zur Druckansicht

Temeswar als kulturelles Zentrum - Ein Aide-mémoire (3)

Das heutige Theatergebäude (seit dem Umbau von 1923) beherbergt seit 1953 im rechten Flügel das Deutsche Staatstheater (Foto: Thomas Krisch/wikipedia.de)

Fortbildungsinstitut für Lehrkräfte

Mit dem Germanistik-Lehrstuhl arbeitete das Fortbildungsinstitut für Lehrkräfte eng zusammen. Die Temeswarer Filiale betreute Sprachlehrer für Deutsch-Muttersprache aus dem ganzen Land und veranstaltete für sie Lehrgänge; beginnend mit den sechziger Jahren konnten Muttersprachler die Vorrückungsprüfungen (Definitivat, Zweiter Grad, Erster Grad) nur in Temeswar ablegen (1). Von 1969 bis 1975 war Josef Zirenner – vorher Dozent beim Germanistik-Lehrstuhl – hauptberuflich in der Filiale tätig (2). Zeitweilig unterhielt das Institut für pädagogische Wissenschaften in Temeswar eine auf die deutsche Minderheit zugeschnittene Planstelle. Dort arbeitete Radegunde Täuber, vormals Schülerin der Josefstädter Lehrerbildungsanstalt und Absolventin der Philologie-Fakultät, 1969 und 1970 an Lehrplänen für den muttersprachlichen Deutschunterricht. Mit dieser Planstelle hat das Ministerium auf die Ausweitung des verpflichtenden Unterrichts von acht auf zehn Schuljahre reagiert. Aufgrund der neuen Lehrpläne wurden mehrere Schulbücher ausgearbeitet bzw. umgearbeitet (Klasse III 1970, Klasse IV 1971, Klasse V 1969, Klasse VI 1972, Klasse IX Textauswahl 1969, Klasse IX Lehrbuch 1971) (3).

Die Filiale des Schulbuchverlags

In der Temeswarer Filiale des Schulbuchverlags – eingerichtet Anfang der fünfziger Jahre – betreuten Redakteure die Originalbücher für den muttersprachlichen Deutschunterricht (Klassen I–VIII) und die Übersetzungen der rumänischen Originalbücher (Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Erdkunde usw.). Das Personal umfasste rund zehn Redakteure und Verwaltungsangestellte. Die auswärtigen Mitarbeiter arbeiteten hauptamtlich an deutschen Mittelschulen bzw. an Mittelschulen mit einer deutschen Abteilung. Es gab auch deutsche Hochschullehrer, die sich nicht zu schade waren, für ein dürftiges Honorar als Referenten mitzuwirken: Lektor Julius Amberg, Lektor Alfred Geier, Prof. Dr. Peter Lamoth, Dozent Dr. Josef Philips (4).

Das Deutsche Staatstheater Temeswar (DSTT)

Es wurde am 1. Januar 1953 gegründet und erlangte 1956 administrative Selbstständigkeit. Sein Ensemble trat am 27. Juni 1953 mit Heinrich Laubes Schauspiel „Die Karlsschüler“ vor die Öffentlichkeit, welches Dr. Johann Wolf vorgeschlagen hatte. Vom Schauspieler und Schriftsteller Stefan Heinz (Pseudonym: Hans Kehrer), dem Publikum vor allem durch die Charakterrolle „Vetter Matz“ bekannt, stammt eine Premierenschau, die von der Gründung bis Ende 1990 reicht. Im Laufe dieser 38 Jahre führte das Ensemble 269 Stücke und Unterhaltungsprogramme auf, es ist in mehr als 150 Ortschaften aufgetreten und gab 9135 Vorstellungen vor insgesamt 2416072 Zuschauern. Zur Aufführung gelangten Stücke von Schiller, von Lessing, Goethe, Brecht, Remarque, Hebbel, Kleist, Nestroy, Anzengruber, Grillparzer, Thoma, Horváth, Hauptmann, Büchner, Wedekind, Molière, Jewgenij Schwarz, Goldoni, Beaumarchais, Shakespeare, Ibsen, Wilde, O’Neill, Gogol, Shaw, Lorca, Gorki, Caragiale, Mihai Sebastian, Horia Lovinescu, Camil Petrescu, Aurel Baranga, Ion Baiesu, Hans Kehrer, Irene Mokka, Ludwig Schwarz, Ricarda Terschak, Josef Jochum (5).

Wieviel Vorsicht bei der Auswahl der Stücke geboten war, erkennen wir aus der Bilanz des Dramaturgen Franz Liebhard nach dem ersten Jahrzehnt des DSTT (im Märzheft 1963 der „Neuen Literatur“). Bis dahin hatte das Ensemble 62 Stücke aufgeführt. Liebhard unterschied nicht weniger als sechs Kategorien, die man berücksichtigen musste: einheimische Gegenwartsdramatik; Sowjetdramatik; Bühnenliteratur der volksdemokratischen Länder; fortschrittliche Bühnenliteratur der kapitalistischen Welt; kritischer Realismus; fortschrittliches Kultur-erbe (6). Mehrere Mitglieder des Ensembles betreuten Laienformationen auf den Dörfern: Rudolf Chati [Schati], Hans Kehrer, Peter Schuch, Josef Jochum, Hadamut Becker und Franz Csiky halfen den Laienspielern mit ihrer Erfahrung (7). Dazu gab es auch eine Anweisung von oben (8), aber bei den Deutschen rannte sie offene Türen ein. Rudolf Chati hat 1948–1951 die Theatergruppe der jungen Lenau-Schule angeleitet. (9)

Zu Beginn der Spielzeit 1981 / 1982 traf das Ensemble durch die Entlassung von 14 Mitgliedern, die um die Ausreise angesucht hatten, ein herber Schlag, und der zweite ließ nicht auf sich warten. Bis zum Jahre 1983 hatte der Staat siebzig Prozent der Auslagen subventioniert, während der Rest eingespielt werden musste, doch dann stellte die Finanzaufsicht dieses Verhältnis auf den Kopf (10).

Direktoren (Intendanten) waren: Johann Székler (1956–1971), Dr. Bruno Würz (1971–1974), Hans Linder (1974–1983), Ildiko Járcsek-Zamfirescu (1983–2001), Alexandra Gandi-Ossau (2001–2003), Ida Gaza (2003–2007), Lucian Varsandan (von 2007 bis heute).

 

(1) Mündlich von Gudrun Schuster, vormals Deutschlehrerin an der Honterus-Schule und Leiterin des Burzenländer Fachzirkels für Deutschlehrer.

(2) Die Tätigkeit Zirenners als Pädagoge und Methodiker hat Dr. Walter Engel gewürdigt: Ein Pädagoge der Güte. In: BANATER POST Nr. 17 (5. September) 2007.

(3) Mitteilung von Radegunde Täuber in einem Brief, datiert 12. Dezember 2010 in Nufringen.

(4) Mitteilung von Alfred Huth, von 1956 bis 1965 Lektor und leitender Redakteur. In: Deutsche Schulbücher. Typoskript, ein Beitrag für die geplante Anthologie „Alles selbst erlebt“.

(5) Typoskript. Eine Kopie wurde mir vom Verfasser geschenkt. Siehe auch: Hans Fink: 250 Theater-Rezensionen. Das Deutsche Staatstheater von Temeswar im Spiegel der Presse/ Eine hochkarätige Sammlung gelangt ins Donauschwäbische Zentralmuseum. In: BANATER POST. Nr. 4 (20. Februar) 2009.

(6) Franz Liebhard: 2500 Aufführungen, 778.000 Zuschauer. In: NEUE LITERATUR Nr. 3/1963, S. 127–133.

(7) Mündlich von Hadamut Becker, Josef Jochum, Franz Csiky und Johann Lippet im März 2009.

(8) Stefan Heinz Kehrer: Im Zangengriff der Zeiten. S. 324.

(9) Peter Paul: Die Wiedererweckung des Banatdeutschen Kulturlebens. In: TEMESCHBURG – TEMESWAR. S. 494–502.

(10) Johann Lippet: Wer begreifen will, wie das war, muss wissen, wie es funktionierte. Einblicke in Abläufe. In: BANATICA. Nr. 1–2/2003. S. 5–12, hier S. 9 bzw. 11.