Vor 80 Jahren kamen die ersten Flüchtlinge aus den ehemaligen Monarchiegebieten nach Österreich, speziell Oberösterreich. Es waren viele Donauschwaben dabei, vor allem aus den Siedlungsgebieten im ehemaligen Jugoslawien, aber auch aus Ungarn und dem rumänischen Banat. Aus Anlass des Gedenkjahrs hat der Bundesverband der Donauschwaben in Österreich mit seiner Bundesobfrau der Donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft in Österreich Maria K. Zugmann-Weber den 1. Internationalen donauschwäbischen Kongress im oberösterreichischen Ort Marchtrenk veranstaltet.
Ich war der Einladung von Frau Zugmann-Weber gefolgt und nahm als Vertreterin des Bundesvorstands der Landsmannschaft der Banater Schwaben und als Vertreterin der HOG Schöndorf an der dreitägigen Veranstaltung teil. Zur Tagung waren 430 Personen aus Entre Rios (Brasilien), den USA, Serbien, Ungarn, Rumänien, Deutschland und Österreich gekommen. Etwa 25 Personen waren dabei, die noch „drhom“ geboren sind. Vom Alter her waren diese alle selbstverständlich über 80. Angeblich war sogar eine 99-Jährige dabei.
Das Grußwort des oberösterreichischen Landeshauptmanns Thomas Stelzer überbrachte die Kulturdirektorin Margot Nazzal. Der EU-Abgeordnete
Hannes Heide sprach von der Bedeutung der Thematik der Vertreibung im Rahmen der europäischen Kulturhauptstädte. Caritasdirektor Franz Kehrer erinnerte an die harte Not der Flüchtlinge im vom Krieg schwer mitgenommenen Österreich und an die vielen Hilfestellungen christlicher Vereine und Kirchen in der Zeit der großen Unsicherheit bis 1954.
Die Präsidentin des Frauenverbandes des Bundes der Vertriebenen Dr. Maria Werthan betonte in ihrem Grußwort die Wichtigkeit der Kulturpflege und lobte die Initiative zu diesem einmaligen Kongress. Auch der Direktor des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm Dr. Tamás Szalay war als Teilnehmer zum Kongress gekommen.
Die Donauschwaben aus den USA waren durch den Chicago-Delegierten Rich Toth vertreten, Entre-Rios durch Elke Zuber-Leh und Karin Leh. Aus Serbien kamen die Mitveranstalter vom Verein St. Gerhard. Aus Ungarn waren Vertreter des Ungarndeutschen Zentrums in Baja anwesend. Aus Deutschland war auch Jürgen Harich gekommen, Präsident des Weltdachverbands der Donauschwaben und Bundesvorsitzender der Donauschwaben in Deutschland. Auch das Donauschwäbische Kulturzentrum München-Haar war mit seiner Geschäftsführerin Gabriele Schilcher vertreten. Evi Hübner vertrat die Donauschwaben in Bayern.
Das umfangreiche und gut strukturiere Programmheft ließ im Vorfeld auf eine interessante und abwechslungsreiche Veranstaltung hoffen, dies bestätigte sich. In den drei Tagen gab es elf Vorträge mit hochkarätigen Referenten und Referentinnen zu Themen wie Geschichte, Psychologie und zur transgenerationalen Weitergabe von Traumata. Angefangen von den geschichtlichen Aspekten der Ansiedlung der Deutschen in Südosteuropa, den Wirren des Krieges und der Flucht, bis zur psychischen Verarbeitung des Traumas durch das erlittene Leid. Die Übermittlung und Pflege der Kultur sowie dem Heute, Hier und Jetzt der Integration in der neuen Heimat galt ein besonderes Augenmerk. Es war von allem und für jeden etwas dabei.
Am Freitag fand ein „Vernetzungsabend“ statt, der von Maria Zugmann-Weber geleitet wurde. Mit verschiedenen Fragen: „Wer ist unter 45 Jahre alt?“, „Wer ist unter 65 Jahre alt?“ und so weiter gruppierte man sich in einer zugeteilten Ecke und konnte sich dort kurz miteinander austauschen. Anschließend ging es weiter mit der nächsten Frage: „Wer kommt aus dem serbischen, wer aus dem rumänischen oder ungarischen Banat?“ Wieder fanden sich andere Menschen zusammen. Aus dem rumänischen Banat waren leider nicht sehr viele da, immerhin fünf Personen aus Schöndorf und noch einige dazu.
Weitere Fragen: „Wer hat bei der Flucht und Vertreibung Familienmitglieder verloren? – weniger als 10, weniger als 20 usw. Erschreckenderweise waren Teilnehmer dabei, die sehr viele Familienmitglieder verloren hatten. Die Banater Schwaben aus Rumänien waren im Vergleich noch gut davongekommen. Eine Frage war: „Wer versteht und spricht Schwowisch?“, „Wer versteht nur, spricht aber nicht?“ oder „Wer kann beides nicht?“ Durch diese Fragen kam man ungezwungen und locker mit den anderen Teilnehmern ins Gespräch.
Außer den Vorträgen luden 26 Workshops zu Handwerk, Küche, Geschichte, Psychotherapie usw. zur persönlichen Auseinandersetzung mit den Themen ein. Zusammen mit meinem Vorstandskollegen der HOG Schöndorf Günther Gehl waren wir Referenten eines Workshops zum Thema: „Die Kunst des Flechthandwerks“. Mein Heimatort Schöndorf ist bekannt als das Dorf des Korbflechtens. Im September 1944 flüchteten einige Schöndorfer nach Oberösterreich und führten das Handwerk in der neuen Heimat weiter. Die Korbflechterei der Familien Huck und Krämer in Pinsdorf war bei den Schöndorfer Nachkommen ein Begriff und es gab einen regen Austausch der Erinnerungen. Einige Nachkommen der Familien Krämer, Pfister und Seidl der ersten und zweiten Generation mit Schöndorfer Wurzeln waren zu meiner Freude an diesem Wochenende in Marchtrenk dabei. Der Bezug zu Schöndorf entstand durch den Obmann der Donauschwaben in Oberösterreich Paul Mahr, der zugleich auch Bürgermeister der Stadt Marchtrenk ist.Einige Nachkommen der ersten und zweiten Generation mit Schöndorfer Wurzeln waren zu meiner Freude an diesem Wochenende in Marchtrenk dabei. Der Bezug zu Schöndorf entstand durch den Obmann der Donauschwaben aus Oberösterreich, Paul Mahr, der zugleich auch Bürgermeister der Stadt Marchtrenk ist. Er stammt väterlicherseits aus Schöndorf. Sein Vater war im September 1944 als 7-Jähriger mit der Mutter und weiteren Geschwistern nach Oberösterreich geflüchtet. Mit dem Bezug zu Schöndorf war es mir eine besondere Ehre, einen kleinen Beitrag zum Kongress zu leisten.
Zum Höhepunkt der Veranstaltung wurde das Ritual: „80 Bäume pflanzen für 80 Jahre Leben in der neuen Heimat“, zu dem Bürgermeister Paul Mahr die internationalen Teams einlud – verbunden mit dem Gedenken an Opfer wie Täter und mit der Bitte um Frieden und Freiheit für alle Menschen.
Der „Schwowische Owad“ am Samstag war mit mehr als 240 Gästen sehr gut besucht und erfreute die Gäste durch ein abwechslungsreiches Programm. Dabei wurden u.a. schwowische Lieder gesungen. Tänze „vun drhom“ führten die Jugendtanzgruppe des Bildungszentrums in Frankenstadt/Baja und die Trachtengruppe Pasching vor. Humorvolles in Mundart sorgte für gute Stimmung im Publikum und natürlich durften auch schwowische Mehlspeisen nicht fehlen.
Um das Ankommen in Österreich ging es am Sonntagvormittag. Neben Ausführungen von Brunhilde Scheuringer zum Jägerplan stand der Vormittag im Zeichen der künstlerischen Auseinandersetzung mit den Themen „Flucht“ und „Ankommen“. Angela Flam performte Ausschnitte aus den Erzählungen von Alois Brandstetter. Dorothea Steinlechner-Oberläuter und Michael Schreckeis trugen die Erzählungen von Karl Markus-Gauß, der aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen musste, sehr berührend vor.
An allen drei Tagen war der Kongresssaal in Marchtrenk immer sehr gut besucht. Sogar die Gäste aus Serbien und Ungarn mit einer längeren Anreise traten erst am Sonntagmittag nach Ende der Veranstaltung die Rückreise an. Sowohl die inhaltliche Konzeption, als auch die Organisation vor Ort brachte den Veranstaltern viel Lob ein. Die Versorgung mit Speisen und Getränken erfolgte durch den Siedlerverein Marchtrenk. Die Hauptorganisatorin Maria Zugmann-Weber erhielt mit ihrem Helferteam zum Abschluss sehr viel Applaus. Zur Erinnerung wurde anlässlich des Jubiläums eine Sonderedition Briefmarken mit donauschwäbischen Motiven herausgebracht.
Als Fazit kann man sagen: Dieses Veranstaltungsformat trifft den Nerv der zweiten Generation der Donauschwaben. Das große Interesse hat viele überrascht. Die Rückmeldungen zeigen, dass die Teilnehmer „viel mitnehmen“ konnten. Das Treffen hat sich als zeitgemäßes Modell für donauschwäbische Kultur- und Geschichtsvermittlung erwiesen und wird hoffentlich eine Fortsetzung finden.