Am 17. Oktober 2024 wurde im Rathaus von Sindelfingen die Ausstellung „In Lagern“ eröffnet. Diese umfassende Präsentation besteht aus zwei Wechselausstellungen, die vom 16. Oktober bis zum 2. Dezember sowohl im Rathaus als auch im Haus der Donauschwaben stattfinden. Beide Ausstellungen widmen sich dem bedeutenden Thema Flucht und Vertreibung und werden vom Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung gestaltet.
Hintergrund und Bedeutung
Das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung, wurde am 21. Juni 2021 mit einem Festakt in Anwesenheit der Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie der Beauftragten für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters, eröffnet und am 23. Juni 2021 der Öffentlichkeit übergeben. Dieses Zentrum hat sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichten der rund 12 bis 14 Millionen Deutschen zu dokumentieren, die in den Ostgebieten des Deutschen Reiches und in Osteuropa von Flucht und Vertreibung betroffen waren.
Inhalt der Ausstellung
Die Ausstellung „In Lagern“ geht über die bloße Darstellung von Fakten hinaus. Sie versucht, die komplexen emotionalen und sozialen Dimensionen der Erfahrungen der Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs zu erfassen. Die Ausstellung im Rathaus beleuchtet die Schicksale deutscher Minderheiten im östlichen Europa von 1941 bis 1955 mit dem Blick auf deren systematischer Vertreibung und ihre Internierung.
Die Ausstellung wurde im festlichen Rahmen von Markus Nau, Kulturamtsleiter der Stadt Sindelfingen und Raimund Haser MdL, Vorsitzender des Hauses der Donauschwaben, eröffnet und musikalisch von einer Trompetenspielerin umrahmt.
Am Rande der Eröffnung der Ausstellung wurde auch die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt Sindelfingen und dem Haus der Donauschwaben sowie die Patenschaft der Stadt über das Haus thematisiert. Raimund Haser sagte, dass die Geschichte der Donauschwaben auch ein Teil der Geschichte der Stadt sei, da viele der Bewohner donauschwäbisches Erbe hätten. Er erwähnte auch die Rolle der Donauschwaben beim Wiederaufbau der Region und dankte für die ständig erfahrene Unterstützung seitens der Stadt Sindelfingen. Er lud die Gäste herzlichst ein, die Ausstellung zu besuchen.
Zentrale Aspekte der Ausstellung
Persönliche Schicksale: Die Ausstellung präsentiert weniger Fotos, dafür umso mehr individuelle Erlebnisse von Betroffenen, die die Geschichte greifbar machen. Briefe und Tagebucheinträge geben Einblick in das Leben in den Lagern und den verzweifelten Kampf um Normalität. Diese persönlichen Erzählungen ermöglichen es den Besuchern, sich emotional mit den Erlebnissen der Menschen auseinanderzusetzen. Vertreibungen und Flucht: Viele Menschen wurden gewaltsam aus ihren Heimatländern vertrieben, oft unter brutalsten Bedingungen. Familien mussten ihre Häuser und ihr Hab und Gut zurücklassen und sich in unbekannte Gebiete begeben. Diese Flucht war geprägt von Angst, Ungewissheit und Verlust. Viele verloren während der Flucht Angehörige und wurden Zeugen oder gar Opfer von Gewaltvergehen und sogar Mord.
Die alliierten Militärregierungen brachten die Flüchtlinge und Vertriebenen in Lagern, Notquartieren oder bei Privatfamilien unter und nicht selten gab es Schwierigkeiten im Zusammenleben zwischen den Einheimischen und den zugezogenen Vertriebenen.
Bei der ersten Volkszählung im Oktober 1946 wurden 9,6 Millionen Flüchtlinge gezählt, was die enormen Herausforderungen der Nachkriegszeit verdeutlicht. In vielen Regionen führte die plötzliche Zunahme von Flüchtlingen zu sozialen Spannungen, es entstand ein hoher Bedarf an Unterstützung und Integration.
Fazit
Die Ausstellung „In Lagern“ bietet eine wertvolle Gelegenheit, sich die komplexen und oft schmerzhaften Geschichten von deutschen Zivilisten während des Zweiten Weltkriegs zu vergegenwärtigen. Sie ermutigt die Besucher, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und Lehren für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen. In einer Zeit, in der Flucht und Vertreibung weltweit aktuelle Themen sind, bleibt das Gedenken an diese historischen Ereignisse von großer Bedeutung.
Die beiden parallelen Ausstellungen, „Lager“ im Sindelfinger Rathaus wie auch „Erzwungene Wege“ im Haus der Donauschwaben wurden federführend von Astrid Paul vom Haus der Donauschwaben und dem Kulturamtsleiter der Stadt Sindelfingen Markus Nau durchgeführt und vom Zentrum gegen Vertreibung gestaltet.
Flucht und Vertreibung bedeuten nicht nur das Verlassen eines Ortes, sondern auch den Verlust von Wurzeln, Gemeinschaft und Identität. In jedem Leben, das entwurzelt wird, liegt das Potenzial für Hoffnung und Sehnsucht nach einer neuen Heimat.