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Heimattage der Banater Deutschen in Temeswar: Gemeinschaft als prägendes Erlebnis

Ein langer Trachtenzug führte vom Domplatz zum Denkmal für die Opfer der Revolution vor der Kathedrale. Foto: Karin Bohnenschuh

Benjamin Neurohr und Henrike Brădiceanu-Persem und führten durch das Programm. Foto: Nikolaus Dornstauder

Links und rechts im Mittelgang, wie einst bei den Kirchweihfeiern, standen die Trachtenpaare aufgereiht bei der Festmesse im Dom. Foto: Nikolaus Dornstauder

Dietlinde Huhn aus Großsanktnikolaus hielt die Laudatio auf den Preisträger 2024 des Stefan-Jäger-Preises Mario Mateaș. Foto: Nikolaus Dornstauder

Die Vorsitzenden des Deutschen Forums und der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft begrüßen den Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz. Foto: Karin Bohnenschuh

Für ihren Einsatz erhielt die deutsche Konsulin Regina Lochner St.-Gerhard-Medaille mit dem Ehrenbrief der Diözese Temeswar. Foto: Nikolaus Dornstauder

Mit einem umfangreichen dreitägigen Programm fanden vom 13. bis zum 15. Juni 2025 die 17. Heimattage der Deutschen im Banat statt. Unter dem Motto „Wir, im Wandel der Zeit“ hatte das Demokratische Forum der Deutschen im Banat die Banater Schwaben dazu eingeladen – diejenigen, die noch im Banat leben und auch die „Ausgewanderten“, die zu diesem Anlass in die alte Heimat gereist sind, um dabei zu sein.

Nach der Wende in Rumänien haben sich die Heimattage im Banat als Gegenpol zu den traditionellen Ulmer Heimattreffen etabliert: In den geraden Jahren trifft man sich in Ulm, in den ungeraden Jahren in Temeswar. Zu den Trachtengruppen des Forums gesellten sich Trachtengruppen der DBJT, Heimatortsgemeinschaften organisierten gemeinsame Fahrten, aber die meisten in Deutschland oder woanders lebenden Banater Schwaben kamen auf eigene Faust, um mal wieder die heimische Banater Landschaft und Atmosphäre zu genießen. Zwar waren es diesmal weniger Mitwirkende und Gäste als bei den letzten Temeswarer Heimattagen im Kulturhauptstadtjahr 2023, dennoch waren die Banater Schwaben in Temeswar merklich präsent.

Ein umfangreiches Programm

Zentrale Punkte des Heimattreffens waren wie gewohnt der Festakt in der Oper am Samstag, der Festgottesdienst im Dom am Sonntag und der anschließende Trachtenzug vom Domplatz zum Denkmal für die Opfer der Revolution vor der Kathedrale und über die Lloyd-Zeile zurück zum Opernplatz, wo die Tanzgruppen Gemeinschaftstänze darboten. Ausführlicher konnte man die Gruppen einzeln an zwei Abenden auf der Bühne des Banater Dorfmuseums im Jagdwald erleben. Ein umfangreiches kulturelles Rahmenprogramm lockte die Besucher an allen drei Tagen an verschiedene Orte in Temeswar und in der Umgebung. Im Dom wurde am Freitag die Ausstellung zum Millenium des Tschanader Bistums präsentiert, dort fand am Sonntag auch ein Orgelkonzert statt. Im AMG-Haus gab es zwei Ausstellungen, einen Vortrag zu Nikolaus Lenau und eine Lesung von Mitgliedern des Literaturkreises „Stafette“. Wer den Weg nicht scheute, fuhr am Freitag nach Sackelhausen zu einem Kulturnachmittag mit anschließendem Ball und am Freitag nach Sanktandres auf den Spuren der Zeppelin-Halle aus dem Ersten Weltkrieg. Schließlich machte auch das Deutsche Staatstheater mit und setzte das Stück „Menschen. Zu verkaufen.“ als Sondervorstellung für die Besucher des Heimattags auf den Spielplan. 

Lebendige Kultur erleben

Beim Festakt in der Temeswarer Oper konnte der Forumsvorsitzende Johann Fernbach zahlreiche Ehrengäste aus der Politik, der Landsmannschaft und den befreundeten Verbänden begrüßen, die von nah und fern angereist waren, um die nach wie vor „lebendige Banater Kultur“ vor Ort in Augenschein zu nehmen und zu feiern. Regina Lochner, die dem Forum sehr verbundene Konsulin der Bundesrepublik in Temeswar, betonte, wie wichtig die kulturellen Begegnungen zwischen den Banater Schwaben hier wie dort sind, um den „kulturellen Spagat“ der Gebliebenen und der Ausgereisten in der Balance zu halten. Im Angesicht ihrer baldigen Abberufung blicke sie mit Wehmut auf ihre Zeit in Temeswar zurück, aber auch mit Freude und Zuversicht.

Der Vorsitzende des Landesforums der Deutschen in Rumänien Paul-Jürgen Porr betonte, dass es „nur eine Heimat“ gibt, so wie es auch nur eine Mutter geben kann, deshalb seien solche Begegnungen der Banater Schwaben immer ein Bekenntnis zu den Wurzeln. Ovidiu Ganț, der die deutsche Minderheit im rumänischen Parlament vertritt, hob hervor, dass die Minderheitenpolitik in Rumänien an höchster Stelle angesiedelt sei und durch die gute Zusammenarbeit mit Vertretern des Forums und auch der Landsmannschaften bestens funktioniere. Er warnte jedoch auch vor den populistischen und nationalistischen Strömungen in der rumänischen Politik, die sich gegen die Minderheiten richten und eine Gefahr für die Demokratie darstellen, die es mit allen Mitteln zu verteidigen gelte.

 

Der aus dem Schwarzwald stammende Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz stellte fest, dass es für „Heimattage“ keine adäquate rumänische Übersetzung gibt, sie wurden als „Kulturtage“ angekündigt. Seine Erfahrung in der Temeswarer multiethnischen Umgebung habe ihm gezeigt, dass alle Banater sich in der gemeinsamen Heimat gut aufgehoben fühlen und die Vielfalt als selbstverständlich erleben. Die Banater Schwaben hätten mit den ihnen eigenen „deutschen“ Werten dazu beigetragen – Ordnung im öffentlichen Raum, Resilienz durch Krisen hindurch und Gemeinschaftssinn. Die gute Zusammenarbeit mit dem deutschen Forum habe dazu geführt, dass seine dreieinhalbjährige Tochter nun von Dietlinde Huhn aus Großsanktnikolaus ihre erste Banater Tracht bekommen habe, die sie beim Trachtenumzug des Heimattreffens tragen werde. Auch der Vizepräfekt des Kreises Temesch Deian Popov, der der serbischen Minderheit angehört, hob den seit Jahrhunderten praktizierten interkulturellen Dialog als prägendes Element des Banats hervor. Die Politik habe die Aufgabe, die Projekte weiterhin zu fördern, die für Brücken zwischen den Nationen und Generationen sorgen.

Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt

Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber zeigte sich erfreut darüber, dass die 150 aktiven Gliederungen unseres Verbandes den Bezug zum Banat bewahrt haben und in verschiedenen Formen hier Präsenz zeigen. Seit dem Regimewechsel in Rumänien gebe es neue Formen des Miteinanders, die in unterschiedlicher Intensität gepflegt würden. Dadurch würden die Banater Schwaben auch Jahrzehnte nach ihrer Auswanderung hier im Zusammenspiel mit den heutigen Bewohnern ihrer Ortschaften im Banat weiterhin wirken, nach dem Motto: „Gemeinsame Herkunft verpflichtet nicht, sie ermöglicht.“ Die Förderung der kulturellen Aktivitäten sowohl durch den rumänischen Staat als auch durch Bund und Länder in Deutschland sei dankenswert und hilfreich, doch entscheidend ist der Gemeinschaftssinn, der „Kitt, der uns zusammenhält.“  Besonders erfreut zeigte sich der Bundesvorsitzende über das Interesse der Jugendlichen in der DBJT an ihren Wurzeln und der (rumänischen) Jugendlichen in den Banater Dörfern an der Geschichte und den Traditionen ihrer Wohnorte. Dadurch sei der Brückenbau auch in die Zukunft wirksam.

Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt hob auch der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen Rainer Lehni als prägend und unerlässlich für die Verbandsarbeit hervor. Das gelte auch bezüglich der „Geschwisterverbände“ der Sachsen und Schwaben, zwischen denen es „gewachsene Beziehungen“ gibt. Es freue ihn sehr, diese Banater Heimattage in Temeswar mit seiner Frau aus der Nähe erleben zu dürfen, nachdem erst eine Woche davor sein Amtskollege mit Ehefrau und noch einige Banater Schwaben beim Sachsentreffen in Dinkelsbühl zu Gast waren. Auch der Vorsitzende der Landsmannschaft und Präsident des Weltdachverbandes der Donauschwaben Jürgen Harich stellte den Gemeinschaftssinn über Grenzen hinweg als prägendes Merkmal der weltweit verstreuten Donauschwaben heraus. Die heute Aktiven wie er kennen die Heimat ihrer Eltern und Großeltern nur aus Erzählungen, doch der Zusammenhalt in den Familien sorge dafür, dass „die Flamme nicht ausgeht“.

Die Kulturreferentin für den Donauraum am Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm, der Patenstadt der Donauschwaben, überbrachte die Grüße des Ulmer Oberbürgermeisters Martin Ansbacher. In seinem Grußwort hieß es, die besondere Beziehung der Banater Schwaben zu Ulm sei historisch durch die Donau gegeben, werde aber durch zahlreiche persönliche Beziehungen am Leben gehalten. Dazu gehörten die Heimattage der Banater Schwaben, aber auch Jugendbegegnungen und transnationale Projekte in Zusammenarbeit mit dem Donaubüro, die vorwiegend von der Kulturreferentin im DZM betreut und organisiert werden.

Wertvolle Brücke zwischen den Ländern

Die Festrede von Dr. Peer Gebauer, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, wurde als Video in den Opernsaal übertragen. Am Ende seiner vierjährigen Zeit in dieser Funktion würdigte er die deutsche Minderheit in Rumänien als „wertvolle Brücke zwischen den beiden Ländern“ Deutschland und Rumänien. Zwar sei ihm bewusst gewesen, dass es in Rumänien eine deutsche Minderheit gibt, aber erst vor Ort habe er wahrgenommen, „was es historisch bedeutet hat, was es eben bis heute bedeutet für die Entwicklung einer stabilen Gesellschaft.“ Die Minderheit sei seit jeher und bis heute prägend für die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien. Sie sei „ein Schatz, der uns seit Jahrhunderten begleitet und stärkt.“ Sie sei entscheidend für den Wirtschaftsaustausch, aber auch für die zwischenmenschliche Ebene. Er habe feststellen können, wie groß der Zuspruch der rumänischen Mehrheitsgesellschaft für die deutsche Minderheit sei und welche Rolle die deutsche Sprache und das deutsche Schulsystem in Rumänien für die Beziehungen zum deutschen Sprachraum spielen. Die Verbindung zwischen den beiden Ländern sei durch die Minderheit „längerfristig angelegt“ und zukunftsweisend.

Feierliche Vergabe des Stefan-Jäger-Preises

Im Rahmen der Heimattage wurde auch der Stefan-Jäger-Preis verliehen, den das DFDR seit 1997 an junge Menschen unter 35 vergibt, die sich außerhalb ihrer Berufstätigkeit in besonderem Maße für die Pflege der deutschen Sprache und Kultur im Banat einsetzen. Dietlinde Huhn, DFD-Vorsitzende in Großsanktnikolaus stellte den aus Lowrin stammenden Mario Mateaș als Preisträger für 2024 vor. Bei dem 23-Jährigen habe man das Gefühl, dass „der Hergott manchen mehr als 24 Stunden pro Tag schenkt.“ Mario hat ein Studium an der Polytechnischen Universität abgeschlossen, arbeitet in einem IT-Unternehmen, unterrichtet und studiert weiterhin gleichzeitig an der Polytechnischen Universität und findet dennoch Zeit, sich für die Gemeinschaft im Forum von Großsanktnikolaus einzusetzen. Schon seit 2007 hat er sich als Schüler bei den Festen und Veranstaltungen des Forums eingebracht, seit acht Jahren ist er festes Bestandteil der Tanzgruppe   „Buntes Sträußchen“. Seit die Gruppe ohne Tanzlehrer geblieben ist, bringt er seine Erfahrung mit ein und sorgt dafür, dass die Gruppe auch weiterhin auftreten kann. Doch auch Musik ist eines seiner Hobbys. Um an Wettbewerben des Forums teilnehmen zu können, hat er sich selber das Akkordeon- und Gitarrespielen beigebracht. Von Haus aus spielte er bereits Klavier und in der Lowriner Kirche spielt er an Festtagen die Orgel. Überhaupt hat sich der Lowriner zur Aufgabe gemacht, das Forum Lowrin neu zu beleben. Dank seines Einsatzes gab es dort nach vielen Jahren wieder ein Kirchweihfest. Auch eine Tanzgruppe hat er dort gegründet, deren Proben er leitet. Er nimmt das sehr ernst, selbst das „Juchzen“ hat er den Tänzern in mühevoller Kleinarbeit beigebracht. Die „starke Frau“, die den Preisträger zu all dem motiviert, verrät die Laudatorin augenzwinkernd: Es ist seine Omi, die ihn seit seiner Kindheit tatkräftig unterstützt und begleitet hat.

Künstlerische Umrahmung

Entsprechend dem Ambiente im eleganten Temeswarer Opernhaus waren die Grußworte der Ehrengäste in einen würdigen künstlerischen Rahmen eingebunden. Die Moderatoren Henrike Brădiceanu-Persem und Benjamin Neurohr führten durch ein abwechslungsreiches Programm. Der Festakt begann mit den Hymnen des Banats, Rumäniens und Europas, intoniert von den beiden talentierten jungen Gesangssolisten Ilinca Andronachi und Andrei Belean aus der Klasse von Ovidiu Ciucuriță am Temeswarer Musiklyzeum, am Klavier begleitet von der Lehrkraft Simona Mustețiu. Diese boten im weiteren Verlauf noch zwei Lieder nach Texten von Nikolaus Lenau. Eine Auflockerung des Redenreigens war auch die flotte Tanzaufführung der „Lustigen Lenauschüler“ unter der Leitung der Lehrerin Daniela Malanciuc, die sich auch beim Trachtenumzug und auf der Bühne im Dorfmuseum hervortaten.

Festgottesdienst im Dom mit Ehrung

Ein großer Trachtenzug startete am AMG-Haus und führte zum St. Georgs Dom. Dort zelebrierte Bischof Josef Csaba Pál am Dreifaltigkeitssonntag die Festmesse. Sie sei eine Dankesmesse, sagte er eingehend, Dank dafür, dass wir uns hier versammeln können, um Gemeinschaft zu erleben, die Gemeinschaft derer, die weg gegangen sind und derer, die geblieben sind. Zu Beginn erklang das Schubertsche „Wohin soll ich mich wenden“ aus der Deutschen Messe. Lektorin der ersten Lesung war die deutsche Konsulin Regina Lochner, die zweite las der Bundesvorsitzende unserer Landsmannschaft Peter-Dietmar Leber. Das Evangelium verkündete der aus dem Saarland angereiste Pfarrer Markus Krastl, dessen Wurzeln auf die Gemeinden Guttenbrunn und Jahrmarkt weisen.

In seiner Predigt über die Heilige Dreifaltigkeit wies der Bischof darauf hin, dass Dreifaltigkeit auch Einheit in der Vielfalt bedeutet. Es gebe keine Einheit ohne Vielfalt, der andere, der Mitmensch ist anders und er darf anders sein. Es ist gut, dass er eine andere Sprache spricht, dass er zu einer anderen Konfession gehört, es ist gut, dass er eine andere Kultur hat, denn die Uniformierung komme nicht von Gott. Wenn wir Gott lieben, dann stört uns die Vielfalt nicht, wenn wir die Liebe haben, dann bedarf es der Vielfalt. Denn der Mensch, der liebt, den stört die Vielfalt nicht. Der Heilige Geist ist die Beziehung zwischen Vater und Sohn, er ist die Liebe. Für unsere Familie, unsere Gemeinschaft sollten wir ständig bereit sein zu geben und mit Dankbarkeit zu empfangen, und mit all dem, was wir tun, liebevolle Beziehungen aufbauen. Nur so könnten wir auf unserer Erde liebevolle Beziehungen aufbauen und in unseren Familien mehr Friede ernten.

Musikalisch umrahmte die Deutsche Messe von Schubert den Gottesdienst, es sang der Chor „Exultate“ der Domkirche Temeswar, begleitet an der Orgel von Domorganist Róbert Bajkai-Fábián. Zur Kommunion erklang, gespielt von Tobias Schmidt, Kirchenmusiker von St. Willibald, München an der Orgel und Dr. Johann Fernbach an der Violine das bekannte „Air“ von Schubert.
Beim Schlusssegen wünschte der Bischof allen Teilnehmenden der Heimattage in Temeswar gute Begegnungen und eine schöne Zeit. Anschließend bat er die deutsche Konsulin von Temeswar, Regine Lochner, deren Amtszeit in Rumänien in diesem Jahr endet, nach vorne und überreichte ihr die St.-Gerhard-Medaille mit dem Ehrenbrief der Diözese für ihr Wirken in Temeswar, ihren Einsatz und ihr Engagement für die Gemeinschaft und die Kirche.

Nach dem feierlichen Auszug bedankte sich der Bischof bei den im Dom anwesenden Trachtenpaaren mit einem Händedruck.