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Höchste wissenschaftliche Auszeichnung für Banater Schwaben

Der Wissenschaftler Stefan Hell wurde mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Der Preis gilt als Ritterschlag der Wissenschaft. © MPI für biophysikalische Chemie

Stefan Hell erhält Nobelpreis für Chemie - Es lag wohl in der Luft, dass ihm nach der zweithöchsten früher oder später auch die höchste wissenschaftliche Auszeichnung zugesprochen wird. Dass dies aber Schlag auf Schlag geschehen sollte, kam dann doch auch für Eingeweihte unerwartet. Erst im September hatte der norwegische König Harald dem deutschen Wissenschaftler Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, den renommierten Kavli-Preis für Nanowissenschaften überreicht. Nur wenige Wochen später, am 8. Oktober, gab das Nobelpreis-Komitee bekannt, dass ihm und zwei US-amerikanischen Fachkollegen – Eric Betzig und William Moerner – der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde.

Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften würdigt damit die bahnbrechenden Arbeiten des Physikers auf dem Gebiet der
ultrahochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie. Hell gelang es, die bisherige Auflösungsgrenze optischer Mikroskope radikal zu unterlaufen – ein Durchbruch, der neue wegweisende Erkenntnisse in der biologischen und medizinischen Forschung ermöglicht.

„Das ist eine wunderbare Würdigung der Pionierarbeiten von Stefan Hell“, erklärte Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Es werde ein Wissenschaftler ausgezeichnet, der den Mut hatte, gegen viele Widerstände ausgetretene Pfade zu verlassen und vermeintliche Glaubenssätze in Frage zu stellen. Nur so könne in der Wissenschaft wirklich Neues entstehen, so Stratmann.

„Sehr viel Ausdauer und der Glaube an die Sache“ hätten letztlich zum Erfolg geführt, sagte der Ausgezeichnete. Bereits seit Ende der 1980er Jahre habe er über Möglichkeiten nachgedacht, die Grenzen der Lichtmikroskopie zu sprengen. Die 1873 von Ernst Abbe entdeckte Auflösungsgrenze für optische Mikroskope, die bei 200 Nanometern (Millionstel Millimeter) liegt, galt als unumstößliches Gesetz der Optik. Hell war klar, dass man am Licht nichts mehr ändern konnte, und so suchte er nach Wegen, die chemischen Eigenschaften von Molekülen so zu beeinflussen, dass ihre Strukturen sichtbar werden.

Stefan Hell, der 1987 sein Physikstudium in Heidelberg beendete und ebenda drei Jahre später promoviert wurde, ging 1993 an die finnische Universität Turku. Hier entwickelte er die Grundlagen für die neue Mikroskopie-Technik. Nach vier Jahren kam er zurück nach Deutschland. Am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen wurde er Leiter einer Nachwuchsgruppe und bekam schließlich die Chance, das sogenannte STED-Mikroskop (STED steht für Stimulated Emission Depletion) zu bauen.

Um dem Phänomen der Lichtbeugung ein Schnippchen zu schlagen, wendeten Hell und sein Team einen Trick an. Hierbei wird einem Strahl, der die Fluoreszenzmoleküle anregt (zum Leuchten bringt), ein zweiter Lichtstrahl, der STED-Strahl, hinterhergesandt. Dieser regt die Moleküle sofort ab und hält sie dunkel. Damit der STED-Strahl aber nicht alle Moleküle „abschaltet“, hat er in der Mitte ein Loch. Dadurch können Moleküle im Zentrum ungestört leuchten, und nur diese sieht man dann im Mikroskop. So wurde es möglich, Strukturen in einer Zelle mit einer heute bis zu zehnmal besseren Detailschärfe im Vergleich zu herkömmlichen Fluoreszenzmikroskopen zu beobachten.

Mit der von ihm erfundenen und zur Anwendungsreife entwickelten STED-Mikroskopie hat Stefan Hell die Lichtmikroskopie revolutioniert. Er hat ein Fenster aufgestoßen, um weit in den Nanokosmos lebender Zellen vorzudringen.

Stefan Hell leitet seit 2002 die Abteilung NanoBiophotonik am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Darüber hinaus steht er der Abteilung Optische Nanoskopie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg vor. Er lehrt Physik an der Universität Heidelberg und ist Honorarprofessor für Experimentalphysik an der Universität Göttingen.

Bundespräsident Joachim Gauck hat Stefan Hell zum Nobelpreis für Chemie gratuliert. Dies sei eine „hervorragende Würdigung für Ihr Werk und für die Wissenschaft in unserem Land“. Hell habe mit seiner Forschung entscheidend dazu beigetragen, Molekularteilchen in lebenden Zellen sichtbar zu machen. Für viele Menschen verbinde sich damit die Hoffnung, dass mit Hilfe dieser Technologie Krankheiten wie Krebs effektiver behandelt werden könnten.

Der Preis in Höhe von rund 880 000 Euro, den sich die drei Ausgezeichneten teilen, wird an Alfred Nobels Todestag, dem 10. Dezember, vom schwedischen König in Stockholm überreicht.

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Gratulation an Stefan Hell

Die Banater Schwaben in der ganzen Welt freuen sich, dass mit Stefan Hell ein aus ihren Reihen stammender Wissenschaftler in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet worden ist. Hell wurde für seine bahnbrechenden Forschungen auf dem Gebiet der hochauflösenden Fluoreszenz-Mikroskopie ausgezeichnet.

Stefan Hell stammt aus der Gemeinde Sanktanna im Banat. Geboren wurde er am 23. Dezember 1962 in der Stadt Arad. Er besuchte die deutsche Schule in Sanktanna, wo er als Musterschüler galt. Bis zur Ausreise aus Rumänien im Jahre 1978 war er noch ein halbes Jahr Schüler des Nikolaus Lenau-Lyzeums in Temeswar. Es ist die gleiche Schule, die auch die Banater Nobelpreisträgerin für Literatur, Herta Müller, besuchte.

In Deutschland legte Stefan Hell bereits nach zwölf Schuljahren sein Abitur ab. Er studierte in Heidelberg Physik und schlug nach der Promotion eine wissenschaftliche Laufbahn ein. Seit zwölf Jahren ist er Direktor am Max-Planck-Institut in Göttingen. Er ist Träger zahlreicher hoher wissenschaftlicher Auszeichnungen und Preise.

Stefan Hell ließ trotz eines äußerst intensiven Forscherlebens und vieler internationaler Verpflichtungen den Kontakt zu seiner ehemaligen Gemeinschaft nie abbrechen. Erst vor zwei Jahren besuchte er mit seiner Frau und seinen drei Kindern das Banat, um ihnen die Stätten seiner Kindheit und Jugend zu zeigen.

Die Landsmannschaft der Banater Schwaben gratuliert Stefan Hell herzlich zum Nobelpreis für Chemie 2014. In seiner Person hat eine weitere Aussiedlerbiografie höchste öffentliche Anerkennung erfahren.

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In dem Gratulationsschreiben des Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar
Leber an Professor Stefan Hell heißt es unter anderem: „Die wahre Dimension Ihrer Forschungen kann ich als Laie nur schwer abschätzen. Was mich aber unheimlich gefreut hat, war Ihr bescheidenes und bodenständiges Auftreten selbst in der Stunde dieses großen Triumphes. Dabei haben Sie auf Ihre Wurzeln im Banat verwiesen. ‚Man kann mich ohne diesen Hintergrund nicht verstehen‘, sagten Sie im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Das ist es, was viele unserer Landsleute ebenfalls so empfinden, egal wo sie heute leben und wirken. Insofern haben durch Sie auch viele von ihnen an diesem Tag Gehör gefunden. Sie haben uns eine Stimme gegeben – und zwar eine überzeugende.“