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Stimmen zum Ende des Schubert-Chors

Christine Neu im Gespräch mit Walter Berberich vor der Ausstellung zur Geschichte des Schubert-Chors. Foto: Cornel Simionescu-Gruber

Für den Abschiedsauftritt beim Chortreffen hatte Christine Neu im Vorfeld mit ehemaligen Chorleitern und langjährigen Chorsängern gesprochen, um herauszufinden, was denn so „besonders“ an diesem Chor ist, wieso er sich über so viele Jahre halten konnte und wie er auch noch die Kraft fand, sich in Deutschland wieder zu gründen – ungeachtet der Tatsache, dass die Chormitglieder überall verstreut lebten und ein regulärer Chorbetrieb von Anfang an ausgeschlossen war.

Gründungsmitglied Herbert Weiss, der die Leitung des Chors mit 26 Jahren übernommen hatte, erinnerte sich vor allem an die „tolle Gemeinschaft“ damals meist junger Leute in diesem Chor, aus der im Laufe der Jahre feste Freundschaften und auch etliche Ehen hervorgegangen sind. Langjährige Chorsänger sagen Herbert Weiss nach, er habe durch sein „gutes Händchen“ bei der Führung des Chors diesen „Geist des Miteinanders“ wesentlich geprägt. Nach dessen Ausreise im Jahr 1976 übernahm der inzwischen verstorbene Matthias Schork die Leitung des Schubert-Chors, ihm folgte 1979 Adrian Nucă-Bartzer, Enkel des Hatzfelder Komponisten Emmerich Bartzer. Kurz vor dessen Ausreise im Jahr 1983 übernahm Franz Metz, dem zwei Jahre später Damian Vulpe folgte.

Franz Metz erinnert sich, wie wichtig die Chorgemeinschaft für die kulturelle Identität der Deutschen war. Die Auftritte in den Dörfern und die Fahrten nach Siebenbürgen seien auch prägend gewesen für die „gute junge Gemeinschaft“, die damals vom deutschsprachigen Kulturbetrieb und insbesondere durch Nikolaus Berwanger große Unterstützung und rückhaltlose Förderung fand. Nicht nur moralisch, sondern auch im praktischen Alltag – wenn es zum Beispiel darum ging, Diesel für den Bus zu beschaffen, wenn eine Ausfahrt anstand.

Damian Vulpe kennt die Abschiedsstimmung, denn er war der Dirigent, als der Chor in Rumänien im Januar 1988 aus Mangel an Mitgliedern seine Probentätigkeit einstellen musste. „Im Leben wird mehr aufgelöst als gegründet“, gab er dem Chor mit auf den Weg. Er riet den Chorsängerinnen und Sängern, nicht mit dem Singen aufzuhören, denn das sein Balsam für die Seele. Und er äußerte den Wunsch: „Möge der Geist des Chors weiterleben.“

Der „Geist“ dieses Chors hat sich als sehr zäh erwiesen. Die vielen ausgesiedelten Chorsänger fanden sich auf Initiative und mit Unterstützung des damaligen Landesvorsitzenden Bayern der Landsmannschaft Peter Krier im Jahr 1985 wieder zusammen und gründeten den Schubert-Chor unter der Leitung von Adrian Nucă-Bartzer neu. „Es ist ein dreifaches Wunder“, gab der langjährige Chorsänger und Verwalter des Chor-Archivs Walter Berberich der Interviewerin Christine Neu zu Protokoll. „Ein Wunder, dass der Chor zu den damaligen Gegebenheiten in Rumänien überhaupt gegründet wurde. Ein Wunder, dass er sich trotz der Auswanderungswelle so lang in Rumänien halten konnte. Und ein Wunder, dass er in Deutschland wieder zusammengefunden hat, obwohl die Chorsänger heute in alle Winde zerstreut sind.“

Adi Nucă-Bartzer konnte sein Verhältnis zum Chor nicht in einem Satz beschreiben, weil sein Herz „zu voll“ dazu wäre: „In einem einzigen Satz muss so vieles ungesagt bleiben.“ Es sei aber „ein ganz besonderer Chor, der es geschafft hat, Grenzen wie durch Osmose zu überwinden und bis heute seiner Herkunftskultur treu zu bleiben.“ Helmine Buchsbaum, die in den letzten Jahren viel an organisatorischer Arbeit für den Chor übernommen hatte, brachte auf den Punkt, was sie mit dem Schubert-Chor über die Jahre verbunden hat: „Singen, Gemeinschaft, persönlicher Halt und Freundschaft.“

Der komplette Werdegang des Chors ist mit vielen Illustrationen auch in einer Broschüre zusammengefasst, die, von Walter Berberich akribisch dokumentiert, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums als Festschrift herausgegeben worden ist.

In seinem Grußwort hatte der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber den Chor damals als „klingendes Aushängeschild unserer Gemeinschaft“ bezeichnet. Auch in der Videobotschaft, mit der er den Chor verabschiedete, sprach er von der besonderen Rolle, die dieser Chor über Jahre für das kulturelle Selbstverständnis der Banater Deutschen gespielt habe. Chorleiter Adi Nucă-Bartzer, der aus seinem Abschiedsschmerz keinen Hehl machte, bedankte sich nach dem Konzert mit einem herzlichen Schreiben bei Peter-Dietmar Leber und bei der Landsmannschaft, die sich immer sehr hilfsbereit gezeigt und dem versprengten Chor immer wieder die Möglichkeit geboten hatte, vor Publikum aufzutreten. „Ohne den Rückhalt der Gemeinschaft hätten wir es nie geschafft, uns so lange als Chor zu halten“, zeigte er sich überzeugt.

Bei aller Wehmut bleibt das Gefühl, dass dieser Chor ein Stück Kulturgeschichte des Banats bleibt.