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Der Tod hat viele Gesichter. Banater Schicksale aus drei Jahrhunderten (Teil 12)

Friedhof Neudorf: Mutter am Grab ihrer Tochter Anneliese Genescu Foto: Helmut Ritter, 1996

Grabdenkmal des Carl von Mÿlius auf dem Friedhof von Karansebesch Foto: Helmut Ritter, 1985

Grabstein des Pfarrers Nikolaus Krohn auf dem Traunauer Friedhof Foto: Helmut Ritter, 1996

„Sache gibt՚s, die gibt՚s gar net!“, hat die Bäsl Kathi gesagt. So ist das auch, wenn es „um՚s Sterwe“ geht. Der Tod hat eben viele Gesichter und die Sterbeursachen waren auch im Banat manchmal ungewöhnlich und skurril. Das Leben schreibt Geschichten, die oft jenseits unserer Fantasie sind und so manche Fälle aus Kriminalromanen in den Schatten stellen.

Die Liste ungewöhnlicher Todesfälle weltweit ist lang. So zum Beispiel heißt es vom griechischen Tragödiendichter Aischylos, dass er 456 v. Chr. in Gela/Sizilien von einer Schildkröte getötet wurde, die einem Greifvogel aus den Krallen und dem Dichter auf den Kopf fiel. Unglaublich ist auch die Todesursache des 65-jährigen Spätaussiedlers aus Russland Alexander H., der im Juni 2015 auf der Straße von einem Elefanten getötet wurde – und das nicht in Afrika, sondern in Buchen im Odenwald! Es handelte sich um einen Zirkuselefanten des „Circus Luna“, der damals in Buchen gastierte.

Ungewöhnliche Sterbefälle im Banat 

Auf dem Friedhof in Karansebesch stand 1985 noch das von seiner Gattin und den Schwestern gewidmete Denkmal für den Freiherren und Obristleutnant im Walachisch-Banater Grenzregiment Nr. XIII. Carl von Mÿlius. Er starb sage und schreibe erst 30 Jahre nach seiner Verwundung! Die Inschrift auf seinem Grabstein lüftet das Geheimnis seines Todes: „Von allen hochgeachtet/ Von den seinen heißgeliebt/ Endete die seit Asperns Siegesschlacht in der/ Brust getragene Kugel zum Herzen sich/ senkend plötzlich sein Leben am 24. März 1839“.

Die Schlacht bei Aspern und Eßling (östlich von Wien) am 21./22. Mai 1809 war die erste, in der Napoleon I. besiegt wurde. Die Österreicher unter Erzherzog Karl verhinderten den Donau-Übergang der Franzosen.

In der Ortsmonografie von Ostern (1935) schreibt Dr. Peter Pink, dass von 1842 bis 1866 Wilhelm Folz als Oberlehrer wirkte. Sein Unterlehrer war Johann Szaletzky. Sie sollen gute Lehrer gewesen sein, abgesehen davon, dass sie dem Alkoholgenuss verfallen waren. Beide hatten ein trauriges Ende. Folz starb verlassen im Stierstall des Ortes, Szaletzky fristete seine letzten Jahre als Landstreicher und fand den Tod auf der Straße.

Über den selbst verschuldeten Unfalltod zweier Mädchen berichtet die „Dettaer Zeitung“ vom 1. März 1896: „In der Dampfmühle in Oravicza hantirten die beiden Mädchen Katharina Schweigel und Emilie Kauschitz, die ihren dort arbeitenden Vätern das Mittagessen brachten, im dritten Stockwerk mit dem dort befindlichen Lift, als dieser plötzlich niedersauste und beide Kinder mit in die Tiefe riß. Die Unglücklichen blieben auf der Stelle todt“.

Laut Lenauheimer Sterbematrikel ist Josef Schmidt am 25. Juli 1925 im Alter von 28 Jahren gestorben. Als Todesursache wird „morph. cocainismus cron.“ angegeben. Schmidt war also drogenabhängig, was zur damaligen Zeit im Banat ungewöhnlich war. „Der Schmidt Joschi überragte an Körpergröße und Kraft alle Männer“, schreibt Hans Wolfram Hockl in „Ungewisse Wanderung“ (1960). Und weiter heißt es bei Hockl: „Man wußte auch, daß er ein Morphinist war und daß er einmal in der Nacht beim Julius Bierbaum an die Ladentür geklopft hatte, bis der ängstliche Apotheker ihm öffnete und, als er die Pistole in der Hand des Joschi sah und dessen Forderung hörte, ihm seinen ganzen Vorrat an Morphium ausfolgte. Er bekam sein Geld und schwieg“.

Morde hat es schon öfter gegeben, aber eine derart „brutale Hinrichtung“, wie sie im Januar 1927 in Ebendorf geschah, war außergewöhnlich. Die „Lugoscher Zeitung“ vom 9. Januar berichtete darüber. In der Nacht vom 4. auf den 5. Januar drangen unbekannte Täter in das Haus des Johann Zwick ein und erdrosselten diesen. Sie zerrten ihn auf den Fußboden, schlugen auf ihn ein und tanzten mit den Füßen wie irrsinnig auf dem Leichnam, bis dieser zur Unkenntlichkeit entstellt war. Der Fall wurde niemals aufgeklärt. (Heimatbuch Ebendorf 1786-1992, 1999, S. 553, Red. Heinrich Lay)

Im Jahre 1935 hat sich der 62-jährige Anton K. aus Großjetscha die „Kehle mit dem Rasiermesser durchgeschnitten“, so der Eintrag in der Sterbematrikel. Sein Landsmann Josef Nikola (82) wurde 1950 „erschlagen von der Brunnenstange“ und Mathias Engelmann (46) aus Wiseschdia 1939 „von einer Telefonstange erschlagen“. Michael Paul (Gertianosch) wurde 1937 vom „Heuropper aufgespießt“. Eine äußerst skurrile Todesursache vermerkt die Marienfelder Sterbematrikel bei Josef Bugarsits, Ehegatte der Rosina Mohaupt. Er ist 1948 im Alter von 73 Jahren „im Wein ertrunken“!

Ein ungewöhnlicher Todesfall ereignete sich 1955 in Traunau. Dort starb der 15-jährige Franz Albert Didicher „durch Unfall mit Fensterglas das Herz durchstochen im Wirtshaus“. Mathias Lauer (1895-1960) aus Sackelhausen starb an „Verletzung beim Einsturz des Plafondes“. Auf dem Friedhof in Dolatz steht ein Grabstein mit folgender Inschrift: „Anton Dinjer 1952-1967. Gestorben zwischen Dornen und Schnee“. Der Junge war mit auf der Treibjagd. Er muss zu einer Zeit müde geworden sein und hat sich, während die anderen weiterzogen, niedergesetzt, um auszuruhen. Er ist dann eingeschlafen und erfroren und wurde erst am nächsten Tag tot aufgefunden.

Tödlich verunglückt „beim Rakibrenne“ ist 1968 der 59-jährige Martin Mikautsch aus Wetschehausen, als in der Schnapsbrennerei in Honorici ein Kessel explodierte. Auf kuriose Weise endete auch das Leben der 16-jährigen Anneliese Genescu (1956-1972) aus Neudorf. Nach Mitteilung ihrer Mutter ist sie während eines epileptischen Anfalls mit dem Hals auf den Spalierdraht gefallen und hat sich daran erhängt. 

Auf dem Friedhof in Neupanat befindet sich das Grab des Sebastian Dirb, 18 Jahre alt, gestorben am 7. Juni 1973, „der verunglückt ist am 24. Mai beim Fußballspiel“. Er wurde in Arad in der Berufsschule von einem umstürzenden metallenen Fußballtor schwer verletzt.

Die Temeswarer Studentin Ingeborg Adam (geb. 1956) kam in Bukarest bei der Erdbebenkatastrophe in der Nacht vom 4. auf den 5. März 1977 ums Leben und wurde auf dem Josefstädter Friedhof beerdigt. Sie war eine hervorragende Wassersportlerin und weilte zu einem dreitägigen Training der Landesauswahl in der Hauptstadt. 

Unbedachtheit wurde dem 20-jährigen Robert Krattenthaler (1958-1978) aus Morawitza zum Verhängnis. Während eines Besuchs bei Familie Fuhro in Reschitza ist er im Stiegenhaus des Wohnblocks das Treppengeländer heruntergerutscht und abgestürzt.

Für Andreas Mesch aus Saderlach kam jede Hilfe zu spät: Der 59-jährige ist 1979 in Arad im Restaurant beim Essen erstickt. Als Todesursache wird bei Michael Roch (1936-1983) aus Mercydorf in der Sterbematrikel „erstickt beim Abendessen“ angegeben.

Kaum vorstellbar die Todesursache des Stefan Elsässer (1956-1979) aus Sanktanna. Auf dem Weg zur Arbeitsstelle in Arad fuhr ein Auto in einen Strommast, der auf den Fußweg fiel und den 23-Jährigen erschlug. An den Folgen eines Unfalls am Sessellift des Muntele Mic starb am 26. August 1987 der in Ketscha geborene und in Tschene aufgewachsene Franz Wisst im Alter von 52 Jahren. Wisst war in Reschitza Leiter des Fernmeldewesens im Kreis Karasch-Severin.

Plötzlicher Priestertod

Im Heimatbuch von Werschetz (1982) berichtet Helmut Frisch über den plötzlichen Tod des Priesters Johannes Bichler 1924. Obwohl groß, stark und energisch, starb er völlig unerwartet während eines Gottesdienstes an einem Gehirnschlag.

Einem „Schlaganfall im Hochamt nach der Predigt“ erlag der Billeder Pfarrer Josef Wild. Er wurde am 31. Januar 1961 beigesetzt. 

Der Traunauer Pfarrer Nikolaus Krohn (geb. 1920) verstarb am 22. Juli 1970 an einem Herzinfarkt während des Begräbnisses von Theresia Hochspacher auf dem Schöndorfer Friedhof.

Apropos Sekundentod, unterhalten sich zwei Schwowe: „Hascht schun gheert, de Müller Toni is gstorb – de Tod hat ne im Schloof iwerrascht“. – „Des is awer schrecklich, er weeß also noch gar nix drvun“.

Skurrile Kinder-Todesfälle

Im Heimatbuch Tschakowa (1997) ist der Tod des fünfjährigen Franz Seewald verzeichnet, der am 16. Juni 1816 durch eine einstürzende Schulmauer erdrückt worden ist. Auch diesen nicht alltäglichen Unfall hat es gegeben: der fünfjährige Adam Dettar aus Mercydorf ist 1940 durch einen Sturz vom… Billardtisch ums Leben gekommen!

In Bethausen wurde 1950 Michael Johann Sibla, sechs Jahre alt, „von einem Holzgestell erschlagen“ und in Totina ist 1954 der dreijährige Herwig Frank in der Schrotmühle zwischen Säcken erstickt. Die zweijährige Waltraud Gehl aus Schöndorf wurde 1965 von einer einstürzenden Mauer erschlagen.

„Kleiner Liebling, ach zu früh, / Gingst Du von den Deinen, / Lächelst nicht mehr für sie, / die jetzt um Dich weinen“, steht auf dem Grabstein des einjährigen Gerhard Molitor (gest. 1967) aus Kleinbetschkerek. Die Mutter war mit ihm zu Nachbarn gegangen und dort ist ein Motorrad auf den Kleinen gefallen. Die einjährige Brigitte Reisser aus Billed starb 1971 an „Erstickung durch Brotkrume“ und Hermine Susanne Rückert (1970-1973) aus Jahrmarkt durch einen „Sturz in ein Fass“. 

„Hier liege ich als siebenjähriges Kind und habe noch nicht viel Anteil am Leben gehabt. Des lieben Vaters und der guten Mutter Liebling von Gott versorgt aber für die Eltern ein großer Schmerz“, so lautet die Inschrift auf dem Grabstein der Hildegard Stumbilich (1968-1975) auf dem Friedhof in Wetschehausen. Sie war als Schülerin Hagebutten für die Schule pflücken, als ein Traktor, der am Abhang ins Schleudern geriet, das Mädchen erfasste und tödlich verletzte.

Unglücksfälle durch Tiere 

Die meisten von Tieren verursachten Unfälle geschahen durch Pferde. Am 23. Oktober 1823 ist Karl Zirkler, 23 Jahre alt, Soldat bei den „cheveux legers“ (leichte Kavallerie) vom Pferd gestürzt und gestorben. (Heimatbuch Tschakowa, 1997).

„Im Juli des Jahres 1905“, so Lorenz Lang, „ereignete sich in Lazarfeld ein gräßlicher Unfall mit Todesfolge. Obzwar die meisten Bauern den Drusch ihrer Ernte durch die modernen Dreschmaschinen vornehmen ließen, besorgten diese Arbeit bei einzelnen Bauern noch Pferde. Dabei wurde Maria, die Tochter des Johann Michi, von den Hufen eines wildgewordenen Pferdes so unglücklich getroffen, daß sie kurz darauf verstarb“. (150 Jahre Lazarfeld 1800-1950, S. 65)

Katharina Schirado, geb. Kyri, aus Kleinomor, 27 Jahre alt, wurde 1918 in der Bersawa in Großomor von einem Pferd in den Unterleib getreten und starb. „Vom Pferd geschlagen“ und an den Folgen gestorben ist 1930 der 38 Jahre alte Peter Willesch aus Lenauheim. Ebenfalls 1930 beendete ein Unfall das Leben des 27-jährigen Johann Schmidt aus Deutschbentschek. Nach Mitteilung von dessen Tochter und Schwester wurde er von einem Pferd am Kopf getroffen und war drei Tage bewusstlos, ehe er starb. 

Vom Pferd gestürzt und auf der Stelle tot war 1935 der 16-jährige Adam Munz aus Liebling. Den „Tod durch Pferdeschlag“ erlitt 1940 Elisabeth Domele, geb. Stetzler, 62 Jahre alt, aus Triebswetter. Erst 15 Jahre alt war Karl Lipp (1928-1943) aus Bakowa, als er durch einen Sturz vom Pferd sein Leben verlor. Der 65-jährige Josef Zahorak aus Moritzfeld wurde 1950 durch einen „Hufschlag des Pferdes“ getötet.

Peter Götz (1886-1957) aus Sackelhausen wurde von „durchgegangenen Pferden niedergetreten“, während Anton Dasinger aus Großscham, 74 Jahre alt, 1957 durch einen Pferdetritt in den Magen („equs per stomachum calcitratus“) ums Leben kam. Ein Pferdetritt beendete 1958 auch das Leben des 62-jährigen Alois Schenk aus Traunau.

Der Schmied Peter Schummer aus Wiseschdia wurde 1962 im Alter von 69 Jahren „von einem Pferde am Kopf getroffen“. Am 18. Mai 1975 (Kirchweihsonntag) starb in Jahrmarkt an den Folgen eines Pferdehufschlages Johann Mutsch (Neu-Mutsch) im Alter von 70 Jahren.

Ich glaube, dass es kaum jemand unter den Banater Dorfbewohnern gab, der nicht im Traum von einem Stier verfolgt wurde. Vor allem die Kinder hatten einen Riesenrespekt vor dem „Biko“. Es hieß immer, auf gar keinen Fall rote Kleidung tragen, denn die rote Farbe würde den Stier reizen. Das stimmt aber nicht, denn die Stiere reagieren, entgegen einem populären Irrtum, nicht aggressiv auf die Farbe Rot. Die Augen der Stiere, wie die aller Rinder, haben keine Zäpfchen für rotes Licht und sind dementsprechend „rot-farbenblind“. Stiere können also kein Rot sehen!

Nicht durch einen Stier, sondern „von einer Kuh zu Tode geschleift“ wurde 1917 Peter Prack aus Gertianosch. Im Jahre 1940 wurde Michael Hamm (39) aus Großjetscha „von einem Stier erdrückt“ und ein Jahr später wurde der 76-jährige Paul Maurer aus Deutschbentschek laut Sterbematrikel „durch einen Stier getötet“. Von einem Stier getötet wurde 1947 auch der 42-jährige Anton Jermer aus Nitzkydorf.

Es gab im Banat immer wieder vereinzelt auch Todesfälle durch Bisse tollwütiger Hunde. Kurios der Fall des 1844 in Klek geborenen und am 4. August 1912 in Kleinomor verstorbenen 68-jährigen Martin Petri. Die Todesursache ist in der Sterbematrikel mit Lungenentzündung angegeben, laut einer Familienaufzeichnung ist er aber an einer Blutvergiftung infolge eines Saubisses gestorben.