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Ein Schwabenland im Kleinen

Dennis Schmidt (19) aus Ludwigshafen absolviert derzeit ein Praktikum in der

Donauschwabensiedlung Entre Rios in Brasilien.

Seit Mitte Januar weilt Dennis Schmidt in der Donauschwaben-Siedlung Entre Rios in Brasilien, wo er ein dreimonatiges Praktikum bei der Genossenschaft Agrária absolviert. Der Neunzehnjährige wohnt in Ludwigshafen am Rhein und hat 2012 sein Abitur am Max-Planck-Gymnasium in Friesenheim gemacht. Er gehört dem Vorstand der Heimatortsgemeinschaft Glogowatz an und engagiert sich zudem im politischen und kirchlichen Bereich. Dennis Schmidt hat uns folgenden Beitrag aus Entre Rios zugesandt:

Entre Rios, ein Distrikt der Gemeinde Guarapuava im Bundesstaat Paraná im Südosten Brasiliens, zählt zu den jüngsten Ansiedlungen deutschstämmiger Volksgruppen in Südamerika. Gegründet wurde die Gemeinde 1951, also wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, von rund 2500 in Europa infolge des Krieges entwurzelten Donauschwaben. Diese kamen aus dem Banat, aus der Batschka, aus Syrmien und Slawonien. Hier, zwischen den Flüssen Rio Jordão und Pinhão (deshalb die Bezeichnung Entre Rios) hatten sie mit Unterstützung der Schweizer Europahilfe, der brasilianischen Bundesregierung und der Staatsregierung von Paraná eine neue Heimat gefunden. Träger des Siedlungswerks ist die Cooperativa Agrária Agroindustrial.

Die meisten Donauschwaben waren vor dem Krieg Landwirte. Diese bäuerliche Identität wollten sich die Siedler bewahren, indem sie eine landwirtschaftliche Genossenschaft gründeten. Dies ermöglichte ihnen, ihren Lebensunterhalt erneut aus der Landwirtschaft zu bestreiten. Heute sind in dieser Genossenschaft die meisten Landwirte der fünf Dörfer Cachoiera, Jordaozinho, Samambaia, Soccoro und Vitoria organisiert. Angebaut werden vor allem Mais und Weizen, aber auch Soja, Gerste und Hafer. Insgesamt zählt die Agrária fast 600 Mitglieder und ist mit über tausend Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber der Gegend und der größte Malzproduzent Südamerikas.

Die donauschwäbische Tradition wird in Entre Rios groß geschrieben, das habe ich in den vergangenen Wochen mittlerweile erfahren. Und schätzen gelernt. Zu meinen Beschäftigungen neben dem Praktikum gehört es nämlich auch, mich mit der Kultur der ausgewanderten Landsleute auseinanderzusetzen. In Entre Rios zeigt sich, dass sich Brauchtum und Sprachen in fremden Ländern am besten erhalten. Interessant ist vor allem, dass man hier heute noch mit vielen Menschen „schwowisch“ sprechen kann oder mitbekommt, wie Leute auf der Straße ihren donauschwäbischen Dialekt pflegen. Das ist echt, das ist gelebte Tradition und keine Touristenshow.

Geschützt werden Traditionen und Brauchtum insbesondere von der   Donauschwäbisch - Brasilianischen Kulturstiftung, deren Ziel es ist, die traditionelle donauschwäbische Kultur zu erhalten und zu verbreiten und in die Kultur des neuen Heimatlandes Brasilien einzubringen, sich aber zugleich intensiv mit der einheimischen Kultur zu beschäftigen. Im Kulturzentrum „Mathias Leh“ sind unter der Koordination der Kulturstiftung alle Instrumental-, Theater-, Chor- und Tanzgruppen zusammengefasst. Ebenso strahlt der Radiosender von hier zweimal täglich die „Deutsche Stunde“ aus. Das Tanzen liegt den meisten Donauschwaben im Blut und spielt im sozial-kulturellen Leben in Entre Rios eine wichtige Rolle. Die Kinder-, Jugend-, Erwachsenen- und Seniorentanzgruppe haben insgesamt 330 aktive Mitglieder.

Es ist schön zu sehen, wie sich die Donauschwaben fern der alten Heimat eine neue Existenz aufgebaut haben und ihre Kultur und Sprache bewahren. Ob bei Bohnensuppe mit Pfannkuchen, bei Schmarren oder gefüllter Paprika, ob bei selbstgebrautem Bier oder selbstgebranntem Schnaps fühlt man sich als Donauschwabe hier in Entre Rios heimisch.