Joseph Mileck wurde als Josef Mülleck am 22. Mai 1922 in Sanktmartin (Kreis Arad) geboren. Seine Eltern Martin Mülleck (geb.1894) und Rosalia Mülleck, geborene Stöckl (geb. 1903) waren Bauern. Die ersten vier Jahre verbrachte er in seinem Heimatort. 1926 zog dann die Mutter mit ihren zwei Kindern Maria und Josef nach Kanada zu ihrem Mann, der schon 1924 ausgewandert war. 1930/31 verbrachte Josef noch ein Jahr bei den Großeltern in Sanktmartin, um dann wieder zu den Eltern nach Kanada zurückzukehren. Jahrzehnte später schreibt Joseph Mileck über diese Zeit im zweiten Band des Sanktmartiner Heimatbuchs: „Zwei Kindheiten wurden mir geschenkt, zwei Heimaten mir gegeben und zwei Sprachen wurden mir beigebracht.“
Die Familie ließ sich in Hamilton (Ontario) nieder, wo der Vater Arbeit in einer Stahlfabrik gefunden hatte. Hierher zogen in den zwanziger und dreißiger Jahren weitere Sanktmartiner. Wie Joseph Mileck zu berichten weiß, wohnten die meisten im Arbeiterviertel, „in der Nähe der Fabriken und unter lauter Madjaren, Rumänen, Russen, Ukrainern, Kroaten, Slowaken, Italienern, Donaudeutschen aus Jugoslawien und sonstigen Neu-emigranten aus Europa“. Es war sozusagen ein Europa im Kleinen. Etliche Sanktmartiner kehrten infolge der Wirtschaftskrise von 1929 zurück in die Heimat. Eindrucksvoll beschreibt Mileck den Kontrast zwischen den zwei Welten, die er als Kind erlebt hat. Hier „eine heterogene, nüchterne, betriebsame, moderne Industriestadt“ mit ihren vielen Einwohnern aus allen europäischen Ländern und mit ihren vielen Sprachen und Konfessionen, dort „ein deutsches Bauerndorf wie aus dem acht-zehnten Jahrhundert mit seinen altmodischen Trachten und seiner sonderbaren Mundart (…)“. Für den achtjährigen Jungen war Sanktmartin „eine märchenhafte Welt, ein kurzes Erlebnis, das zu einer dauernden nostalgischen Erinnerung wurde“.
Joseph Mileck – so die neue Schreibweise seines Namens – besuchte die Volks- und Sekundärschule in Hamilton und studierte ebendort ab 1941 Germanistik und Romanistik an der McMaster-Universität. Nach vier Jahren wechselte er an die Harvard-Universität in Cambridge (Massachusetts), wo er 1950 in deutscher Literatur promovierte. Im gleichen Jahr wurde er zum Professor für deutsche Literatur an die University of California in Berkeley berufen. Hier sollte er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1991 lehren und wissenschaftlich arbeiten. Zeitweilig leitete er auch den Germanistiklehrstuhl. Milecks Hauptinteresse galt der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Er machte sich einen Namen vor allem als Hesse-Forscher. Jahrzehntelang beschäftigte er sich mit diesem deutschen Schriftsteller, über den er einige Bücher und eine beträchtliche Anzahl von Beiträgen in Fachzeitschriften veröffentlichte. Joseph Mileck hat die vollständigste, 1400 Seiten umfassende Biographie und Bibliographie dieses Autors erstellt, die 1977 unter dem Titel Hermann Hesse: Biography and Bibliography in Berkeley erschienen ist. Die Summe seiner Forschungen hat er in seiner 1978 in den USA erschienenen Hesse-Biographie (Hermann Hesse: Life and Art) zusammen-gefasst. Diese wurde ein Jahr später bei Bertelsmann unter dem Titel Hermann Hesse: Dichter, Sucher, Bekenner verlegt, später auch als Taschenbuchausgabe bei Suhrkamp. Nach seiner Emeritierung befasste sich Professor Mileck intensiv mit der Geschichte seines Geburtsortes Sanktmartin und dem Los seiner Landsleute. Als Förderer, Mitherausgeber und Koautor hat er wesentlich zum Erscheinen des zweiten Bandes des Heimatbuchs der Gemeinde Sanktmartin im Arader Komitat im Jahr 1993 beigetragen, der die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt. Seiner Feder entstammen mehrere Beiträge, darunter der besonders beachtenswerte Bericht „Es war einmal: ein Requiem“. Darin beschreibt er anschaulich, ausgehend von dem in seiner Erinnerung eingeprägten Bild des Dorfes seiner Kindheit, den bei seinen Besuchsreisen in den Jahren 1968, 1975 und 1990 wahrgenommenen Wandel seines Geburtsortes, an dessen Ende die Auflösung des deutschen Bauerndorfes Sanktmartin stand. Zwei von ihm im Heimatbuch summarisch behandelte Themen, die Sanktmartiner Mundart und die Aus-wanderung seiner Landsleute, hat Joseph Mileck in Buchpublikationen aufgegriffen. 1997 erschien im Peter-Lang-Verlag der Band Samatimerisch: Phonetik, Grammatik, Lexikographie, eine gründliche, einmalige Untersuchung der Sanktmartiner Mundart. Diese ausführliche Behandlung des Laut-, Formen- und Wortbestandes, der Syntax, der Personennamen und der Entlehnungen aus Fremd-sprachen der Sanktmartiner Mundart stellt einen wichtigen Beitrag zur Banater deutschen Mundartenkunde dar. Zwei Jahre später veröffentlichte Mileck im gleichen Verlag das Buch Zum Exodus der Rumäniendeutschen. Banater Sanktmartiner in Deutschland, Österreich und Übersee. Es spiegelt anhand von Berichten der Erlebnisgeneration das letzte Kapitel der Geschichte Sanktmartins und ist zugleich ein informativer Beitrag zur Geschichte der Auswanderung der Rumäniendeutschen nach dem Westen seit dem Zweiten Weltkrieg.
Obwohl er nur fünf Jahre in Sanktmartin verbrachte, blieb der im kalifornischen Berkeley lebende Professor Mileck seiner alten Heimat immer eng verbunden. Im vergangenen Jahr, kurz nach Weihnachten, hatte ich Gelegenheit, ihn in San Francisco zu treffen. Eigentlich erwartete ich einen älteren Herrn von fast neunzig Jahren. Als er dann im Foyer des Hotels erschien, erkannte ich ihn sofort, sah er doch noch genauso aus wie in den neunziger Jahren, als er am Sanktmartiner Heimattreffen in Augsburg teilnahm. Er zeigte sich topfit und war voller neuer Ideen. Wir unterhielten uns über das alte Sanktmartin, natürlich im „Samatimer“ Dialekt, den Joseph Mileck so gut beherrscht, als wäre er nie – und das schon als Kind! – ausgewandert. An unserem Kirchweihfest im September in Gerolzhofen möchte er dabei sein, soweit es seine Gesundheit zulässt.
Die Sanktmartiner wünschen Professor Mileck zum 90. Geburtstag alles Gute, Gesundheit und viel Schaffenskraft, damit er noch viele seiner Ideen verwirklichen kann.