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Nicht der Kater, sondern Katar kann kommen

Deutschland gegen Rumänien, das Mutterland gegen das Vaterland – beim Hamburger Qualifikationsspiel zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar 2022 dürften bei vielen Landsleuten zwei Herzen in der Brust geschlagen haben. Wem sollten sie die Daumen drücken? Dem einen? Dem anderen? Oder beiden? Gewinner konnte es nur einen geben. Wieder hieß er Deutschland, das sich mit 2:1 zum Sieg zitterte.

Jogi ist weg, Hansi da – und viel Augenwischerei in den Medien. Nach fünf Siegen in Folge jubelten die meisten Experten, als sei Deutschland zum fünften Mal Weltmeister geworden. Doch gegen wen wurde gewonnen? Rumänien ist 41. der Weltrangliste, Island 62., Nordmazedonien 74., Armenien 89. und Liechtenstein 190. Im Boxen nennt man solche Gegner Fallobst. Die medialen Lobhudler hätten stattdessen an die Aussage des früheren Bundesligatrainers Hans Meyer denken sollen: „Ich weiß, wie schnell man Denkmäler aufbaut und wie schnell man sie anpinkelt.“ Das wird schon nach der ersten Niederlage passieren.

Denn beim DFB-Team ist nicht alles Gold, was glänzt. Was gegen die mutigen Rumänen offen zutage trat. Hinten links war nix recht und schon bald schlug es ein: Ianis Hagi umkurvte Kehrer, Goretzka und Rüdiger, schob Letzterem den Ball durch die Beine und lochte mit Vollspann ein. Der düpierte Rüdiger dürfte noch immer Albträume haben. Deshalb sollte er den Ratschlag des früheren Bundesligatorhüters Dirk Heinen befolgen: „Wir halten den Kopf hoch, auch wenn der Hals schon dreckig ist.“

Es war die erste Führung der Rumänen in einem Pflichtspiel auf deutschem Boden. Zuletzt lag Rumänien gegen Deutschland in einem Punktspiel vor 21 Jahren vorn – bei der EM 2000 in Belgien. Lang, lang ist’s her... 

Im deutschen Spiel knirschte es manchmal so laut, als ob die Trainerbank zusammenbrechen würde. „Vergleicht man unsere erste Halbzeit gegen Nordmazedonien mit dem Nations-League-Finale Frankreich gegen Spanien tags zuvor, so schien es sich um eine andere Sportart zu handeln“, schrieb mein früherer Sportchef Alfred Draxler in BILD. Und ein aus Grabatz stammender Landsmann mailte: „Fußball wie aus der dritten Welt.“

Gegen Rumänien rannten die Deutschen zwar pausenlos an, aber die Passgenauigkeit fehlte. Noch mehr fehlte ein Torjäger wie Gerd Müller, Uwe Seeler, Horst Hrubesch, Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff oder Miroslav Klose. Wo sind ihre Nachfolger denn nur geblieben? Jogi hat Hansi keinen Mittelstürmer vererbt, weil er selbst keinen hatte. Und so fehlt Flick das Personal für „Flanke, Kopfball, Tor“.

„England hat mindestens sieben klassische Mittelstürmer, die in der Nationalmannschaft spielen könnten. Warum haben wir das nicht? In der Breite haben wir das nicht“, kritisierte Trainer Jürgen Klopp vom FC Liverpool. Vielleicht kann man ja einen von den Briten ausleihen...

Denn Deutschland hat die Produktion von Mittelstürmern eingestellt. Mit negativen Folgen! „Müller erlöst Flick“, schlagzeilte BILD nach dem Rumänienspiel. Damit war nicht etwa der „Bomber der Nation“ Gerd Müller gemeint. Gott hab’ ihn selig! Sondern sein Namensvetter Thomas von den Bayern. Und die Rumänen? Sie spielten mit fünf Verteidigern, verließen sich aufs Kontern wie beim 0:1. Torschütze Ianis Hagi ist Sohn des rumänischen Jahrhundertfußballers Gheorghe Hagi. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Von den Zeiten des Karpaten-Maradona ist Rumänien aber kilometerweit entfernt. 

Fazit: Deutschland hat sich bereits für die WM-Endrunde qualifiziert. Die Rumänen haben als Tabellenzweiter ganz gute Chancen. Vielleicht sehen sich beide nächstes Jahr in Katar wieder. Dann wird der Erfolgsdruck wachsen. Deshalb sollten sie es mit dem legendären Trainer Max Merkel halten. Der Österreicher antwortete auf die Frage, ob er Druck verspüre: „Wenn i a Obst ess, spür i a Druck.“ Na, also! Nicht der Kater, sondern Katar kann kommen. Bis dahin ist es noch ein Jahr. Oder um es mit Hans Meyer zu sagen: „Wenn kein Gegner mehr da ist, ist Fußball richtig schön.“ Sein Wort in Gottes Ohr...