Am 15. Januar, anlässlich des Tags der Nationalen Kultur, wurden im Foyer des Rathauses der Stadt Sanktanna Medaillons herausragender Sanktannaer Persönlichkeiten enthüllt. Die Medaillons in Flachrelief sind ein Werk des Bildhauers Dumitru Paina und aus armiertem Gips ausgeführt. Damit würdigt die Stadt Sanktanna auf Initiative ihres Bürgermeisters Daniel Sorin Tomuta bedeutsame Persönlichkeiten, die aus Sanktanna und der dazugehörigen Ortschaft Caporal Alexa (vormals Cherechiu) stammen, hier oder anderswo gewirkt, wie auch solche, die, von außen kommend, in und für Sanktanna Außergewöhnliches geleistet haben.
Die Konterfeis von neun Persönlichkeiten schmücken das Rathausfoyer. Ihre Biografien decken einen Zeitraum von fast drei Jahrhunderten ab, von der Ansiedlung der Deutschen in Sanktanna bis in die Gegenwart. Es sind Menschen unterschiedlicher Ethnie und Konfession, die sich vor Ort hervorgetan haben oder durch die erbrachten geistig-schöpferischen Leistungen nationales oder gar internationales Renommee genießen. Unter den porträtierten Persönlichkeiten finden sich auch vier Deutsche sowie ein deutschsprachiger Jude, der später zum christlichen Glauben konvertierte. Dass sie Berücksichtigung fanden, ist auch auf das Wirken der Heimatortsgemeinschaft Sanktanna, ihr kontinuierliches Engagement in der alten Heimat und ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bürgermeisteramt von Sanktanna zurückzuführen.
Die folgenden kurzen biografischen Skizzen geben Auskunft über Leben und Leistung der deutschen beziehungsweise dem Deutschtum verbundenen Persönlichkeiten.
Margareta Bibich (1706-1777) entstammte der reichen Viehhändler- und Gutspächterfamilie Tomejan. Es waren Bulgaren katholischen Glaubens. Margareta Tomejan heiratete den vermögenden Vizegespan des Arader Komitats Jakob Bibich de Deva, der 1745 die Grundherrschaft Komlosch erwarb. Die Eheleute siedelten hier Deutsche an und bauten eine Kirche zu Ehren der heiligen Mutter Anna, die 1748 eingeweiht wurde. Von da an nannte man die Siedlung und Pfarrei Sanktanna. Auf Jakob Bibich und dessen Frau ist auch die Berufung des Piaristenordens nach Sanktanna im Jahr 1751 sowie die Errichtung eines Gymnasiums und Konvikts zurückzuführen. Dazu richteten sie eine mit 15000 Florin dotierte Stiftung ein und ließen die nötigen Gebäude errichten. Die Eröffnung der Schule mit vorerst drei Klassen erfolgte 1752. Nach dem Tod ihres Gatten 1754 führte Margareta Bibich die Stiftung weiter, baute die Schule zu einem fünfklassigen Gymnasium aus und ließ das Konvikt erbauen. Die große Wohltäterin des Piaristenkonvents und der Gemeinde Sanktanna starb 1777 in Temeswar.
Lambert Steiner hat Musikgeschichte geschrieben. Als erster Kapellmeister der Welt hat er mit seinen Knabenkapellen auf drei verschiedenen Kontinenten Konzerte gegeben, was ihm posthum einen Eintrag im Guinness Buch der Rekord einbrachte. Steiner kam 1837 in Billed zur Welt, war Schuhmacher von Beruf und betätigte sich als Kapellmeister, anfangs in seinem Heimatort und in Warjasch. 1873 machte er Sanktannna zu seinem Lebensmittelpunkt und bildete hier eine Knabenkapelle aus, mit der er auf Gastspielreisen im Ausland erfolgreich auftrat. Dankesschreiben seitens des deutschen Kaisers Wilhelm I. sowie des Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn Franz Joseph I. zeugen von deren hohem Niveau. Weitere Stationen seines Wirkens waren ab 1901 Neuarad, Billed und Lovrin, wo er ebenfalls Knabenkapellen gründete, sowie Arad, wo er an der Musikschule unterrichtete. Im letzten Viertel des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bespielte Lambert Steiner mit seinen Knabenkapellen die halbe Welt. Er unternahm Konzertreisen nach Deutschland, Österreich, Russland, in die skandinavischen Länder, nach Amerika, Nord- und Südafrika und nahm damit eine wichtige Rolle als Kulturvermittler ein. Steiner starb 1914 in Sanktanna. Auch seine leiblichen Söhne Michael, Georg, Nikolaus und Birger sowie sein Ziehsohn Philipp Donnawell waren anerkannte Kapellmeister.
In Sanktanna sind das Kulturheim und das 2013 gegründete Jugendblasorchester nach Lambert Steiner benannt.
Oskar Kaufmann zählte zu den führenden Theaterarchitekten des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland. 1873 in Sanktanna geboren, entstammte er einer wohlhabenden jüdischen Familie. Nach dem Architekturstudium in Budapest und Karlsruhe war Kaufmann mehr als dreißig Jahre lang in Berlin tätig, wo er so bekannte Bauten wie das Hebbel-Theater, das seinen Ruhm als Theaterbaumeister begründete, die Volksbühne, das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm und das Renaissance-Theater hinterließ; die legendäre Kroll-Oper, das Kino-Theater am Nollendorfplatz und der Berliner Sportpalast wurden hingegen im Krieg zerstört. Nach seinen Plänen sind auch das Stadttheater Bremerhaven und das Neue Wiener Stadttheater in der Josefstadt (1960/1961 abgerissen) errichtet worden. Außerdem baute Kaufmann eine Reihe von Villen in und um Berlin. Oskar Kaufmann, ein Theaterarchitekt zwischen Tradition und Moderne, zwischen Historismus und Jugendstil, schuf mit dem sogenannten intimen Theater einen neuen Bautypus. Seine in den zwanziger Jahren errichteten Theater und Villen wurden zum Inbegriff des expressionistischen Rokokos.
Wegen seiner jüdischen Herkunft emigrierte Kaufmann 1933 nach Palästina, wo das Habimah-Theater in Tel Aviv zu seinem bedeutendsten Bauwerk zählt. 1939 kehrte er nach Europa zurück. Bis zu seinem Tod 1956 lebte er in Budapest, wo er die ungarische Staatsoper und das Erkel-Theater umbaute und die Pläne für den Neubau des Madách-Theaters entwarf.
In die Geschichte der Sanktannaer deutschen Gemeinschaft ist Katharina (Katicza) Ackermann als große Wohltäterin eingegangen. Sie wurde 1881 in Sanktanna als Tochter einer reichen Bauernfamilie geboren, ergriff den Lehrerberuf, den sie nur zeitweilig ausübte, da sie zeitlebens kränkelte. Wichtige Anliegen der frommen Katholikin waren die Erziehung und Fortbildung der weiblichen Jugend, die Armenfürsorge und die Festigung des Glaubens. Katharina Ackermann lebte die christliche Menschenliebe und opferte ihr Vermögen für wohltätige und religiöse Zwecke.
Sie finanzierte maßgeblich die Anschaffung des imposanten marmornen Hochaltars der Mutter-Anna-Kirche, stiftete den Maialtar, führte einen monatlichen Anbetungstag und die Maiandachten ein und gründete den Rosenkranz- und den Altarverein sowie die Gesellschaft der Sozialen Mission, die sich der Bedürftigen annahm. In ihrem Haus gab es wöchentlich eine Armenspeisung. Auf ihre Initiative hin wurde der Gemeindepark angelegt, für dessen Bepflanzung sie Geld spendete. Ihre größte Tat ist mit dem Bau der Herz-Jesu-Kirche in Altsanktanna verbunden. Dafür hinterließ sie den größten Teil ihres Vermögens. Die Fertigstellung des Sakralbaus erlebte sie nicht mehr, denn Katharina Ackermann starb 1926. Während die Herz-Jesu-Kirche erst zehn Jahre später geweiht wurde. Der Park vor der Kirche in Neusanktanna, der auf Anregung von Katharina Ackermann entstanden ist, trägt seit 1998 – dank einer Initiative der HOG Sanktanna und des Deutschen Forums in Sanktanna – ihren Namen.
Einen außergewöhnlichen Lebensweg, von einer erfolgreichen beruflichen Laufbahn in den Vereinigten Staaten von Amerika gekrönt, schlug Anton Wekerle ein. 1909 in Sanktanna geboren, studierte er nach dem Abitur am Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt Rechtswissenschaften in Berlin, Paris und Klausenburg. Mit dem Doktordiplom in der Ta.desche, eröffnete Wekerle eine Anwaltskanzlei in seinem Heimatort. 1944 flüchtete er mit seiner Familie und wagte einen Neustart in Deutschland. 1948 absolvierte er ein weiteres Studium – Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Landwirtschaft – an der Landwirtschaftlichen Hochschule Weihenstephan in Freising. 1951 wanderte die Familie in die USA aus. An der Universität in Columbus, Ohio nahm er ein drittes Studium auf, das der Politischen Wissenschaften. Nach dem Abschluss wurde er Assistent an dieser Hochschule. 1957 trat er eine Stelle als Rechtsberater beim Kongress der USA in Washington an, später wurde er Abteilungsleiter im amerikanischen Außenministerium, zuständig für den Nahen und Mittleren Osten. Dank seiner umfassenden Bildung, seiner Sprachgewandtheit und seiner reichen Erfahrungen erfreute sich Dr. Anton Wekerle allgemeiner Anerkennung. Im Herzen ist er immer Sanktannaer geblieben. Er starb 2008 in Washington.
Sanktanna kann sich sogar eines Nobelpreisträgers rühmen: 2014 erhielt der Physiker und Hochschullehrer Stefan Hell für die Entwicklung der superauflösenden Fluoreszenzmikroskopie den Nobelpreis für Chemie. Er wurde 1962 in Arad geboren und wuchs in Sanktanna auf, wo er die deutsche Schule besuchte und anschließend ans Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temeswar wechselte. Als 15-Jähriger verließ er mit seiner Familie 1978 Rumänien. Nach seinem Physik-Studium und seiner Promotion in Heidelberg forschte er als Postdoktorand am European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg und an der Universität Turku (Finnland). 1996 folgte die Habilitation in Physik an der Universität Heidelberg, im Jahr darauf übernahm Hell die Leitung einer Selbständigen Nachwuchsgruppe am Göttinger Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie (heute MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften). 2002 wurde er dort zum Direktor berufen und leitet seitdem die Abteilung NanoBiophotonik. Seit 2016 ist er auch Direktor am MPI für Medizinische Forschung in Heidelberg. Stefan Hell ist Honorarprofessor der Physik an den Universitäten Göttingen und Heidelberg.
Hell lieferte das erste gangbare Konzept zur Überwindung der beugungsbedingten Auflösungsgrenze im fokussierenden Lichtmikroskop als auch den ersten experimentellen Beweis, dass diese Grenze in der Fluoreszenzmikroskopie außer Kraft gesetzt werden kann. Damit wurden Auflösungen weit unterhalb der Lichtwellenlänge möglich. Für diese Beiträge erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2014 den Kavli-Preis für Nanowissenschaften und den Nobelpreis für Chemie. Neben vielen Wissenschaftspreisen, Ehrendoktorwürden und Mitgliedschaften in renommierten Akademien wurde Hell auch mit hohen staatlichen Orden der Bundesrepublik Deutschland und Rumäniens ausgezeichnet.
Stefan Hell ist seit 2016 Ehrenbürger seiner Heimatstadt Sanktanna. Seine einstige Schule wurde ebenfalls 2016 in Liceul Tehnologic „Stefan Hell“ umbenannt.
Bei den drei rumänischen Persönlichkeiten handelt es sich um Gheorghe Goina (1919-1992), der von 1950 bis 1990 die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Sanktanna leitete und Abgeordneter der Großen Nationalversammlung war, den Dichter, Essayisten und Übersetzer Ştefan Augustin Doinaş (1922-2002) sowie den Maler, Zeichner und Hochschullehrer Traian Brădean (1927-2013).