort, an dem die jüngere Generation ihre Vorfahren und somit ihre Wurzeln finden kann. Der Friedhof ist ein Ort, der die Individualität der Menschen, der Familien und der Gemeinschaften und sämtlicher Kulturen des Banats zeigt. Friedhöfe sind wichtig um zu erkennen, woher wir stammen und wer wir sind.“ Das Forschungsteam hat mit seinen Untersuchungen den Friedhof als Teil der Banater Kulturlandschaft ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Und es hat auch uns Banater Schwaben wieder vor Augen geführt, wie wichtig es ist, unsere Heimatfriedhöfe zu pflegen und als Teil unseres kulturgeschichtlichen Erbes zu erhalten.

Im Laufe dieses Jahres soll der Band ins Deutsche übersetzt und eine touristische Karte der sehenswürdigen Friedhöfe des Banats herausgegeben werden.