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Der Tod hat viele Gesichter: Stürze ins Verderben. Banater Schicksale aus drei Jahrhunderten (Teil 8)

Grabstein des Ralf Eckart Nösner auf dem Friedhof in Liebling Foto: Helmut Ritter, 1996

Josef Gabriel d. Ä. (1853-1927) Quelle: Hans Weresch (Hrsg.), Josef Gabriel d. Ä. / Josef Gabriel d.J. – Ausgewählte Werke, 1985

Im Volksmund heißt es: „Hinfalle is ke Schand, nor leije bleiwe!“ Das kann man so sagen, wenn es sich um einen harmlosen Sturz oder im übertragenen Sinn um eine Niederlage handelt. Es gibt jedoch viele Arten von Stürzen. Manche Stürze enden tödlich – es sind Stürze ins Verderben.

So berichtet Wilhelm J. Merschdorf im Heimatbuch Tschakowa (1997), dass Michael Horeit (Horay), 46, am 3. Februar 1796 beim Holztransport aus dem Mazedonier Wald von seinem umstürzenden Fuhrwerk erdrückt worden war.

Ein Grabstein auf dem Friedhof von Glogowatz trägt folgende Inschrift: „Hier ruht Martin Fiala, der am 22. Januar 1926 von der hiesigen Elektrischen Bahn in seinem 22. Lebensjahr zum Tode gestürzt ist“. Auf dem Grabstein des 14-jährigen Michael Rastädter (1954-1968) aus Jahrmarkt heißt es: „Ein unglücklicher Sturz/ Brach ab dein Erdenleben“.

Unfälle mit dem Pferdewagen

Unfälle mit dem Wagen waren in einer Zeit, in der die Hauptbeschäftigung der Menschen im Banat die Landwirtschaft gewesen ist, keine Seltenheit.

Vor der Kirche in Charlottenburg steht ein Denkmal mit folgender Inschrift: „Zur ewigen Erinnerung unseres verunglückten Sohnes Johann Gall gestorben am 13. April 1910 im 15. Lebensjahre. Gewidmet von deinen untröstlichen Eltern Anton und Barbara Gall 1911“. Der Junge war mit einem mit Weingartenpfählen beladenen Wagen unterwegs. Den Zaum hielt er gewohnheitshalber immer um den Hals geschlungen. Da es bergab ging, kam der Wagen ins Rollen und die Pfähle überschlugen sich nach vorn. Johann fiel vom Wagen und wurde zu Tode geschleift.

In der „Geschichte der Gemeinde Sackelhausen“ (1925, S.106) heißt es bei Egidius Haupt: „Am 23. Juli 1911 stürzte die Magd – bei Johann May bedienstet – Katharina Kußin vom garbenbeladenen Wagen, geriet unter die Räder und starb“. In dem Band „Der Friedhof in Sackelhausen/Banat“ (1995, S. 227) von Michael Koppi und Peter Welker ist folgende Inschrift auf einem Grabstein zu lesen: „Hier ruht die durch Sturz verunglückte Katharina Kussin, gest. 23. Juli 1911 im 15. Lebensjahre“.

Unter den tödlichen Unfällen mit dem Pferdewagen, die Dr. Matthias Hoffmann in seiner Gertianoscher Monographie (1935) angibt, sind auch folgende zu finden: Nikolaus Seifart (1897), Nikolaus Tassinger (1898) und Matthias Zehr (1899). Die 23-jährige Anna Maria Klein, geb. Michels, aus Lenauheim ist 1914 beim Maisführen unter den Wagen gekommen. Tödlich vom Laubwagen gestürzt ist der 16-jährige Johann Schmitz (1902-1918) aus Deutschsanktmichael/Zillasch. Er ist der Onkel zu Johann Schmitz, welcher 1935, ebenfalls im Alter von 16 Jahren, in der Bega ertrunken ist. 

Auch Josef Gabriel d. Ä. starb an den Folgen eines verhängnisvollen Sturzes. Die Inschrift auf seinem Grabstein im Friedhof von Mercydorf lautet: „Hier ruht der Volksdichter Josef Gabriel, geb. 5. Nov. 1853, gest. 23. Juni 1927“. Andere Quellen geben als Todestag den 24. Juni an. Was den Sturz anbelangt, kursieren ebenfalls zwei Varianten. Dr. Anton Peter Petri gibt im „Biographischen Lexikon des Banater Deutschtums“ (1992) als Todesursache einen schweren Unfall bei der Erntearbeit an. Einen anderen Tatsachenbestand schildert Lotte Wilhelm in einem Beitrag über Josef Gabriel d. Ä., veröffentlicht in „Der Donauschwabe“ vom 12. Juni 1977. Die Angaben über das Leben Gabriels verdankte die Autorin der Enkelin des Dichters Elisabeth Heinrich aus Freiburg.

Kurz vor Pfingsten fuhr Josef Gabriel mit vier Enkelinnen nach Temeswar. Vor der Einfahrt in die Stadt sagte der Großvater: „Jetz hescht’s owacht gin. Aue uff, Maul zu, Kinner!“ Und wie es bereits 1131 Philipp von Frankreich, Mitregent seines Vaters König Ludwig VI. erging, dessen Pferd in Paris vor einem Schwein scheute, passierte es auch Gabriel. Plötzlich kam aus einer Seitengasse ein Mann mit einem mit Milchkannen beidseitig bepackten Esel. Wie der Kluge oft vor dem Dummen scheut, erging es Gidran: Er scheute weder vor Auto noch Straßenbahn, aber – vor einem Esel!

Das Unglück war nicht abzuwenden. Der Wagen kippte um und Gabriel schlug mit dem Kopf auf das Steinpflaster der Straße. Gut zwei Wochen musste er im Krankenhaus in der Stadt bleiben. Es schien ihm besser zu gehen. Er wollte in sein Dorf zurück: „Hem!“ Aber die Kopfschmerzen kamen wieder. „Des is mei End!“, sagte er. Wenige Wochen nach dem Unfall schloss er für immer die Augen.

Georg Sauer (geb. 1789 in Guttenbrunn) war von 1820 bis 1832 Pfarrer in Grabatz. Über seinen Tod berichtet die Pfarrchronik: „Am 31. August 1832 starb Pfarrer Georg Sauer in seinem 44. Lebensjahr. Er war in Begleitung des Nemetzerniaer und Hatzfelder Pfarrers nach Gottlob und Lovrin gefahren, auf dem Wege haben die Pferde den Wagen umgeworfen, Sauer wurde halb tot nach Hause gebracht, wo er gleich seinen Geist aufgab. Den anderen zwei ist Gott sei Dank nichts geschehen“.

Im Sommer 1948 hat Heinrich Franzen aus Moritzfeld (geb. 1890) Heu geführt, ist vom Wagen gefallen und hat sich einen „Rückgratbruch“ zugezogen. Am 28. Juni ist er 58-jährig verstorben (Anton Neff, Familienbuch Moritzfeld, 2016). Ernest Schmidt (1927-1964) aus Tschanad ist mit dem Wagen vom Maroschdamm gestürzt und wurde erst am nächsten Morgen gefunden.

Vom Gerüst gestürzt

Viele tödliche Unfälle ereigneten sich auf Baustellen. Im Heimatbuch Tschakowa (1997) berichtet Wilhelm Merschdorf, dass bei Bauarbeiten in der Reiterkaserne die Maurer Georg Derschka (27) und Franz Weber (27) am 6. August 1825 beim Einsturz des Baugerüsts tödlich verletzt wurden.

Die „Dettaer Zeitung“ vom 9. August 1896 bringt folgende Nachricht: „Vom Szent-Mártoner Kirchturme stürzte der Temeswarer Friedrich Straki und sein Schwager Wog herab, und blieben todt liegen. An dem Unglücke sollen die Hatzfelder Bauunternehmer Hersch und Weber die Schuld tragen, weil sie das Gerüst am Thurme trotz behördlicher Ermahnung nicht pölzen (abstützen) ließen“.

Im Jahre 1927 wurde in Billed die Kirche renoviert. Die Malerarbeiten übernahm Johann Sieber. Er starb infolge eines Sturzes vom Gerüst auf dem Weg ins Krankenhaus im Juni 1927 im Alter von nur 21 Jahren. Erstaunlich ist, dass sein Sohn, der vielseitige Sänger Hans Sieber-Brach (1928-2016), im Jahr 1977 zusammen mit seiner Frau Gerda den Innenraum derselben Kirche restaurierte, bei deren Renovierung sein Vater einst den Tod fand („Banater Post“, Nr. 5-6 vom 15. März 2019).

In Tolwad/Livezile ist der Maurer Franz Portscheller (1899-1929) bei der rumänischen Kirche vom Gerüst gefallen. Im Heimatbuch Großkomlosch (1983, S. 199) berichten Martin Kurzhals und Hans Diplich über einen tragischen Unfall. Im Jahre 1932 wurde die Turmhaube der Kirche erneuert und damals geschah das vielbesprochene Unglück: An einem Sonntagnachmittag im Mai erstiegen mehrere angeheiterte junge Männer das um den Turm gelegte Gerüst und fielen aus solcher Höhe allesamt in die Tiefe. Hans Kintsch, Franz Krisch und Anton Durst fanden dabei den Tod.

Tragisch war auch das Schicksal von Georg Kempf (1959-1979) aus Aradsanktmartin, Maurer in Arad. Als ein Gerüst zusammenbrach, stürzte der 20-Jährige am 16. September 1979 in den Tod – eine Woche vor seiner Hochzeit! Die Inschrift auf seinem Grabstein lautet: „Vor deinem schönsten Tag/ Erschallte Gottes Ruf/ Deine Hochzeit war/ Ein langer Leichenzug. /Deine treue Braut/ Traf der größte Schmerz/ Voll Weh sind auch/ Die Brüder und dein gutes Mutterherz“. Beim Begräbnis ging sein Mädchen als Braut angezogen.

Vom Baum gefallen

Stürze von Bäumen waren in unseren Banater Orten keine Seltenheit. So zum Beispiel stürzte Jakob Roth (geb. 1887) aus Lazarfeld 1922 beim Maulbeerschütteln so unglücklich vom Baum, dass er sofort tot war. 1929 ist Georg Rieger (33) aus Neubeschenowa vom Birnbaum und 1968 Johann Wegel (70) aus Mercydorf vom Nussbaum gestürzt. Einige Tage nach seinem Sturz vom Maulbeerbaum ist Mathias Sieber (1934-1975) aus Alexanderhausen gestorben.

Auf dem Grabstein des neunjährigen Ralf Eckart Nösner (1966-1975) aus Liebling steht: „Du warst uns Glück und Sonne“. Der Enkel von Friedrich Nösner, von 1953 bis 1975 Pfarrer in Liebling, ist am 3. November 1975 durch einen Sturz vom Baum ums Leben gekommen. Es war kein Haus, aus dem nicht jemand beim Begräbnis war. Blumen waren gestreut vom Großelternhaus Diebus, wo der verstorbene Junge aufgebahrt lag, bis in den Friedhof. Im Trauerhaus verabschiedete der Großvater Pfarrer Nösner sein Enkelkind. Kein Auge blieb trocken.

Immer wieder gab es auch tödliche Stürze vom Dachboden und in den Keller.  Johann Klein aus Gottlob ist 1970 im Alter von 16 Jahren verunglückt. Er ist beim Taubenfangen durch die offene Bodenluke kopfüber gestürzt. In der Sterbematrikel ist als Todesursache „vom Hausboden gestürzt und plötzlich gestorben“ angegeben.

Folgenschwere Fahrradstürze

Stürze mit dem Fahrrad waren zwar meistens harmlos, konnten aber auch tödlich enden. Auf dem Grabstein des Johann Wolf (geboren 1922, gestorben am 6. August 1952) aus Neupanat ist die Todesursache angegeben: „Hier ruht mein unvergesslicher Gatte und Vater, der verunglückt ist mit dem Fahrrad…“

Im Jahre 1972 besuchte Walther Konschitzky den 77-jährigen Peter Seeler in Neupetsch. Vetter Peter erzählte, dass ihm der Kuckuck, der im Volksglauben als Wahrsagevogel gilt, im Frühjahr im Garten, wo er „dreiunzwanzichmol gekloppt hot“, prophezeite, dass er 100 Jahre alt werden würde. „Un des mit dem hunert Johr alt were, des han ich dem Kuckuck net vergeß! Hoffentlich hot er sei Wort aach net vergeß“, so Vetter Peter. 

Das mit den hundert Jahren hat leider nicht geklappt. Die Ehefrau von Peter Seeler, Susanna Seeler, sagte 1980 im Gespräch mit Walther Konschitzky: „Er is gstorwe paar Wuche nochdem Ihr bei uns ward. (…) Was er verzählt hott, des war noch nimol in dr Zeitung, un er war schon tot. (…) Er is gfall mitm Bizikl“ (Dem Alter die Ehr, 1982, S. 110-111). Der Kuckuck hatte aber bestimmt keine Schuld am plötzlichen Tod von Peter Seeler! Vier Jahre später stürzte der 16-jährige Johann Geiß (1960-1976) im Park von Neupetsch mit dem Fahrrad und zog sich tödliche Kopfverletzungen zu.

Sturz-Mosaik

Lotte Wilhelm berichtet in „Der Donauschwabe“ vom 27. April 1997 über den Zeppelinabsturz bei Freidorf im September 1916. Das Luftschiff war zu einem Trümmerhaufen geworden: „Ein Spital nahm die Verwundeten und Toten auf. Alle wurden nach Temeswar gebracht“. Die Katastrophe forderte neun Todesopfer. Im Innerstädtischen Friedhof (Heldenfriedhof) von Temeswar, wo die fünf tödlich verunglückten Unteroffiziere beigesetzt wurden, steht ein Denkmal für die Opfer der Zeppelin-Katastrophe: „Dem Andenken der mit ihren Offizieren am 4. IX. 1916 mit dem L.Z. 86 verunglückten deutschen Luftschiffern“.

Tote gab es auch 1919 beim Abbruch der 1915 bei Sanktandres fertiggestellten Zeppelinhalle. Mathias Weber und Anton Peter Petri berichten darüber im Heimatbuch Sankt-andres (1981, S. 169). Die größte Tragödie ereignete sich im Mai 1919 durch unsachgemäßen Abbau des mächtigen Stahlgerüstes, das dabei zusammenstürzte und mehrere Menschen unter sich begrub. Unter den Toten befanden sich aus Neubeschenowa der 35-jährige Michael Jakobs, aus Sanktandres die Brüder Heinrich (geb. 1898) und Alois Schank (geb. 1901) und Nikolaus Noll (geb. 1899).

Sowohl Dr. Anton Lehmann als auch Lorenz Baron berichten über den tragischen Tod von Dechant-Pfarrer Rudolf Schummer. Am 13. Oktober 1944 sprengten deutsche Truppen den Kirchturm in Rudolfsgnad, damit die Sowjets ihn nicht als Beobachtungsstand verwenden können. Pfarrer Rudolf Schummer (geb. 1870) wurde von herabstürzenden Trümmern so schwer am Kopf verletzt, dass er noch am selben Tag starb.

Im Alter von 20 Jahren ist Konrad Scheer aus Schag 1954 von der Temeschbrücke gestürzt. Vom Silo an der Bahn heruntergefallen ist der Orzydorfer Elektriker Adam Scheible (1940-1964).

Ing. Heli Massong (1935-1964) aus Lovrin starb im Alter von 29 Jahren bei einem Flugzeugabsturz. Bereits 1932 kam der Ozeanflieger Georg Endresz (geb. 1893 in Perjamosch) bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Rom ums Leben. 1931 war ihm und seinem Navigator Alexander Magyar mit dem Flugzeug „Justice for Hungary“ ein Nonstopflug von Neufundland (Amerika) nach Budapest gelungen.

Im Friedhof von Triebswetter befindet sich ein Gedenkstein mit folgender Inschrift: „Gedenkstein für Käthe Wiewe, Sport-Prof. Tödlich verunglückt beim Besteigen der Caraiman-Spitze durch Lawineneinwirkung am 18. Juli 1969 im 22. Lebensjahr. Unser ganzes Sein, / Wuchs aus Deinem Leben…“

Der Tod durch Lawinen war für die Banater eine Seltenheit. Einige Soldaten sind im Ersten Weltkrieg an der Italienfront durch Lawinen ums Leben gekommen, wie zum Beispiel Adam Rosenzweig aus Grabatz, „gestorben den Heldentod fürs Vaterland durch Lawinensturz in Nassfeld am 12.03.1916 im 41. Lebensjahre“. Der Nassfeldpass in den Karnischen Alpen in Kärnten war im Ersten Weltkrieg Kriegsschauplatz.

Am 20. September 1969 ist Erika Franz, geb. Oberding (geb. 1940) aus Neuarad im Urlaub vom Berg gestürzt. Johann Trendler aus Billed stürzte 1972 im Alter von 43 Jahren von einem Erdölförderturm (in der Sterbematrikel heißt es „Sturz vom Petroleumturm“) ab. Ein Sturz vom Pfosten der Telefonleitung beendete 1977 das Leben des 37-jährigen Franz Serbetzky aus Bruckenau. Und die Beispiele könnten fortgesetzt werden.