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Auf Tarzans Spuren durch die Welt (Teil 2)

Johnny Weissmüller in typischer Pose als Tarzan. Foto: picture alliance/dpa/Gustav Unger

In Hollywood, wo die Tarzan-Filme mit Weissmüller gedreht wurden, befindet sich sein Stern auf dem Walk of Fame. Fotos: Helmut Heimann

Künstlicher Wasserfall an der Brooklyn Bridge, von der Weissmüller als Tarzan sprang. Fotos: Helmut Heimann

Tarzans Spuren begegneten wir zu Land und zu Wasser. Vor allem in letzterem war er in seinem Element – sowohl als Schwimmer als auch als Tarzan, der oft mit Krokodilen und anderen Raubtieren kämpfte. Doch wie wurde Weissmüller eigentlich zum Tarzan? Erfunden hat die Figur, die in der Sprache der Eingeborenen „Weißhaut“ heißt, der Amerikaner Edgar Rice Burroughs, als er 1912 eine Geschichte über den Urwaldmenschen schrieb.

Nachdem Johnny Weissmüller 1929 mit dem Schwimmen aufhörte, ging er auf Empfehlung seiner Berater zunächst als Werbemodel für Bademode nach Hollywood. Dort wurde nach sieben mäßig erfolgreichen Tarzan-Filmen ein Spitzensportler für die Hauptrolle gesucht, zumal das Zeitalter der Tonfilme begann. Dabei fiel die Wahl auf Weissmüller. Regisseur Cyril Hume hatte den Olympiahelden im Swimmingpool eines Hotels entdeckt, das wir 86 Jahre später auf einer unserer Reisen sehen sollten. Als der Filmemacher Johnnys mächtigen Brustkorb erblickte, rief er aus: „So einer ist selbst von einem echten Orang-Utan nicht zu schlagen. Sie sind mein Tarzan!“

Um seine bescheidene Herkunft zu übertünchen, musste der neue Tarzan-Darsteller einen von der Filmindustrie maßgeschneiderten Lebenslauf bekommen. Dabei nachgeholfen hat Johnny selbst. So hieß es, sein Vater sei in Rijeka Marineoffizier des Kaisers Franz Joseph gewesen und von dort mit der Familie in die USA ausgewandert. Selbst die Organisatoren der europäischen Kulturhauptstadt 2020 Rijeka verbreiteten diese Mär, und bundesdeutsche Medien wie der Berliner „Tagesspiegel“ oder „Forum. Das Wochenmagazin“ aus Saarbrücken haben sie ungeprüft übernommen. Auch die kroatischen sozialen Netzwerke sind voll davon. Anlässlich unserer Kreuzfahrt durch die Adria (siehe Banater Post, Nr. 19 vom 5. Oktober 2021) habe ich recherchiert und herausgefunden, dass das ein großer Bluff ist. „Es gibt keinen Unsinn, den man der Masse nicht durch geschickte Propaganda mundgerecht machen könnte“, erkannte der britische Philosoph Bertrand Russell.

Ab 1932 wurden mit Johnny Weissmüller in der Hauptrolle zwölf Tarzan-Filme in sechzehn Jahren gedreht. Er ließ sich das Haar lang wachsen und erlangte Berühmtheit durch seinen markerschütternden Schrei, wenn er sich im Urwald in seinem knapp geschnittenen Lendenschurz aus Leopardenfell von Liane zu Liane schwang. Entwickelt hatte er den mit Jodeln veredelten Schrei selbst. Er soll als Kind im donauschwäbischen Viertel Northside in Chicago, wo vorwiegend Banater Schwaben lebten und seine Mutter Elisabeth im von Deutschen geführten Turnverein als Köchin arbeitete, an Jodelwettbewerben teilgenommen haben. An den Schrei kann ich mich noch gut erinnern, weil ich die Tarzan-Filme mit Weissmüller in den 70er Jahren samstags vor der Nachrichtensendung „Telejurnal“ im rumänischen Staatsfernsehen gesehen habe.

Zum ersten Mal stießen wir 1998 in der Karibik auf Tarzans Spuren. Kuba – das ist Mojito, Salsa, Cuba libre, Fidel, Zigarren, Che, heiße Sonne, schöne Frauen und flotte Rhythmen. Die ganze Insel vibriert vor Musik und scheint eine riesige Konzertbühne zu sein. An allen Ecken und Enden erklingt „Guantanamera“, das Lied über das bezaubernde Mädchen aus Guantanamo. Wir hörten es während unserer Rundreise durchs ganze Land, besonders in der Hauptstadt Havanna. Dort erhebt sich das Nobelhotel Nacional majestätisch über der weltberühmten Uferpromenade Malecón am Atlantik. Es hat acht Stockwerke und bietet einen magischen Ausblick auf den Hafen. Wir schlenderten in dem Bau mit seiner Mischung aus Art-Déco- und neoklassizistischen Elementen sowie maurischen Fliesen durch die Ruhmeshalle. Plötzlich erblickten wir in der Gallery-Bar Weissmüller auf einem riesigen Foto rechts oben an der Wand, daneben Hollywoodstar Gary Cooper, darunter der Boxweltmeister im Schwergewicht Jack Dempsey neben dem legendären Mafiaboss Meyer Lansky. Auch andere weltberühmte Persönlichkeiten wie Marlon Brando, John Wayne, Marlene Dietrich, Buster Keaton, Frank Sinatra oder Ernest Hemingway haben hier übernachtet. Weissmüller besuchte das 1930 eröffnete Hotel während der Zeit, als er im nahen Florida die Tarzan-Filme drehte. Er beeindruckte die Angestellten, indem er aus einem Fenster im zweiten Stock in den darunter liegenden Swimmingpool sprang und dabei seinen furchterregenden Urwaldschrei ausstieß.

Tarzan kam oft zum Golfen nach Kuba. Dabei geriet er kurz nach der Revolution in eine Guerillakontrolle. Die bärtigen Revolutionäre in ihren olivgrünen Uniformen kannten kein Englisch. Deshalb stieß Johnny seinen weltbekannten Schrei aus, trommelte dabei mit den Fäusten auf die Brust. Und schon wussten Fidel Castros Guerilleros, um wen es sich handelte. Sie baten ihn um Autogramme und geleiteten ihn ins Hotel.

Weissmüller war nicht der einzige Freidorfer auf Kuba. Der 1891 im Temeswarer Vorort geborene Mathias Schmal wanderte nach Amerika aus, und da die USA wegen Überfüllung die Einwandererschiffe nach Kuba umleiteten, verschlug es ihn auf die Antilleninsel, wo er auf Zuckerrohr- und Tabakplantagen arbeitete. Er schlug sich mehr schlecht als recht durch und kehrte ins Banat zurück. Dort heiratete er nach Großjetscha, wo er den Spitznamen Kuba-Matz bekam. Eine Gewohnheit hat er aus der fernen Karibik mitgebracht. Bis ans Lebensende drehte er sich die Zigaretten selber. Nicht selten sagte er voller Stolz: „Ich bin wie Tarzan Freidorfer.“

Auf Kuba fühlte ich mich an meine Kindheit in Großjetscha erinnert – durch den dumpfen, sauren, für mich lieblichen Geruch der Abgase von vielen alten Autos. Es roch genauso wie das Motorin einst im Banat. Umweltverschmutzung ist ein Fremdwort auf Kuba. Ab und zu atme ich diesen unvergesslichen Geruch auch in Deutschland noch ein. Da genügt es, wenn ich „Kuba“ sage – und schon weiß Gerti schmunzelnd, was ich meine.

Herrliche Strände gibt՚s nicht nur auf Kuba, sondern auch auf Hawaii. Einer davon gehört zu den berühmtesten der Welt. Sein Name klingt wie Musik – Waikiki. Das bedeutet „sprudelndes Wasser“. Der Strand ist künstlich aufgeschüttet, der Sand weiß, die Luft seidig, der Pazifik blau und unendlich weit. Lange vor uns räkelte sich Weissmüller im samtenen Sand von Waikiki. Nur hatte er nicht so viel Ruhe wie wir, weil er ständig von Autogrammjägern umlagert war. Wir dagegen genossen die pazifische Brise, das sanfte Rascheln der Palmen, atmeten eingelullt vom leisen Plätschern des Stillen Ozeans seinen herben Duft und den lieblichen der vielen Blumen ein. Wärme gab՚s mehr als genug, aber nicht weil Familie Sonnenschein aus Düsseldorf neben uns lag. Der richtige Sonnenschein liebkoste unsere Haut. Aloha nonstop und überall…

Achtzig Jahre vor uns war Weissmüller mehrmals hier. Er wollte auf Hawaii gegen seinen schärfsten Schwimmkonkurrenten Duke Kahanamoku antreten, der vor ihm Weltrekordhalter über 100 Meter Kraul und Olympiasieger war. Doch der in Honolulu geborene Herzog kniff und meldete sich krank. In der hawaiianischen Hauptstadt haben wir seine Statue unweit des lebhaften Waikiki-Strandes gesehen. Zeit dazu hatten wir mehr als genug. Denn nur zwei Tage nach unserer Ankunft wurde der Anschlag am 11. September 2001 aufs World Trade Center in New York verübt. Da Hawaii zu den USA gehört, sperrten die Sicherheitsbehörden auch den Flughafen von Honolulu, und wir mussten zwei Tage länger auf der Hauptinsel Oahu bleiben. Unser Hopping über vier Inseln war unterbrochen, wir kamen zu spät auf Big Island an und verpassten einen Ausflug auf den 4205 Meter hohen Vulkan Mauna Kea, um auf seinem Gipfel in einem Observatorium mit Spiegelteleskopen den weltweit besten Blick auf den sagenhaften Sternenhimmel Polynesiens zu genießen. Hawaii ist ein Eckpunkt des Polynesischen Dreiecks, die beiden anderen sind Neuseeland und die Osterinsel, diese haben wir ebenfalls besucht.

1957 sah Weissmüller in Honolulu den Weltrekord der Australierin Dawn Fraser auf seiner Lieblingsstrecke 100 Meter Freistil. Über Fraser hatte ich als Kind ebenfalls im Buch „Schicksalsstunden des Sports“ gelesen. Weissmüller war der erste Mann, sie die erste Frau, die auf dieser Distanz unter einer Minute blieben.

Von Hawaii bis zum amerikanischen Festland sind es knapp 4000 Kilometer. Wir haben es zweimal besucht – einmal die Ostküste, zehn Jahre später die Westküste. Und vielerorts begegneten wir auch dort den Spuren von Johnny Weissmüller. Wie 2008 in New York, wo man vor lauter Wolkenkratzern kaum den Himmel sieht. Dafür haben wir Miss Liberty gesehen, die Lady in Grün. Während einer mehrstündigen Bootsfahrt mit der „Circle Line“ kamen wir der Freiheitsstatue ganz nahe, dem Freiheitssymbol des Einwanderungslandes USA.

Wie viele Landsleute haben sie auch die Eltern von Johnny Weissmüller bei ihrer Ankunft in den USA erblickt. Er selbst wohl kaum, da er damals erst knapp acht Monate alt war und nach zwölf anstrengenden Tagen Überfahrt auf dem Atlantik friedlich in den Armen seiner Mutter schlummerte. Was haben sich unsere vielen Landsleute beim Anblick der Freiheitsstatue wohl gedacht? Würden ihre Wünsche nach einem besseren Leben fernab der geliebten Heimat in Erfüllung gehen?

Bei Johnnys Eltern sollte es nicht der Fall sein. Der Vater wurde in Amerika zum Alkoholiker, schikanierte die Familie, seine Frau ließ sich scheiden. Er heiratete später wieder eine Banater Schwäbin. Für den kleinen Johnny jedoch wurden die USA zur Goldgrube. Bester Schwimmer der Welt, bekanntester Tarzan-Darsteller aller Zeiten – Banater Schwabenherz, was willst Du mehr?