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Das Fußballwunder von Triebswetter (II)

Beim Qualifikationsspiel für die B-Liga gegen Otelu Rosu/Ferdinandsverg im Jahr 1975

Witzig, aber wahr
Manchmal generieren persönliche Ambitionen oder ehrgeizige Duelle wahre Wunder. So ist auch die Triebswetterer Fußballmannschaft irgendwie ein Produkt zwischen eitlen Machtmenschen und einer Hassliebe zwischen Ortschaften. Der fußballvernarrte LPG-Präses von Nero, Demeter, hatte den
auffälligsten Dienstwagen, eine sowjetische „Tschaika“, die wie eine schlechte Kopie der amerikanischen Straßenkreuzer anmutete; Peter Fenesi, der LPG-Vorsitzende von Triebswetter und Demeters ewiger Rivale, begnügte sich zwar mit einer „Wolga“, zahlte aber dem Neroer Napoleon alles über den besseren Fußball heim. Für die Triebswetterer war es auch immer eine Ehrensache und die Krönung der Saison, gegen Großsanktnikolaus zu gewinnen, kostete es was es wolle. Auch die Semikloscher gönnten den Triebswetterern nichts, besonders die Parteiaktivisten aus der ehemaligen Rayonsstadt hätten gerne die Nase vorne gehabt.

Neben all diesen Kuriositäten gründete der Erfolg auf der unermüdlichen Arbeit des tüchtigen Trainers, auf die Zurückhaltung der bekannten und geheimen „Häuptlinge“, auf die Hingabe der vielen „Indianer“, die wie Rädchen das komplexe Fußballgetriebe am Laufen hielten. Ich versuche wenigstens die Triebswetterer zu nennen (die Reihenfolge ist willkürlich) und bitte um Entschuldigung, wenn jemand sich zurückgesetzt fühlt oder gar ungenannt bleibt. Die LPG-Spitze mit Peter Fenesi und Chefbuchhalter Pavel Iatan schaffte die Grundlagen für eine erfolgreiche Mannschaft. Dipl.-Ing. Heinz Vogel, Direktor der Schweinemastbetriebe in Birda oder Ceala, war nicht nur eine tragende Säule für den Fußballverein, er war auch das, was die Hefe im Teig ist:
treibende Kraft. Und dann waren da die „Nikolas“, der Wirt Schreiber Nikolaus mit seinem Sohn Eckhard, Petre Udrescu von der Konsumgenossenschaft, der Brigadier Vasile Stroe, die rührigen Edusch Henz, Jakob Kiefer (genannt Kurz), Ionel Stroe, Jakob Blenk, die beiden Gemüseexperten Peter Frecot und Josef Wolf, der Fußballspion Franz Doron, Dr. Karl Koch als Betreuer der Spieler (auch
das andere Sanitätspersonal aus der Gemeinde). Und nicht zuletzt Zeugwart Johann Schreyer (Pik-osch-Jani), der drei Generationen betreut hatte und viele für den Fußball begeisterte. Und ich sehe heute noch die Matzepeter-Lissi toben, wenn der Ball immer wieder in ihrem Garten oder Hof landete.

Das letzte Abenteuer
Die siebziger Jahre gingen zu Ende, viele Schwaben suchten ihr Heil und ein neues Leben in Deutschland. Wer will es Willi Schreiber verübeln, dass auch er diesen Weg suchte und fand. Bei einem Gastspiel in Serbien im Oktober 1978 nutzte er die Gunst der Stunde, und unter abenteuerlichen Bedingungen gelang ihm die Flucht. Es war eine glückliche Fügung oder Zufall, dass er in Traunreut landete. Getrennt von seiner Familie ging sein Abenteuer weiter. Bis er die Bekanntschaft mit Lehrer Ludwig machte. Dieser war Vorstand der Fußballabteilung beim TuS Traunreut und FDP-Chef des Landkreises Traunstein. Und der größte Helfer in der Not. Willi Schreiber päppelte in Traunreut die konditionsschwachen Fußballer auf, fand einen guten Arbeitsplatz in der Qualitätssicherung der Firma Heidenhain, die Messgeräte, Steuerungen, Optik und Elektronik produziert. Der FDP-Politiker setzte durch, dass der damalige bundesdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher auch die Schreiber-Angehörigen auf seiner Liste der erwünschten Aussiedler hatte. Und bald trafen Frau und Kinder in Traunreut ein. Auch dieses Abenteuer war nun zu Ende, und das Leben konnte in ruhigen Bahnen weiter gehen.

Als Rentner genießt jetzt Willi Schreiber die Tage. Im Mittelpunkt seiner Interessen steht wohl noch der Fußball, gleichwohl auch seine vier Enkel. „Ich freue mich, wenn mein Enkel Nick Fußball spielt“, meint Willi und fügt hinzu, dass
das Leben der anderen am Fußball vorbeiläuft. Um mitten im stürmischen Fußballgeschehen zu bleiben – auch im rumänischen –, hat er sich den Fernsehempfang entsprechend eingerichtet. Aber auch andere Sportarten haben es ihm angetan, die Olympiade ist für ihn die Krönung. „Das alles habe ich früher gar nicht gekannt, weil ich tagtäglich im Fußballgeschäft gesteckt habe“, bekennt er.

Über alles wächst Gras
Die Fußballzeiten in Triebswetter sind vorbei und Geschichte geworden. Und auch die deutsche Siedlungsgeschichte geht langsam, aber unaufhaltsam ihrem
Ende entgegen. Über Triebswetter schwebt der Pleitegeier, die einstige Ruhmesarena ist vergammelt, die Arbeit vieler Hände zerstört. Willi Schreiber, der Zauberer aus der Banater Heide, ist inzwischen 78 geworden. Die Jahre haben sich auf Körper und Seele gelegt. Aber in jedem Spätsommer ist er gerne in Triebswetter, er hat sein Haus zurückgekauft und saniert. Dort trifft er auch Freunde – viele alte, die es auch zurück zu den Wurzeln zieht. Den endgültigen Abschied von Triebswetter will er möglichst noch lange hinausschieben.

Manchmal führen seine Schritte am Fußballplatz vorbei oder gar aufs überwucherte Feld. Und die Erinnerungen stürmen auf ihn ein. Dann verlässt Willi Schreiber den Platz, der ihm einst alles bedeutet hatte. Wehmut spielt schon mit, aber keine Bitterkeit. Nur die Stimme zittert erregt, wenn von den alten Zeiten erzählt wird. Es waren gute Zeiten, manchmal auch schwere und schlechte Zeiten. Was bleibt, sind die Taten. Hoffentlich wird man sich an das Fußballmärchen Triebswetter und an Willi Schreiber noch lange und gerne erinnern. Denn: Nichts gefährdet unsere Zukunft mehr als die Gleichgültigkeit, die zum inneren Tod führt. Zeichen der Erschöpfung und der Resignation haben die alten Generationen in Triebswetter selbst nicht geduldet, deshalb waren sie mit dieser Lebenseinstellung auch vielen Banater Landsleuten einen Schritt voraus. Das war und ist ein Vermächtnis. Bleiben wir Triebswetterer – egal wo wir wohnen.