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Vom Sichtbaren zum Unsichtbaren - Martin Roos legt ein Monumentalwerk zum Temeswarer Dom vor (Teil 1)

Der Hochaltar des Doms, Ausdruck christlichen Lebens unter der Obhut des dreieinigen Gottes Quelle: Roos, Kathedrale, Bd. I

Altbischof Martin Roos weitet mit einer neuen Publikation sein kirchen- und regionalgeschichtliches Forschungsfeld aus. Nach der Monografie zum Wallfahrtsort Maria Radna und dem Quellenband zum frühhabsburgischen Banat hat er kürzlich eine Monographie des Temeswarer Doms vorgelegt (Die Kathedrale zum Heiligen Georg zu Temeswar. Bischofskirche der Banater Metropole, kaiserliche Stiftung der Habsburger, Bd. I- II. Temeswar: Im Eigenverlag der Diözese 2021. 378, 407 S.). Das Forschungsthema kann keinem besser vertraut sein als dem Autor, handelt es sich doch um die Bischofskirche, die er während seiner Amtszeit (1999-2018) so erfolgreich verwaltet hat. Von der Nähe zum Forschungsobjekt lebt dieses Buch mit seiner klaren Struktur, den plastischen Beschreibungen und der überlegten Selektion von Fallbeispielen.

Umfangreiche dreibändige Dom-Monografie

Die Entstehungsgeschichte des Buches ähnelt jener der Maria Radna-Monografie. Letztere geht den durchgeführten Restaurierungsarbeiten voran, die Dom-Monografie hingegen nahm im Zuge der Restaurierung ihre Form an. Nachdem die Restaurierungsarbeiten in Maria Radna mit Hilfe eines europäischen Projektes erfolgreich abgeschlossen waren, hat sich das bischöfliche Ordinariat um ein ähnliches, auf Denkmalpflege und Kultursicherung ausgerichtetes Vorhaben zum Dom bemüht, das Anfang 2019 in Angriff genommen werden konnte. Das Projekt verfolgt auch mit Blick auf Temeswar als europäische Kulturhauptstadt die Durchführung von Innen- und Außenarbeiten zur Renovierung, Konservierung und Instandsetzung des Gebäudes und seiner Umgebung. Die Restaurierung betrifft nicht nur das Mauerwerk, sondern auch die Ornamentik und die Gemälde und ist auf eine fundierte wissenschaftliche Dokumentationsgrundlage angewiesen.

Die ursprüngliche Absicht des Autors war, einen Domführer – so im Buchklappentext – zu verfassen. Daraus ist eine umfangreiche dreibändige Monografie entstanden. Der erste Band der Monografie ist der Baugeschichte und Ausstattung des Doms gewidmet, der zweite befasst sich mit „dem Weg des Domes durch die Zeiten“, mit der Schatzkammer, den Laiendiensten und den Finanzen des Doms. Der im Druck befindliche dritte Band enthält eine Dokumentation der durchgeführten Restaurierungsarbeiten wie auch eine Darstellung der barocken Mariensäulen der Bischofsstadt und des Brunnens auf dem Domplatz. 

Die ersten zwei Bände der Monografie sind in dreizehn durchgehend nummerierte doppelsprachige – in Latein und in Deutsch – Kapitel gegliedert. Roos wollte mehr als eine Baugeschichte bieten, auf die sich die bisherige Forschung beschränkte. Er betrachtet den Dom als ein Kunst- und Kulturdenkmal. Er begründet auch, warum nicht die Baugeschichte den Schwerpunkt des Buches bildet. Zum einen ist diese gründlich vom Übersetzer und Kulturpolitiker Hans Diplich (1909-1990) in einer viel beachteten Monografie (Die Domkirche in Temeswar. Ein Beitrag zu ihrer Baugeschichte, München 1972) bearbeitet worden. Zum anderen sind für eine Kathedrale nicht nur architektonische und künstlerische Fragestellungen von konstitutiver Bedeutung, sondern vor allem „Aspekte geistesgeschichtlicher und theologischer Natur“. Mehr als andere Kirchen eines Bistums hat die Kathedrale „eine abbildende, darstellende Aufgabe und Funktion“, die „vom Sichtbaren zum Unsichtbaren hinführt“. Roos betrachtet die Temeswarer Kathedrale als ein „Gesamtkunstwerk“, zu dessen Entstehung und Funktion nebst politischen und kirchlichen Hauptakteuren auch andere Akteursgruppen beigetragen haben: Architekten, Steinmetze, Bauleute und Handwerker, ebenso wie Maler, Bildhauer, Tischler und Schlosser, Orgelbauer, Komponisten und Musiker, zu denen sich nicht zuletzt Liturgen mit ihrer Assistenz gesellten.

Das theoretische und methodische Vorbild, auf das sich Martin Roos beruft, ist der nach dem Zweiten Weltkrieg in München lehrende österreichische Kunsthistoriker Hans Sedlmayr (1896-1984), ein Vertreter der „strengen Kulturwissenschaft“, die auch dem Autor vorschwebt. Roos lehnt sich an dessen Werk Die Entstehung der Kathedrale (Zürich 1950) an. Im Aufbau der Dom-Monografie ist Sedlmayrs Modell einer Strukturanalyse der Kathedrale zu erkennen. Sedlmayrs Einfluss geht jedoch darüber hinaus. Er hat sich der Schauseite der Karlskirche in Wien, der wichtigsten Barockkirche im Habsburgerreich überhaupt, gewidmet und eine Monografie des Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach (Wien/München 1956, Neuausgabe Stuttgart 1997), dem die Konzeption der Temeswarer Domkirche zugeschrieben wird, verfasst.

Was ist eine Kathedrale?

Der Autor fragt sich einleitend selbst, was eine Kathedrale ist. Kirche und Dom stehen beide im Zusammenhang mit dem Christentum und bezeichnen religiöse Orte. Im volkstümlichen Namen der Temeswarer Kathedrale – „Domkirche“ – gehen beide Begriffe eine Verbindung ein. Die Banater Schwaben verwenden diese beiden Wörter austauschbar, synonym, und denken, dass es keinen Unterschied zwischen Kirche und Dom gibt. Diese Annahme ist jedoch nicht ganz richtig. Während sich beide Wörter auf einen Ort der Anbetung beziehen, gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Kirche und Dom. Der Dom ist der Hauptsitz des Bischofs und somit die designierte zentrale Kirche – die Hauptkirche – einer Diözese. Die Bezeichnung einer Kathedrale verschiebt sich, wenn der Bischofssitz anderswohin verlegt wird. Dies ist auch in der historischen Entwicklung der Diözese Tschanad bzw. Temeswar erkennbar. 

Die Temeswarer Bischofskirche, auch Kathedrale genannt, ist für Martin Roos „Haupt und Mutter aller Kirchen eines Bistums“. Wie seinerzeit die mittelalterliche Kathedrale zu Tschanad ist auch der Temeswarer Dom dem hl. Georg geweiht. Im Wiener Barock errichtet, gehört er zu den herausragenden Bauwerken Südosteuropas und gilt auch als historisches Wahrzeichen der Bischofsstadt Temeswar.

Der Temeswarer Dom hat noch eine andere Besonderheit im Vergleich zu ähnlichen Kultstätten: Er ist nur Bischofskirche, nicht auch städtische Pfarrkirche. Wegen seines ausschließlich bischöflichen Charakters kann er all seine Funktionen ungehindert entfalten und zur Geltung bringen. Die Kathedrale von Temeswar dient daher nicht primär den Grundhandlungen pfarrlicher Seelsorge wie Taufen und Trauungen, sondern bleibt den bischöflichen Funktionen wie Firmungen, Priesterweihen und feierlichen Pontifikalgottesdiensten an hohen Festtagen vorbehalten.

Mittelalterliche und neuzeitliche Kathedralen der Diözese Tschanad

Bevor sich der Verfasser ausführlich der neuzeitlichen Kathedrale des Bistums Tschanad widmet, befasst er sich kurz mit den Kathedralen des alten Bistums Tschanad. Temeswar ist eine neuzeitliche Bischofsstadt. Die ersten Kathedralen der Diözese standen in der alten Bischofsresidenz von Tschanad, wo die Bischöfe des 1030 gegründeten Bistums bis zur osmanischen Eroberung 1552 ihres Amtes walteten. Die Tschanader Kathedrale wurde aufgrund der Bestimmungen des Friedensvertrags zu Karlowitz 1702 geschleift, später entstand dort das Verwalteramt des Tschanader Distrikts.
Nach der osmanischen Eroberung verlegten die Tschanader Bischöfe ihren Bischofssitz in das oberungarische Tyrnau (Trnava). Sie galten als Bischöfe in partibus infidelium (in Gegenden der Ungläubigen), wie die Diözesen bezeichnet wurden, welche nur dem Namen nach noch existierten, weil sie unter osmanischer Oberhoheit standen. Nach der habsburgischen Eroberung Ungarns wurde der Sitz der Diözese Tschanad zunächst von Tyrnau nach Szegedin verlegt. Von dort aus verwaltete der Bischof zum Zeitpunkt der habsburgischen Eroberung des Banats seinen Kirchensprengel. 

Von 1732 bis 1754 war die Festungs- und Stadtpfarrkirche der Jesuiten auf dem Sankt-Georgs-Platz – die ehemalige „Größere Moschee“ – gleichzeitig die provisorische Kathedrale des Bistums Tschanad. Hier fanden die bischöflichen Zeremonien zu den großen Festtagen und besonderen Anlässen statt.

Historischer Kontext des Dombaus

Nur geringen Raum widmet der Autor der Planung des Doms und den in diesem Zusammenhang entstandenen Rissen und Plänen. Er sah dafür keinen Anlass, da für eine Vertiefung der Problematik keine neuen Erkenntnisse vorliegen. Verwiesen wird auf den im Jahr 1762 von Ingenieur Carl Joseph Römer gezeichneten Grundriss. Daher soll zum besseren Verständnis der Entscheidung für den Temeswarer Dombau kurz auf die bestehende territorial- und kirchenpolitische Machtkonstellation hingewiesen werden.

Der Einfluss des Wiener Hofs auf das religiöse Leben im Banat war auch in der Verwaltung der Tschanader Diözese zu spüren, in deren kirchlichen Zuständigkeitsbereich seit dem Mittelalter auch die Festung Temeswar lag. Aufgrund der Rechtsstellung des Banats als direkt dem Kaiser und dem Hause Österreich nachgeordnete Provinz befand sich der größte Teil des bis in die Komitatsgebiete nördlich der Marosch sich ausdehnenden Bistums – das flächengrößte im Königreich Ungarn – nach 1718 in habsburgischem Besitz. Dies führte zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Tschanader Bischof Ladislaus (László) Graf Nadásdy (1662-1727, reg. 1710-1729) und den Wiener Zentralstellen – Hofkriegsrat und Hofkammer. 1723 dehnte ein kaiserliches Edikt die bischöfliche Gerichtsbarkeit auf das gesamte Banat aus und bestimmte die Stadt Szegedin zur bischöflichen Residenz. In der Stadt am Zusammenfluss von Theiß und Marosch hatte das Bistum aber das Patronatsrecht über das in der Vorstadt Palanka gelegene mittelalterliche Sankt Demetrius lediglich als Pfarrkirche, nicht aber als bischöfliche Kathedrale. Zwischen 1723 und 1749 wurde die Pfarrkirche neu aufgebaut. Zur Bischofsstadt wurde Szegedin erneut nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und der Dreiteilung des Tschanader Diözesangebiets.

Nach Nadádys Tod änderte sich das Verhältnis der Hofstellen zum neu ernannten Bischof Adalbert Freiherr von Falkenstein (1671-1739, reg. 1730-1739). Dieser beantragte bei der Hofkammer die Verlegung der bischöflichen Residenz von Szegedin nach Temeswar, was im November 1732 auch erfolgte. Kurze Zeit nach der offiziellen Verlegung der bischöflichen Residenz in die Banater Haupt- und Festungsstadt setzten auch die Planungen für einen Gebäudekomplex ein, der aus einer Kathedrale und einer bischöflichen Residenz bestehen sollte. Dieser Sachverhalt wird durch mehrere „Raportpläne“ für die Umgestaltung des Festungsinneren dokumentiert, die vom Stadt- und Architekturhistoriker Mihai Opriş in seiner baugeschichtlichen Monografie von Temeswar veröffentlicht wurden. 

Die im Zeitraum 1733-1735 erstellten Pläne tragen der gewandelten Funktion der Stadt als Verwaltungs- und Bischofszentrum Rechnung. Das städtebauliche Konzept sah die Integration des künftigen Doms in einen kompakten Gebäudekomplex vor. Über die Urheber dieser Pläne lassen sich nur Vermutungen anstellen: Ein Bericht von Bischof Falkenstein bringt 1736 der Hofkammer zur Kenntnis, dass drei Pläne für eine Residenz und einen Dom vorliegen, die vom Baudirektor Ingenieurhauptmann Johann Kaspar Dissel (1694-1768) ausgearbeitet wurden. 

Der Grundstein des Dom wurde im Rahmen einer Feier am 6. August 1736 gelegt, auf den Tag genau zwanzig Jahre seit der siegreichen Schlacht bei Peterwardein, die der Eroberung Temeswars am 13. Oktober 1716 voranging. Zum Ritus der Grundsteinlegung gehört die Platzierung eines zeremoniellen Mauersteins an einer prominenten Stelle der Außenwand, ein wichtiger kultureller Aspekt der Sakralarchitektur. Dieser war mit einer Inschrift versehen, die im vorliegenden Fall die Baudaten des Gebäudes und den Namen des Stifters – Kaiser Karl VI. – angibt. Sie dokumentiert aber auch die Intentionen, die dem Stifter und Auftraggeber zugrunde lagen. Der Bezug auf den „apostolischen Eifer [seiner] apostolischen Vorfahren“ verweist auf das barocke Konzept der „österreichischen Ehrfurcht“ (Pietas Austriaca), das auch für die Selbstdarstellung des Kaisers als legitimer Nachfolger des ungarischen apostolischen Königs Stephan der Heilige herangezogen wurde. Martin Roos sieht die Kathedrale als ein monumentales „Ex-Voto“ – als eine Stiftung –, die der Rückeroberung der osmanisch besetzten Gebiete gewidmet ist. In ihr sollten Anbeter Gnade suchen oder sich dafür bei Gott bedanken. Mit der kaiserlichen Selbstrepräsentation ist allerdings auch die Machtausbreitung des Habsburgerreichs verbunden, das zum damaligen Zeitpunkt seine größte Ausdehnung in Südosteuropa erreicht hatte. Die Funktion von Kirchenstiftungen als Orte kaiserlicher Selbstrepräsentation wurde 1733 in einem Traktat des Jesuiten Andreas Höller ideologisch und programmatisch begründet. Im zentralen Bild der Publikation huldigen Landesgöttinnen dem Kaiser und danken ihm für die Wiederherstellung der Sakralbauten in den Ländern der Stephanskrone. Die Temeswarer Landesadministration sollte im Rahmen ihrer Einwanderungspolitik auch den Kirchenbau fördern. 

Der Grundstein ist der erste Stein, der bei der Konstruktion eines Mauerfundaments gesetzt wird. Alle anderen Steine werden in Bezug auf diesen Stein gesetzt und bestimmen so die Position der gesamten Struktur. Das bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung über den Grundriss des Gebäudes schon gefallen war. Es sollten zwei eigenständige, nebeneinanderstehende Gebäude errichtet werden. 

Autorschaft des Architekturkonzepts

Die Autorschaft des Architekturkonzepts bzw. des Plans, der dem Dombau zugrunde lag, konnte bisher dokumentarisch nicht gesichert werden. Martin Roos lässt sich dazu auch nicht ein, weil die Dokumentationslage nichts anderes zulässt als schon darüber von Fachhistorikern gesagt wurde. Wir möchten hier dennoch die Grundpositionen zur Autorschaft des Baukonzepts zusammenfassen.

Eine ältere Position rechnet den architektonischen Entwurf des Doms entsprechend den Angaben im Diözesanschematismus für das Jahr 1900 dem Wiener Barockarchitekten Joseph Emanuel Fischer von Erlach (1693-1742) zu. Diese Zuschreibung wird von vielen Kunsthistorikern geteilt. Dagegen hat sich der Banat-Forscher Anton Peter Petri (1923-1995) aufgrund einer Notiz im „Wienerischen Diarium“ vom 15. August 1736 ausgesprochen. Er schlägt als Architekten Johann Jakob Scheiblauer vor, der in der kaiserlichen Residenzstadt als Bauunternehmer im Umkreis des Architekten Johann Lukas von Hildebrandt (1668-1745), dem großen Kontrahenten von Joseph Emanuel von Fischer, aktiv war. Mehrere Stadt- und Kunsthistoriker, darunter Robert Born (Die Domkirche in Timișoara (Temeswar) im Kontext der habsburgischen Architektur des 18. Jahrhunderts, in: Ars Transsilvaniae, 14-15/2004-2005, S. 43-72), stützen in ihren Untersuchungen die Autorschaft von Joseph Emanuel Fischer von Erlach bei der architektonischen Gestaltung des Doms und bestätigen somit die Plausibilität der vom Historiker Szentkláray Jenő (1843-1925) – die Grabstätte des Kanonikers befindet sich in der Domkrypta – verfassten Angaben im ausführlichen Diözesanschematismus für das Jahr 1900. Für die Autorschaft Fischers von Erlach greift Robert Born auf den Vergleich mit repräsentativen Bauten in den österreichischen Erbländern zurück, die formale Ähnlichkeiten zum Temeswarer Dom aufweisen. Ein wichtiges Vergleichsobjekt ist dabei die kaiserliche Residenz in Klosterneuburg, die durch Umwandlung eines Klosters entstanden ist. Seine Betrachtungen des Architekturgeschehens aus dem Blickwinkel des Architekten und Kunsthistorikers helfen nicht nur den Bauprozess zu verstehen und geschichtlich einzuordnen, sondern auch Zeichenhaftigkeit und symbolische Aussagen in der Architektur sowie Wechselwirkungen zwischen den Baustilen am konkreten Objekt aufzuzeigen. 
Swantje Volkmann (Die Architektur des 18. Jahrhunderts im Temescher Banat, Heidelberg 2001) hat sich in der Kontroverse um die Autorschaft des Konzepts nicht eindeutig positioniert, gibt aber zu, dass eine Beziehung zum Umkreis des Architekten Fischer von Erlach gegeben ist. Die früh verstorbene Temeswarer Kunsthistorikerin Adrana Buzilă hingegen hat schwankende Positionen vertreten und zuletzt Fischer von Erlach als Entwerfer des Doms abgelehnt.

Im Diözesanschematismus für das Jahr 1900 wird übrigens auch der Wiener Bildhauer Johann Josef Rößler (1700-1772) angeführt, der für die Innenausstattung des Doms verantwortlich war: Er schuf die zwei überlebensgroßen Standbilder des heiligen Karl Borromäus und der heiligen Theresia, die den Hochaltar säumen, wie auch das den Altaraufsatz seitlich abgrenzende Cherubimpaar. Seine konkrete Mitwirkung ist allerdings im Unterschied zu Fischer von Erlach dokumentarisch belegt. 

Chronologie der Bauphasen des Doms

Die Grundsteinlegung fällt wie so oft nicht mit dem Baubeginn zusammen. Die Bauarbeiten am Temeswarer Dom wurden erst 1743 unter Bischof Nikolaus Stanislavich (1694-1750, reg. 1739-1750) vorangetrieben. Durch Heranziehung von Akten aus dem Bischöflichen Archiv, aus dem Ungarischen Staatsarchiv in Budapest sowie aus den von Hans Diplich veröffentlichten Dokumenten konnte der Verfasser verschiedene Aspekte bezüglich der Chronologie der einzelnen Bauphasen klären und vertiefen.

Bis 1745 beschränkten sich die Bauarbeiten auf die Errichtung des Fundaments auf dem sumpfigen Gelände. Erst nach dieser bautechnisch schwierigen Phase wurden die von Ost nach West gerichteten Mauern aufgezogen. Bis 1746 konnten die Arbeiten im Bereich des Chors und der östlichen Partie des Schiffes abgeschlossen werden, so dass man an die Überdachung schreiten konnte. Gleichzeitig wurde Steinmetzen der Auftrag erteilt, die Steinkapitelle der Innen- und Außenpilaster zu schnitzen und auszuformen. Im folgenden Jahr wurde die Innenausstattung der östlichen Hälfte der Kirche, wie der Stuck und die erst durch die jüngsten Restaurierungsarbeiten wieder zum Vorschein gekommene Inschrift auf dem Gewölbe, ausgeführt. In den folgenden Jahren wurden die Bauaktivitäten im Bereich der Längsräume – des Schiffes – fortgesetzt. Den Abschluss der ersten Bauphase, die maßgeblich unter der Leitung von Baudirektor Dissel ausgeführt wurde, markiert die Einweihung von Chor und Querschiff durch Bischof Franz Anton Graf von und zu Engl und Wagrain (1702-1777, reg. 1750-177) in einfacher Segnung am 8. September 1754. 

Wesentlich effizienter gestaltete sich die Arbeit in der zweiten Bauphase, in der die Koordination der Bautätigkeit nicht mehr der militärischen Fortifikations- und Festungsbaudirektion oblag, sondern der Zivilverwaltung übertragen wurde. Die Bauarbeiten wurden von den Provinzialingenieuren Karl Alexander von Steinlein (1733-1810) und Johann Theodor Kostka (1734-1807) koordiniert. Die Arbeiten setzten 1755 an und dauerten bis 1774. Ausgeführt wurden das Langhaus mit der Turmpartie und die Eingangshalle. 1761 waren die Türme vollendet und mit Schindeln bedeckt, da dem Wiener Hof die Kosten für Kupferhauben zu hoch waren. Nicht zuletzt geht der Autor auf die Ausstattung mit Glocken (1754-1763), die Aufstellung einer Orgel (1762) und die Einsetzung der Turmuhren (1764) ein. Laut einem Bericht der Temeswarer Landesadministration war der Bau 1763 bis auf die Inneneinrichtung vollendet. 

Im Ungarischen Staatsarchiv in Budapest befinden sich die einzigen bisher bekannten, auf das Jahr 1762 datierten Pläne (ein Plan, ein Längsschnitt und eine Frontansicht der Fassade), die zeitgleich mit den Bauarbeiten angefertigt wurden. Die Pläne tragen die Unterschrift des Kammeringenieurs Carl Joseph Römer, der in den Bauberichten allerdings unerwähnt bleibt. Bis Dezember 1762 wirkte er an den Begaregulierungsarbeiten des wallonischen Wasserbauingenieurs Maximilian Emmanuel Fremaut (1725-1768) mit und brachte nebenbei seinen Sachverstand auch bei der Begutachtung von Dokumentationszeichnungen, die für den Bau des Doms erstellt wurden, ein. Eine aktive Beteiligung an der Erarbeitung von Plänen für den Dombau scheint jedoch ausgeschlossen zu sein. Römers Grundriss ist der einzige aus dieser Zeit, dem sich Roos widmet.

Der Innenraum wurde nach der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts 1754 nur provisorisch eingerichtet. Seine Ausstattung sollte fast weitere zehn Jahre – bis 1774 – in Anspruch nehmen. 
Der halbkreisförmige, aus Marmor bestehende Hochaltar wurde mit goldenen Standbildern von Heiligen und Engeln verziert und der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Das Bild über dem Hauptaltar wurde 1754 von Michael Angelo Unterberger (1695-1758) gemalt. Dieses stellt den heiligen Georg in Rüstung zu Pferd dar, während er einen Drachen bekämpft. Neben dem Hauptaltar befanden sich noch zwei Nebenaltäre. Ab 1768 wurden die sechs Seitenaltäre eingerichtet. Die im gotischen Stil gestalteten und zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria, der Schutzpatronin des marianischen Königreichs Ungarn, und dem heiligen Gerhard, dem ersten Bischof der Tschanader Diözese, geweihten Nebenaltäre wurden später, in der Amtszeit des Bischofs Alexander Csajághy (1810-1860, reg. 1851-1860) vom Bildhauer Johannes Müller angefertigt. 

Roos bietet aufgrund von Rechnungen eine Chronik der wichtigsten Arbeiten. Dabei wird Bezug genommen auf die ausführenden Baumeister und Handwerker. Der Autor wendet sich verschiedenen Elementen der innerkirchlichen Raumausstattung wie der Kanzel (1766), dem Gestühl, dem Hauptportal, der Sakristeitür oder der silbernen Lampe zum Hochaltar zu. Sogar die angebrachten metallenen Scharnierbänder werden näher betrachtet. Ein besonderes Augenmerk gilt den Inschriften, die bei früheren Renovierungen übertüncht wurden und bei den jüngst durchgeführten Restaurierungsarbeiten freigelegt werden konnten. Abschließend nimmt der Autor die Baukosten in den Blick. 38 Jahre nach der Grundsteinlegung konnte der Bau und die Ausstattung des Doms 1774 abgeschlossen werden. Seine feierliche Konsekration durch Bischof Ladislaus Kőszeghy von Remete (1745-1818, reg. 1800-1828) erfolgte erst am 24. April 1803.