zur Druckansicht

Vortrag über die Bărăgandeportation: „Und über uns der blaue endlose Himmel“

Landesvorsitzender Richard S. Jäger während seines Vortrags über die Bărăgandeportation Foto: LV Baden-Württemberg

Die Kulturtagung des BdV-Landesverbandes Baden-Württemberg, seit vielen Jahren von Landeskulturreferent Albert Reich organisiert und geleitet, erfreut sich eines guten Rufes. Bei diesen Tagungen im Haus der Heimat in Stuttgart wird über unterschiedliche Themen zur Geschichte und Kultur der Deutschen aus den ehemaligen Siedlungsgebieten in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa referiert. Themen in Bezug auf die Banater Schwaben standen aber schon lange nicht mehr auf der Tagesordnung. Umso erfreulicher war es, dass es dem Landesverband Baden-Württemberg der Banater Schwaben in diesem Jahr gelungen ist, einen Referenten und ein geeignetes Thema vorzuschlagen, das in das Tagungsprogramm aufgenommen wurde. 

Richard S. Jäger, Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Baden-Württemberg, referierte am 25. September über die Deportation der Banater Schwaben in die Bărăgansteppe vor genau 70 Jahren. Er erinnerte mit seinem Vortrag „Und über uns der blaue endlose Himmel“ an die Tragödie, die im Sommer 1951 über rund 40000 Menschen hereinbrach. Das 20. Jahrhundert werde auch als ein Jahrhundert der Vertreibungen in die Geschichte eingehen, so Jäger. Die Banater Schwaben seien zweimal Opfer von Deportationen gewordenen: im Januar 1945, als sie zusammen mit weiteren Deutschen aus Südosteuropa zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurden, und im Juni 1951, mitten im Frieden, als rund 10000 Banater Schwaben in die Bărăgansteppe, das Sibirien Rumäniens, deportiert wurden. Der Referent erläuterte die Vorgeschichte der Deportation, die Vorgehensweise bei der Aushebung, den Ablauf, die ethnische und soziale Zusammensetzung der deportierten Gruppen sowie die Ankunft im Deportationsgebiet sowohl anhand von aussagekräftigem Bildmaterial als auch mittels Quellen, Dokumenten und Zeitzeugenberichten. Das Bildmaterial aus der Deportationszeit wurde mit modernster Technik koloriert und wirkte somit sehr lebendig. So gelang es, dieses grausame Verbrechen an unschuldigen Menschen dem Publikum sehr anschaulich und auch bewegend zu präsentieren. „Die Deportierten waren Sklaven des 20. Jahrhunderts, sie hatten nur Pflichten und keinerlei Rechte“, lautete das Fazit des Referenten.

Richard S. Jäger beleuchtete unterschiedliche Aspekte der Deportationszeit, von den schweren Anfängen in Stroh- und Erdhütten über den Bau der aus Lehm gestampften Häuser bis hin zum gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Leben, das sich unter schwierigen Bedingungen vollzog. Nur der feste Glaube und der Zusammenhalt innerhalb der Familien sowie der Deportierten untereinander habe diese leidvolle Zeit erträglicher gemacht und geholfen, sie zu überstehen, so der Referent. Gegenstand seines Vortrags waren auch die Menschenverluste während der Deportation, die Rückkehr ins Banat nach fünfjähriger Verbannung, die Reaktionen des Westens auf die Deportation sowie deren Auswirkungen und Folgen für die Betroffenen. Die menschenverachtende Zwangsumsiedlung, vom kommunistischen Regime Rumäniens in Friedenszeiten durchgeführt, sei einer der Gründe für die Aussiedlung der Banater Schwaben nach Deutschland gewesen, unterstrich Jäger.

„Während im Westen der Wiederaufbau begann und das Leben weiterging, starben im Osten Zehntausende in Lagern und während der Deportationen. Der materielle und vor allem der seelische Schaden lasteten wie ein Alptraum auf den zehntausenden Betroffenen“, sagte der Referent. Bei den meisten Banater Schwaben habe sich nach den erlittenen Demütigungen, der Enteignung ihres Vermögens, der Russlandverschleppung und dem Zwangsaufenthalt in der Bărăgansteppe die Überzeugung gefestigt, nur noch Fremde in der angestammten Heimat zu sein. Deshalb habe sich die überwiegende Mehrheit zur Aussiedlung nach Deutschland entschlossen, um in Freiheit und Würde leben zu können.
Jägers Fazit lautete: „Es ist unsere Verpflichtung als Verband, als Landsmannschaft der Banater Schwaben, an diese Tragödie zu erinnern, unsere Kinder zu Toleranz, Achtung vor der Würde des anderen und Respekt vor anderen Überzeugungen zu erziehen und ihnen eine bessere, friedvolle Welt zu hinterlassen.“ 

Trotz später Anerkennung des erlittenen Unrechts und der Maßnahmen zur Wiedergutmachung fehlen den Betroffenen fünf Jahre ihres Lebens. Jäger erwähnte in diesem Zusammenhang die versöhnliche Geste Rumäniens, auch den Kindern der ehemals Deportierten eine Entschädigungsleistung zu gewähren, sowie das gemeinsame Gedenken am 18. Juni 2021 auf dem Mannheimer Hauptfriedhof, wo der Generalkonsul Rumäniens in Stuttgart Dr. Radu Florea und der Landesvorsitzende Richard S. Jäger gemeinsam Kränze für die Opfer der Bărăgandeportation am Banater Gedenkstein niederlegten. Die Feier kann auf dem You Tube-Kanal des Landesverbandes Baden-Württemberg unter dem Stichwort „Gedenkfeier Baragandeportation“ angesehen werden. 

Das Publikum, das in seiner Mehrzahl von diesen Verbrechen noch nie etwas erfahren hatte, zeigte sich sichtlich interessiert und stellte im Anschluss an das Referat noch viele Fragen. Der Landesverband dankt Richard S. Jäger für die Vermittlung dieses für uns alle wichtigen geschichtlichen Themas.