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Der Tod hat viele Gesichter: Ertrunken in des Flusses Wellen. Banater Schicksale aus drei Jahrhunderten (Teil 6)

Grabstätte des Franz Seidl (1954-1983) auf dem Friedhof in Schöndorf. Er verlor sein Leben in den Fluten der Marosch. Foto: Helmut Ritter, 1996

Werner Arend aus Warjasch ist 1968, mit nur 18 Jahren, in der Marosch ertrunken. Foto: Familienarchiv

Wasser ist Leben. Flüsse sind Lebensadern. Siedlungen und Verkehrswege orientieren sich an ihnen. Sie sind für die Menschen lebensnotwendig und gefährlich zugleich. Viele sind in ihren Fluten ertrunken. Auch Johannes von Nepomuk, Landespatron von Böhmen und Schutzheiliger des Banats, erlitt den Ertrinkungstod. Er wurde von König Wenzel I. gefangen genommen und am 20. März 1393 in Prag von der Karlsbrücke in die Moldau gestürzt und ertränkt. Erst als Schutzpatron des Banats wurde Johannes im Jahre 1729 von Papst Benedikt XIII. heiliggesprochen. Nepomuk gilt als Brückenheiliger.

Ertrunken sind die Menschen nicht nur in den großen Grenzflüssen des Banats Donau, Marosch und Theiß, sondern auch in kleineren Flüssen wie Temesch, Bega, Bersawa oder Poganisch, ja sogar in den Grundkaulen am Rande der Dörfer. Auch bei Überschwemmungen fanden Menschen und Tiere den Tod. Mit welchen Schwierigkeiten zum Beispiel die Postbeförderung bei Hochwasser zu kämpfen hatte, dafür zeugt auch die Anzeige des Tschanader Verwalteramtes vom 9. Februar 1752 an die Administration: „dass die Ordinari-Post von Pagat nach Szent Niklos zwar angelangt, der Postillon aber samt Pferd (…), die sich auf dem gewöhnlichen Weg in die ausgegossene Aranka begeben, ertrunken seien“. (Heimatbuch Großsanktnikolaus, 2005, S. 268)

Für den Wahrheitsgehalt der von Gewährspersonen gemachten Mitteilungen übernehmen wir keine Garantie.

Ertrunken in der Temesch und Bega

Die Temesch ist eigentlich der Hauptfluss des Banats. Sie entspringt im Semenikgebirge, ist rund 340 Kilometer lang und mündet bei Pantschowa in die Donau. Josef Kupi schreibt im Heimatbuch Neupetsch (1987, S. 376): „Sicher hat der Fluß in jedem Jahr seine Opfer gefordert. (…) Den Kindern war es untersagt, allein baden zu gehen. Die Bauern sind nur an sehr heißen Tagen mit Roß und Wagen zum Baden gefahren“.

Im Heimatbuch Tschakowa (1997, S. 537-538) listet Wilhelm J. Merschdorf ungewöhnliche Sterbefälle aus den Kirchenbüchern zwischen 1725 und 1852 auf. Unter den Toten sind viele, die in der Temesch ertrunken sind („In Temesio submersus“). Meist sind es Jugendliche oder Soldaten der Tschakowaer Reiterkaserne, die in der warmen Jahreszeit in der Temesch ertrunken sind. Einige Beispiele: Franz Withig, 16 Jahre (1737), Sohn des Tschakowaer Arztes; Franz Haufenblat, 18 (1787), Soldat aus Sachsen; Peter Benesch, 24 (1787), Soldat aus Böhmen; Albert Rossi, 14 (1816), Siedler aus Italien; Johann Brandeisz, 14 (1825); Lorenz Fischer, 39 (1837), ertrunken beim Pferdebaden, u.v.a. Insgesamt sind 49 Personen in der angegebenen Zeitspanne in der Temesch ertrunken.

Heinz Hoffman (1944-1965) aus Rekasch ist an der Temesch vom Steilufer gesprungen, hat sich an der Wirbelsäule verletzt und war drei Jahre bis zu seinem Tod gelähmt.

Pfarrer Josef Bosch (geb. 1892) war nur sechs Monate Seelsorger in Josefsdorf. Hans Klein schreibt im Heimatbuch (1986) über den tragischen Tod des Pfarrers Bosch 1924 beim Baden in der Bega. Er ertrank bei einem Kopfsprung auf einen Fischkorbpfahl. Erst nach drei Tagen wurde seine Leiche aufgefunden und in seine Heimatgemeinde Großjetscha überführt.

Über einen nicht alltäglichen Unfall, welcher sich am 10. August 1932 bei der Weizenabfuhr in Klek ereignete, berichtet Lorenz Lang in „150 Jahre Lazarfeld 1800-1950“. Der 24-jährige Josef Hipfel wollte, nachdem er den Weizen in den Schiffsschlepper verladen hatte, seine Pferde im Begawasser baden. Die Pferde gerieten in eine Untiefe und beim Versuch, sie zu retten, fand der Nichtschwimmer samt seinen Tieren den Tod in den Fluten. In der Bega ertrunken ist 1935 auch Johann Schmitz aus Deutschsanktmichael im Alter von 16 Jahren. 

Ertrunken in der Marosch

Wenn man im Banat jemanden loshaben wollte und zum Teufel wünschte, sagte man: „Geh doch in die Marasch (Marosch)!“

Die „Banater Post“ vom 15. September 2019 veröffentlichte unter dem Titel „Mir fahre an die Marasch“ einen interessanten Beitrag von Franz Heinz. Die Marosch oder Mieresch ist mit rund 760 Kilometern Länge der bedeutendste Nebenfluss der Theiß. Sie hat ihren tragischen Moment, schreibt Heinz, „wenn einer aus Verzweiflung ins Wasser geht oder ein Nichtschwimmer in einen Strudel gerät und den Boden unter den Füßen verliert“.

Auch Schwimmer sind in der Marosch ertrunken. Im Sommer ist man mit Kind und Kegel an die Marosch baden gegangen beziehungsweise gefahren. In seinem Beitrag „Die Marosch im Banat“ (Banater Kalender 2012, S. 285) schreibt Georg Schmidt: „Gebadet hat man nur in Ufernähe, denn die allerwenigsten Dorfbewohner konnten schwimmen. Dazu beigetragen hat auch eine sprichwörtliche Angst vor dem Wasser: Viel zu viele sind im Laufe der Jahre in der Marosch ertrunken. Ich kann die Angst meiner Großmutter verstehen, wenn ich als Kind zur Marosch baden ging. Seltsam fand ich aber ihre Drohung: ‚Versauf net, schunst schlaa ich dich tot!‘ So unlogisch dies auch klang, gewirkt hat es allemal!“

Ein Grabstein im Friedhof von Neudorf trägt folgende Inschrift: „Peter Zetto, gebürtig von Daruvár den 28. August 1887, beim Militär ertrunken in der Maros den 20. August 1909“.

Im Friedhof von Neuarad befindet sich ein Grabstein mit einer ungewöhnlichen Inschrift. Sie lautet: „Hier ruht unsere unvergesliche Tochter Anna Schortje. Starb am 12. September 1910 in ihrem 32. Lebensjahre einen traurigen unbestimmten Tod in der Marosch bei Arad, schuld einer unvorsichtigen Überführung. Der Kahn schwamm mit 15 Personen bis zur ersten Mühle und stürzte durch großer Bewegung und Aufregung der Leute. Dann gab sie mit noch einer Person ihren Geist auf“.

„Des Flusses Wellen beziehungsweise Wasserwellen große Macht, hat dir früh den Tod gebracht“ ist öfter bei Ertrunkenen auf dem Grabstein verzeichnet, wie zum Beispiel bei dem 11-jährigen Josef Getsch aus Engelsbrunn (gest. 9. Juni 1938). Am 25. Juni 1943 sind in Engelsbrunn gleich vier Personen in der Marosch ertrunken: Johann Fisch (44), Johann Klepp (23), Maria Hartmann, geb. Vogel (48) und Katharina Hollocker, geb. Krebs (22).

Im Alter von 18 Jahren ist Josef Roth aus Saderlach am 10. Juli 1937 in der Marosch ertrunken. Am 28. Dezember 1948, es war ein Dienstag und Semlaker Markttag, kenterte die Semlaker Plätte auf der Marosch und versank. Sie hatte 22 Fahrgäste, drei Fuhrwerke und sechs Pferde geladen. Bei dem Unglück sind 13 Menschen und die Pferde ertrunken. (Georg Schmidt, Semlak. Ein Heimatbuch, 2016)

Anton Schlett aus Schöndorf ist 1952, 14 Jahre alt, in der Marosch ertrunken. Auch andere Schöndorfer haben ihr Leben in den Fluten der Marosch verloren, wie Ewald Biringer (1960-1971) und Franz Seidl (1954-1983), Vater von drei kleinen Mädchen.

Johann Krutsch aus Wiesenhaid ist als 19-Jähriger am 10. Juli 1957 ertrunken. Fast auf den Tag genau 20 Jahre später, am 7. Juli 1977, ist Helmut Kettenstock, ein Neffe von Johann Krutsch, im Alter von 16 Jahren in den Fluten der Marosch umgekommen.

Im Friedhof von Warjasch befinden sich die Grabstätten der in der Marosch ertrunkenen Erwin Gillich (1958, 16 Jahre alt) und Werner Arend (1950-1968). Werner besuchte das Gymnasium in Neuarad. Während eines Badeausflugs mit Freunden an die Marosch stieß er beim Rückenschwimmen mit dem Kopf an eine Pontonbrücke und verletzte sich schwer. Trotz intensiver Suche aller wurde er erst Tage später tot aufgefunden.

Franz Tittenhofer aus Gottlob ist 1961 in der Marosch bei Arad ertrunken. Er ist von einer Brücke gesprungen und nicht mehr aufgetaucht. Am 4. August 1971 sind Anna Pommersheim (geb. 1956, 15 Jahre) und Katharina Pommersheim (geb. 1958, 13 Jahre) aus Neuarad in der Marosch ertrunken. Auch Monika Gillich (1962-1974) aus Deutschsanktpeter hat in der Marosch den Tod gefunden. 

Ertrunken in der Bersawa und Poganisch

Die „Dettaer Zeitung“ vom 22. August 1897 bringt folgende Nachricht: „Ertrunken ist der 10-jährige Isidor Berg, Sohn des Simon Berg am Montag, den 16. d.M. 5 Uhr Nachmittag in der Berzawa bei der Kaisermühle“.

„Die Poganisch war im Sommer das Nitzkydorfer Freibad: nach dem Schnitt fuhr die Bauernfamilie zum Reinigungsbad, auch die Pferde wurden ins Wasser getrieben. An warmen Sommertagen, sonntags, gingen Burschen zum Baden hinunter, einige tödliche Unfälle waren im Laufe der Jahre leider zu beklagen“ (Heimatbuch Nitzkydorf, 1994, S. 402). Msgr. Dr. Franz Kräuter nennt einige Namen. So ist Martin Kräuter 1820 in der Poganisch ertrunken, in den 1930-er Jahren ereilte dort auch Karl Mellinger und Heinrich Stöckl der Tod.

Gerhard Just aus Mercydorf, 12 Jahre alt, der einen Teil seiner Sommerferien bei Verwandten in Kleinomor verbrachte, ist am 9. August 1953 beim Baden in der Bersawa in Großomor ertrunken. In Bokschan in der Bersawa ertrunken ist Franz Psikula (1955-1970) aus Tirol.

Ertrunken in Kaulen, Brunnen und im Meer

1881 ist Josef Wilhelm in Sackelhausen in der Neugässer Kaul ertrunken (Egidius Haupt) und der 13-jährige Johann Schlupp aus Kleinsiedel fand 1932 in der Grundkaul am Ende des Dorfes den Tod. Im Jahre 1948 ist Mathias Kihm (59) aus Gertianosch ertrunken. In der Sterbematrikel ist sein Tod wie folgt angegeben: „Ist in eine Wasserkaul gefallen und wurde nach 16 Tagen aufgefunden“.

Im Sommer 1942 traf die Familie Dr. Josef Klein aus Grabatz ein herber Schlag: Ihr einziger Sohn Richard ertrank beim Baden in den Ziegellöchern.

Josef Schmidt (1933-1951) aus Neubeschenowa, 18 Jahre alt, hat beim Baden in der Kaul einen ertrinkenden Soldaten retten wollen und ist dabei selbst ertrunken. Beim Begräbnis sagte seine Mutter: „Du hast dein Leben gegeben für einen anderen“.

In der Lenauheimer Sterbematrikel ist der Tod der 27-jährigen Barbara Laub, geb. Schneider (aus Bogarosch), Ehefrau des Michael Laub, gestorben 1910, wie folgt angegeben: „aquam pluviarum e cisterna hauriens incidit in eam et suffocata est“ (Als sie aus einer Zisterne Regenwasser nahm, ist sie hineingefallen und ertrunken).

Was den Ertrinkungstod in Brunnen betrifft, so handelte es sich vornehmlich um Selbstmorde und weniger um Unfälle. Über einen Unfall berichtet Egidius Haupt in der „Geschichte der Gemeinde Sackelhausen“ (1925). „Am 10. Januar 1911 ist der langjährige Meßner Peter Bergauer im Pfarrhof in den Brunnen gefallen und ertrunken“. Josef Demele aus Wetschehausen, 12 Jahre alt, ist 1929 beim Tränken der Pferde in den Brunnen gestürzt. 

Willi Beitz (1951-1966) aus Glogowatz ist im Alter von 15 Jahren im „Teich“ (Kälwerschluut) im Glogowatzer Wald ertrunken. Noch heute erinnern sich viele Glogowatzer an die von Lehrer Franz Pretz bei der Beerdigung gehaltene ergreifende Trauerrede. Jakob Jung aus Neupanat, 13 Jahre alt, ist 1967 in einem Kanal auf dem Feld ertrunken. Der 10-jährige Harry Brück (1969-1979) ist in Hatzfeld im Dorfteich ertrunken und wurde in Lenauheim zu Grabe getragen.

Am 22. Juli 1984 verstarb in Kowatschi der aus Sanktandres stammende Franz Witofsky im Alter von 33 Jahren an den Folgen einer beim Baden im „Graben“ am Dorfrand zugezogenen Verletzung. Auf den Hinweis, dass es gefährlich sei, kopfüber ins wenig tiefe und tückische Wasser zu springen, entgegnete Franz: „Noch des eeni Mol spring ich, un dann nimmer!“ Dieses „noch einmal“ war eben einmal zu viel! Er starb nach einigen Tagen im Krankenhaus.

Auf dem Grabstein des Jakob Bomans aus Traunau – er war Rasierer-Lehrling in Bukarest –, steht zu lesen: „Er fand sein Tod am 6. August 1930 im Flusse Ialomiza bei Zintarie in seinem 18. Lebensjahr“. Im Jahre 1956 ist Johann Dobosch aus Darowa als Soldat im Pruth bei Jassy im Alter von 21 Jahren ertrunken. Im Alter von 30 Jahren ist Hans Kreutzer aus Moritzfeld, Bautechniker in Reschitza, am 23. Juni 1963 im Stausee bei Franzdorf (Văliug) ums Leben gekommen.

Ertrunken im Schwarzen Meer ist der 17-jährige Alfred Leugner (1950-1967) aus Triebswetter. Alfred hat in Temeswar die Lenauschule besucht. Unseres Wissens war seine Mutter alleinerziehend, was auch die Inschrift auf seinem Grabstein erklärt: „Liebe Mutter, Du kannst mich nun nicht mehr haben! / Ich hab Dir geholfen manch Kummer und Sorge tragen, / Zum Trost denk an unsere frohe Zeit, / Und bete für mich in Ewigkeit“.

Hansi Watz (geb. 1950) aus Neuarad ist nach bestandener Aufnahmeprüfung für die Hochschule am 24. Juli 1969 im Alter von 19 Jahren in den Wellen des Schwarzen Meeres umgekommen.

Die Freiheit gesucht – den Tod gefunden 

Hans Wolf (1956-1979) aus Sackelhausen wollte über die Donau nach Jugoslawien flüchten und wurde im Wasser erschossen. Egon Brandenburg ist bei einem Fluchtversuch in der Marosch ertrunken, sein Leichnam konnte erst nach drei Monaten geborgen werden. Er wurde am 18. Juli 1989 in Großsanktnikolaus beerdigt. 

Viele Menschen haben in der Ära Ceauşescu versucht, die Grenze illegal zu überqueren, und gar mancher hat dieses Wagnis mit dem Leben bezahlt. Nicht wenige sind in der Donau ertrunken. Im Vorwort zum Buch „Die Gräber schweigen. Berichte von der blutigsten Grenze Europas“ (2008) schreibt Johann Steiner über den Friedhof von Novi Sip: „Anfang 1990 habe ich an den Gräbern jener rund 35 Männer gestanden, deren Leichen im Laufe von 19 Jahren ans serbische Ufer bei Novi Sip geschwemmt wurden“.