Am 1. und 2. November begingen die katholischen Schwaben im Banat die beiden kirchlichen Feste Allerheiligen und Allerseelen. Ihre ersten Begräbnisstätten wurden bereits bei der Ansiedlung gleichzeitig mit der Gründung der neuen Ortschaften angelegt. Anfangs wurden die Toten um die Kirchen beerdigt, daher der Name Kirchhof oder Kerchhof.
Der Kathreinfelder Hans Rasimus (1914-1989 Jockgrim/Pfalz) schreibt im Heimatbuch seiner Geburtsgemeinde: „Unsere Ahnen haben aus Sumpfland eine Kornkammer geschaffen, auf das Brot für alle wachse. Der Tod nahm sich reichlich Beute und gefährdete das Werk der Siedler.“
Vom Frühjahr bis spät in den Herbst hinein glichen unsere Heimatfriedhöfe einem Blumengarten: Rosen, Nelken, Geranien, Stiefmütterchen, Astern, Chrysanthemen und andere Blumen schmückten die Grabstätten unserer Verstorbenen.
An Allerheiligen und Allerseelen waren die Gräber besonders schön hergerichtet und ein Lichtermeer von Kerzen erhellte den Friedhof. Bereits im Mittelalter waren die „Totenleuchten“ Bestandteil des Kirchhofs. Das Licht galt als Symbol Gottes, der Schöpfung und Erlösung.
Matthias Weber und Dr. Anton Peter Petri schreiben im Heimatbuch Sanktandres (1981): „Den Verstorbenen wird zu Allerheiligen gedacht. Früher ging sozusagen das ganze Dorf am Nachmittag mit der Prozession in geordneten Reihen zum Friedhof, um der Totenvesper mit Predigt beizuwohnen und anschließend an allen blumengeschmückten Gräbern der Angehörigen zu beten. Seit 1945 ist die Prozession verboten.“
Auf dem Lenauheimer „Kerchhof“ wurde auch 2024 zu Allerheiligen aller Verstorbenen gedacht. Ein kollektives Kerzenbrennen organisierte die HOG Lenauheim mit den Schülern und Schülerinnen der Allgemeinschule auf dem Heimatfriedhof. „Wir Hinterbliebenen versuchen, den Gottesacker zu pflegen. Dies geht nur gemeinsam, in Zusammenarbeit mit den heutigen Bürgern unseres Heimatortes“, so der rührige HOG-Vorsitzende Werner Griebel (Lenauheimer Heimatblatt 2025, S. 32).
„Zu Allerheiligen erstrahlte unser Friedhof im Glanze Tausender von Kerzen und Lichter“ heißt es im Heimatbuch „Gertianosch 1785-1985. Wie es einmal war“. Und weiter: „Mit großer Andacht wurde der Toten gedacht. Eine volle Stunde lang läuteten die Glocken, während die Menschen auf den Gräbern ihre Kerzen zum Gedenken der Toten brannten. Nach altem Brauch sangen die Männerchöre von Gertianosch in der Mitte des Friedhofs Trauergesänge zu Ehren der Toten. … Es war ein Tag stiller Einkehr.“
Im Friedhof Gertianosch hatte ich mich Mitte der 1980er Jahre mit Florea Ungur unterhalten. 1996 bin ich ihm wieder begegnet und er hat mich nach mehr als zehn Jahren sofort wiedererkannt. Nicht ohne Stolz sagte er zu mir: „Îngrijesc eroii“ – Ich pflege die Helden. „Vedeţi, am cosit iarba – Sehen Sie, ich habe das Gras gemäht“. Er pflegte den Rasen am imposanten Kriegerdenkmal.
Zwiesprache an Gräbern
Friedhöfe rufen uns die Grenze des Lebens ins Bewusstsein und haben eine zum Nachdenken nötige Funktion, besonders in einer Zeit wie der heutigen, in der das Sterben und der Tod weitgehend verdrängt und tabuisiert werden. Erinnerungen werden in uns wach, wenn wir an den Grabstätten unserer teuren Toten stehen und innere Zwiesprache mit den Verstorbenen halten.
Martina Martin (Die Ärztin aus Mainz verbrachte ihre Kindheit und Jugend im Banat) schildert in ihrem 1990 erschienenen Roman „Banat“ die Geschichte einer großen Liebe. Felix Heuers Jugendliebe stirbt in jungen Jahren an Leukämie. Vor seiner Abreise zum Studium führt ihn sein Weg zum Dorffriedhof an Mariannes Grab. Er sprach mit ihr: „Nie hätte ich gedacht, dass ich ohne dich auch nur einen einzigen Tag weiterleben könnte. Jetzt habe ich noch ein schönes Erinnern an dich, und das Leben tut mir nicht mehr weh. (…)“ Er legte eine rote Rose mit langem Stiel aufs Grab. Eine geraume Zeit stand er noch hier, regungs-, gedankenlos. Dann sagte er einfach: ‚Servus‘ und ging.
Wie hatte Marianne vor ihrem Tod doch zu Felix gesagt: „Du musst mir schwören, dass du keine Dummheit machen wirst, wenn ich sterbe. Du musst leben. Und auch an mich denken. Ich werde zu deiner Vergangenheit gehören, in deiner Erinnerung sein, dich dein ganzes Leben begleiten“.
Es gab Zeiten im Banat, da haben Krankheiten, besonders die Tuberkulose, viele Todesopfer unter den Kindern und Jugendlichen gefordert und unglaubliches Leid in zahlreiche Familien gebracht. Passend diesbezüglich der Grabspruch „Die Sonne ging unter, bevor es Abend wurde.“ Auf dem Friedhof von Kleinbetschkerek befindet sich die Grabstätte der vier Reinert-Schwestern, die alle an Schwindsucht gestorben sind und keine älter als 20 Jahre wurde. Die Inschrift auf dem Grabstein lautet: „Vier Kinder unter einem Stein, / In kurzem uns genommen, / Wie groß auch unser Schmerz mag sein, / Sie sind zu Gott gekommen“.
An Allerheiligen, kurz nach dem Tod von Lissi-Oma, bei der sie in Ratzampheder immer ihre unvergesslichen Schulferien verbrachte, hat meine Ehefrau Helga am Grab ihrer geliebten Großmutter Tränen vergossen. Unsere dreijährige Tochter, einfach noch zu klein, um die Situation zu verstehen, sagte in kindlicher Unbedarftheit: „Mama, warum weinst du? Ich war doch nicht schlimm. Und sie versuchte liebevoll der Mutter Tränen zu trocknen.
Tot ist nur,
wer vergessen wird
Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, sondern nur fern.
Tot ist nur, wer vergessen wird! Der Abschied von einem geliebten Menschen ist schwer, denn der Dahingeschiedene hinterlässt eine schmerzhafte Lücke im Leben der Hinterbliebenen.
Auf dem Friedhof von Charlottenburg fand ich eine Grabstätte mit folgender Inschrift: „Hier ruht als ein Opfer des Krieges der Held und beste Gatte und Vater Franz Pfeffermann, 39 Jahre alt, gestorben 1915. Unsere dankbare Liebe erlischt auch überm Grabe nicht! Darum ruhe nun sanft in deiner heißgeliebten heimatlichen Scholle, bis wir im Tode vereint uns wiedersehen. Dein Andenken wird ewig fortleben.“
Ewig bestimmt nicht, nur so lange, wie jemand sich seiner erinnert. Wie heißt es: „Begrabe deine Toten/ tief in dein Herz hinein, / dann werden sie dein Leben lang/ lebendige Tote sein.“
Am 5. August 1787 wurde der Traunauer Friedhof eingeweiht. Auf dem Gottesacker befindet sich nur eine einzige Grabkapelle, die der Familie Didicher. Der Anlass zur Errichtung dieser Kapelle war die Bitte eines fünf Jahre alten Buben an seinen Vater, nach seinem Tod auch in ein „Haus hineinzukommen“, wie er das in Guttenbrunn gesehen hatte, um nicht so schnell vergessen zu werden. Bei dem Jungen handelt es sich um Nikolaus Didicher, gestorben am 14. Januar 1898 im 5. Lebensjahr. Als Letzter wurde hier 1970 Josef Didicher (57 J.) bestattet.
Hinter jedem Grabstein verbirgt sich das Schicksal eines Menschen. „Niemand geht unbelohnt über Kirchhöfe. Diese Schollen kühlen Leidenschaften und erwärmen die Herzen, und nicht allein des Todes Frieden steht auf den Blumenhügeln, sondern auch des Lebens Worte“, so der Schriftsteller Peter Rosegger (1843-1918).
In seinem „Kaule Baschtl“ (1977, S. 97) heißt es bei Ludwig Schwarz: „…Un ich men in seler Zeit han ich angfangt gere uf die Friedhef gehn; dort war Ruh, ke Mensch hat em was in- oder ausgered, mer hat sei Gedanke ziehe kenne losse un studiere un sich allerderhand vorstelle; was mol war, was un wies hat kenne geween sin un was hiner eem Name un zwei Johreszahle alles steche kann. Un wieviel Schicksal uner zwei Schritt lang un een Schritt braat Platz hat.“
Obwohl „unner eem Freithofhiwl net viel leit“, wie Josef Gabriel d. J. (1907 Mercydorf - 1949 Frankfurt/ Oder) es sagt, leben die Verstorbenen in der Erinnerung und in uns weiter. „Der Ahnen Hügel sind Altäre, dass sie der späte Enkel ehre“ so der Hatzfelder Dichter Peter Jung (1887-1966). Die Ehre der Toten, die wehrlos sind, ist ein religionsethisches Grundgebot.
Im Mundartgedicht „vorm elternhaus“ berichtet Nikolaus Berwanger von seinem Abschied aus dem Banat. So erwähnt er auch die vor seinem Weggehen auf dem Friedhof ausgeführten Arbeiten: „ufm friedhof/ han ich alles gereglt/ uf alli unser gräwer/ han ich betondeckle mache geloß/ die name/ han ich mit goldbuchstawe/ schreiwe geloß.“ Und weiter heißt es in Berwangers Gedicht: „an allerheiliche/ so han ich mirs fescht vorghol/ meecht ich jedes johr kumme/ wie lang/ des weeß ich net.“
Die Möglichkeit, seine geliebte Banater Heimat und, wie geplant die Familiengäber auf dem Freidorfer Friedhof an Allerheiligen nochmals zu besuchen, sollte ein frommer Wunsch bleiben!
Nikolaus Berwanger starb im Alter von nur 54 Jahren am 1. April 1989 in Ludwigsburg und ruht fern seiner geliebten Banater Heimat auf dem Westfriedhof in Pflugfelden. Auf seinem Grabstein stehen die Worte: „Nach dem Weggang blieb eine verrostete Traurigkeit zurück.“
Allerheiligen und Allerseelen sind zwei Feiertage im katholischen Kirchenjahr, an denen wir mit besonderer Inbrunst unserer Verstorbenen gedenken.
Auf dem Friedhof in Königshof gibt es einige Grabmale mit Fotos der trauernden Hinterbliebenen bei der Totenwache. Es ist erstaunlich wie gut die Fotos auch nach 100 Jahren für die Nachwelt erhalten geblieben sind.
Unsere Heimatfriedhöfe: Wie lange noch?
Das Grab war auf der ganzen Welt heilig. Im alten Athen musste einst der, dem die höchsten Ämter übertragen wurden, erst nachweisen, dass er sich im Hinblick auf die Bestattung seines Vaters nichts zuschulden kommen hatte lassen. (Dr. Herbert Derwein: Geschichte des christlichen Friedhofs in Deutschland, 1931). Die Kultur eines Volkes wird im Verhältnis zu seinen Toten und zum Tod am deutlichsten sichtbar. „Ein Volk wird danach beurteilt, wie es seine Toten bestattet“, so der griechische Philosoph Perikles (5. Jahrhundert v. Chr.).
Die Begräbnisordnung Josephs II. vom 23. August 1784 sorgte für allgemeine Unzufriedenheit. Der Monarch untersagte die Beisetzung in Kirchen und die Verwendung von Särgen. Die Bevölkerung lehnte die berüchtigten Sparsärge und das Sackbegräbnis jedoch ab, so dass der Kaiser seine Verordnungen bald rückgängig machen musste.
Einen großen Einschnitt brachte die Forderung, die Kirchhöfe aus hygienischen Gründen außerhalb der Städte und Dörfer zu verlegen (Karl Gutkas: Kaiser Joseph II. Eine Biografie, 1989, S. 353-354).
Die Bezeichnungen Friedhof oder Freydhof/Freidhof haben mit Grabesfrieden nichts zu tun. Der Friedhof ist seinem Wortsinne nach nicht der Hof des Friedens, sondern der eingefriedete Hof (mittelhochdeutsch: VRIDE). Von dieser Einfriedung kommt das Wort Friedhof. Der Friedhof wird auch noch Gottesacker genannt. Den Namen Rosengarten begegnet man im Banat auf Grabsteininschriften, wie z.B. „Hier in diesem Rosengarten will ich meine Frau und Kinder erwarten“.
Als Christen wurden die Toten im Banat in einem Grab erdbestattet, glaubt man doch an die Auferstehung des Leibes am Jüngsten Tage! „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ sagt Jesus (Johannes, 11.25). In der Regel ist das christliche Grab vergänglich, es wird immer wieder neu belegt bzw. der Friedhof wird aufgelassen. Der christliche Friedhof ist zu allen Zeiten zeitgemäß umgestaltet worden. Im Banat übernimmt heute die Natur die Rolle des Umgestalters.
Ruhestätte der Toten – offenes Geschichtsbuch
Der Friedhof ist nicht nur die Ruhestätte der Toten, sondern auch das offene Geschichtsbuch eines Ortes, ein sichtbares Dokument der Vergangenheit und Gegenwart. Leena Ruuskanen schreibt in ihrem Buch „Der Heidelberger Bergfriedhof“ (1992, S. 9): „Gräber sind Wege in die Vergangenheit: (…). Der Friedhof ist somit auch ein ‚überzeitlicher‘ Ort, eine Insel im Fluss der Zeit – eine Stätte, die sozusagen das kulturelle Gedächtnis einer ganzen Gemeinschaft darstellt und Identität zu stiften vermag“.
Die Banater Schwaben haben ihre Toten schon immer pietätvoll verehrt und deren Grabstätten liebevoll gepflegt. „Was war das für eine großartige Pflege auf unseren Friedhöfen!“ schwärmt Sepp Schmidt (Heimatbuch Alexanderhausen, 1987). Die Banater Schwaben sahen es als ihre Pflicht an, die Gräber ihrer Toten zu pflegen. Ein ungepflegtes Grab war eine Schande, so Schmidt.
Wie sieht es heute auf unseren Heimatfriedhöfen aus? Meine Frau Helga und ich haben während unseres Aufenthaltes 2023 im Banat in über 80 Ortschaften mehr als 90 Friedhöfe besucht. Der Zustand unserer Gottesäcker ist unterschiedlich, was jedoch allen gemeinsam ist, ist deren sichtbarer und unaufhaltsamer Verfall. Mutwillig zerstörte oder vom Zahn der Zeit gezeichnete Grabsteine, hohes Gras, undurchdringliche Hecken und mit Betonplatten zugelegte Gräber prägen das Bild vieler unserer Friedhöfe.
Es gibt auch Heimatfriedhöfe, die sehen gepflegter aus, das Gras ist gemäht und die Grabsteine sind für Besucher gut erreichbar (Aradsanktmartin, Neupetsch, Lenauheim, Bogarosch, Großjetscha, Hodon, Warjasch, Rekasch u.a.). Von Menschenhand gepflanzte Blumen gibt es kaum noch, nur Wildblumen wie Pipatsche sind sporadisch als angenehme Farbtupfer inmitten von grauen Steinwüsten zu finden. Die Natur hat die Rolle des Gärtners übernommen.
In seinem Gedicht „Noch blüht der alte Rosenstrauch“ heißt es bei Martin Nagelbach aus Moritzfeld: „Der Friedhof, der schon lang verlassen, / Den liebe Hände einst gepflegt, / Ist der Natur nun überlassen, / Die hat sein Ausseh’n ihm geprägt.“
Manche Friedhöfe sind schwer begehbar, da riesige Hecken und Bäume ein Betreten fast aussichtslos machen (Obad, Eichenthal). Unsere Friedhöfe werden zu wichtigen Biotopen (Lebensräumen) für viele Pflanzen und Tiere.
Friedhöfe sind wichtige Zeugen der Vergangenheit und es wäre ein herber Verlust, wenn diese Zeugen längst vergangener Zeiten für immer verschwinden würden.
Doch kein Abschied
In seinem bemerkenswerten Editorial „Doch kein Abschied“ in der „Banater Post“ vom 20. August 2024 schreibt Peter-Dietmar Leber: „Während in Deutschland schon viele Gräber der Flüchtlinge von 1944 und ersten Aussiedler aufgegeben worden sind, gibt es jene im Banat noch immer. Manche Grabsteine stehen zwar schon schief, einige sind geborsten, gar zerbröselt, manche von Unkraut überwuchert. Aber sie sind da.“
Auf unseren Friedhofsfahrten konnten wir den Zustand, den Leber beschreibt, auch feststellen. Ich habe dort jedoch noch nie ein Schild Ruhefrist abgelaufen, wie das in Deutschland der Fall ist, gesehen. Dieser Hinweis auf die abgelaufene Ruhezeit ist für mich eine Pietätlosigkeit! Wurden die Toten nicht zur „ewigen Ruhe“ gebettet?
Ja, auf unseren Banater Friedhöfen stehen noch viele Grabsteine. Die Frage jedoch ist: Wie lange noch? Zweckoptimismus ist gut, er sollte uns aber nicht zum Realitätsverlust führen. Fakt ist: Unsere Heimatfriedhöfe, und das ist die schmerzhafte Wahrheit, sind aus der Ferne auf Dauer nicht zu retten, zu erhalten! Das ist eine finanzielle und organisatorische Frage. Das Gleiche gilt für unsere Kirchen im Banat.
Es ehrt viele Heimatortsgemeinschaften, die mit ihren bescheidenen Möglichkeiten keine Mühe scheuen, ihre Begräbnisstätten im Banat zu erhalten und ihnen ein gepflegtes Aussehen zu verleihen.
In Zukunft müssten wir uns aber eingestehen, dass dies nur noch Sinn macht, solange die Erlebnisgeneration am Leben ist. Unsere Kinder und Kindeskinder werden dafür kaum noch Interesse aufbringen können, was nur allzu verständlich ist. Sie sind mehrheitlich in Deutschland geboren und kennen das Banat nur von Besuchen und aus den Erzählungen der Großeltern und Eltern.
Friedhöfe wurden schon immer umgestaltet und sie waren stets dem Zeitgeist unterworfen. Und sie wurden nicht nur dann aufgelassen, wenn sie vollständig belegt bzw. wenn ein Ort geschleift wurde, wie in Waldau bei Moritzfeld.
Es gab auch andere Gründe Friedhöfe aufzugeben, wie z.B. die ungünstige Lage oder das Vorhandensein von hohem Grundwasser. In Glogowatz wurde nach der Schließung des alten Gottesackers an dessen Stelle ein Sportplatz eingerichtet und es wurde über den Gebeinen der Toten Fußball gespielt. Von Racher Vetter Johann aus Großjetscha habe ich 1983 (er war damals 90) erfahren, dass sich der Ansiedler-Friedhof gleich am Dorfrand, unweit des jetzigen alten Friedhofs befand. Er erzählte mir die skurril anmutende Geschichte, dass der Friedhof deswegen aufgegeben werden musste, da in unmittelbarer Nachbarschaft wohnende Dorfinsassen glaubten, in der Nacht dort Geister zu sehen! Ich erforsche und dokumentiere bereits seit Ende der 1970er Jahre unsere Banater Heimatfriedhöfe und ich muss gestehen, dass sich deren Erscheinungsbild im Laufe der Zeit grundlegend verändert hat. Manche Friedhöfe erkenne ich heute kaum noch, so hat sich ihr Aussehen gewandelt. Viele Grabsteine sind bereits verschwunden (dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, abgeräumt, gestohlen oder mutwillig zerstört) und somit sind wertvolle Informationen und Datenträger für immer verlorengegangen.
Dort, wo inzwischen auch Andersnationale, in der Regel Rumänen, vermehrt ihre Toten auf unseren Heimatfriedhöfen bestatten, hat sich deren Gesamtbild verändert. Sie sehen zwar gepflegter aus, haben aber den typischen Charakter unserer inzwischen verlassenen Schwabenfriedhöfe verloren. Es sind nicht mehr unsere Friedhöfe! Ein Beispiel dafür ist der alte Großjetschaer Friedhof, dessen Aussehen sich seit meinem ersten dortigen Besuch im März 1983 grundlegend gewandelt hat und den ich im Juni 2023 kaum wiedererkannt habe. Die Gräber von Rumänen sind zahlenmäßig vorherrschend, deutsche Grabstätten sind dagegen nur noch wenige anzutreffen. Das Grab und der Grabstein der 101-jährigen Eva Kautz, geb. Klingler (1874-1975) ist jedoch noch vorhanden.
Grab-Patenschaften oder andere Vereinbarungen mit den dort lebenden Menschen sind Möglichkeiten, wenigstens einige unserer Grabstätten und Grabsteine auf längere Zeit zu bewahren.
Auf den Friedhöfen in Hatzfeld und Gertianosch habe mehrere dieser Patenschaftsgräber angetroffen. Auch ganze Kapellengrüfte wurden renoviert und neugestaltet (Bogarosch, Lovrin).
Wenn auch Friedhöfe verschwinden, halten wir sie in Wort und Bild als Erinnerungsorte an unsere Zeit im Banat, an unsere Heimat fest. Setzen wir ihnen ideelle Denkmale!











