Erst kurz vor dem Heimattag erschien in der Publikationsreihe der Landsmannschaft (Banater Bibliothek 26) der Dokumentationsband: „Flucht der Deutschen aus dem Banat im Herbst 1944“. Es handelt sich um Erzählberichte von Zeitzeugen, für deren Herausgabe Albert Bohn, Werner Kremm und Anton Sterbling zeichnen.
Dass das Thema kein Schnee von gestern ist und großes Interesse hervorruft, zeigte sich bei der Buchpräsentation am Rande des Heimattags. Der vorgesehene Raum war viel zu klein, weshalb zuerst einmal umgezogen werden musste, bevor die anwesenden Herausgeber Werner Kremm und Anton Sterbling zusammen mit Peter-Dietmar Leber das Buchprojekt ausführlich vorstellen konnten.
Werner Kremm, der sich schon länger mit dem Thema beschäftigt hatte, sah mit dem 80. Jahrestag der Ereignisse in diesem Jahr den Anlass gekommen, den geschätzt 35.000 Banater Geflüchteten eine Stimme für ihre Erlebnisberichte zu geben. Anstoß waren für ihn die Fluchtgeschichten aus der eigenen Familie, dazu hatte er bereits vor Jahren weitere gesammelt und zum 70. Jahrestag in einer Serie in der Banater Zeitung in Temeswar veröffentlicht, wo er bis heute Redakteur ist. Für den 80. Jahrestag wurde ein Aufruf in der Banater Post geschaltet, um an Fluchtgeschichten zu kommen. Toni Enderle aus Perjamosch, der bei der Veranstaltung zugegen war, hatte sich als guter Lieferant von Geschichten erwiesen, denn in Perjamosch hatte eine große Fluchtbewegung stattgefunden, über die der HOG-Vorsitzende Enderle recherchiert hatte.
Dem Soziologen und erfahrenen Buchautor Anton Sterbling kam bei dem Projekt eher die Redaktionsarbeit zu. Keine einfache Aufgabe, wie er schilderte. Trotz erkennbarer Widersprüche in manchen Texten wurde der Authentizität Vorrang gegeben. Rückfragen wären oft hilfreich gewesen, waren aber in den meisten Fällen nicht mehr möglich. Für den nötigen historischen Rahmen der subjektiven Erzählungen sorgte der Historiker Josef Wolf in einer Einführung. Da dieses Thema bisher in der historischen Forschung kaum beachtet wurde, erwiesen sich seine Recherchen als schwierig und langwierig, letztlich ist das Vorwort eher der Versuch einer objektiven Einschätzung der subjektiven Fluchterlebnisse.
Um die Forschungslücke zu füllen, haben die Herausgeber einen zweiten Band geplant, in dem sich Josef Wolf intensiv den historischen Umständen der Fluchtbewegungen widmen soll – es gab einerseits von der Wehrmacht organisierte Flüchtlingstrecks, andererseits spontane Fluchtbewegungen einzelner Familien innerhalb der Dorfgemeinschaft. Doch die Gesetzmäßigkeit oder gesetzliche Grundlage dafür liegt oft noch im Dunkeln.
Peter-Dietmar Leber schilderte abschließend seine persönlichen Eindrücke nach Lektüre der Fluchtgeschichten: Erstens fällt die herausragende Rolle der Frauen auf, die die Flucht organisierten und auch die Entscheidung dafür oder dagegen treffen mussten, da die Männer zumeist noch im Krieg waren. Und dann scheint es auch entscheidend für das Befinden der Flüchtlinge gewesen zu sein, wie sich das Verhältnis zur Aufnahmefamilie gestaltete.
Die Schlange derer, die nach der Präsentation ein Buch erwerben und signieren lassen wollten, war beeindruckend und brachte die Erkenntnis, dass das mitgebrachte Kontingent bei weitem nicht ausreichte und eine Versandliste erstellt werden musste.