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Alle unter einem Dach

Berlin-Charlottenburg, Kaiserdamm 83: hier hatte die Vereinigung der Deutschen aus Rumänien ihren Sitz Foto: Ernst Meinhardt

Die Vereinigung der Deutschen aus Rumänien teilt der Landsmannschaft der Banater Schwaben ihre Gründung mit.

Die ersten drei Paragraphen der am 24. August 1951 verabschiedeten Satzung der Vereinigung der Deutschen aus Rumänien

Vor genau 70 Jahren, am 24. August 1951, gründeten in Berlin Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Buchenland- und Bessarabiendeutsche einen gemeinsamen Verband: die „Vereinigung der Deutschen aus Rumänien“. Aus ihr gingen 1955 die Landsmannschaften hervor. Der Bauingenieur Rudolf Kartmann, geboren 1920 in Schässburg, gestorben 2017 in Riegelsberg bei Saarbrücken, war nicht nur Mitbegründer der „Vereinigung“ und später der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, sondern er gehörte auch von Anfang an dem Vorstand beider Verbände an. In einem Interview, das Johann Schöpf und Ernst Meinhardt mit ihm in Berlin führten, erzählte er, wie es zur Gründung der „Vereinigung“ kam und weswegen sie auseinanderbrach.

Im Sommer 1951 wurde in Berlin  die „Vereinigung der Deutschen aus Rumänien“ gegründet. Wie kam es dazu?

Im Sommer 1951 lud uns mein siebenbürgischer Landsmann Oswald Schönauer in seine Wohnung ein. Wir waren zu siebt: vier Siebenbürger Sachsen, ein Bessarabiendeutscher, die anderen drei waren, wenn ich mich richtig erinnere, Banater Schwaben. Schönauer erklärte uns: Es kommen viele Landsleute aus Russland zurück. Junge Mädchen, die aus Rumänien nach Russland deportiert worden waren, kommen in diese große Stadt Berlin und sind hier völlig verloren. Es kommen auch Leute von der Waffen-SS her, die nicht nach Rumänien zurückkehren können und hier in der Stadt verloren sind. Wir sollten einen Verein gründen, der sich um diese Leute kümmert. Schönauer war damals Oberregierungsrat in einer Berliner Behörde. Auf seinen Vorschlag hin haben wir dann am 24. August 1951 die „Vereinigung der Deutschen aus Rumänien“ gegründet.

Im September 1951 wurden wir zu einer Sitzung des Berliner Landesverbands der Vertriebenen (BLV) eingeladen und in den BLV aufgenommen. Am Sitz des BLV in Charlottenburg am Kaiserdamm bekamen wir ein Zimmer und eine Küche zugewiesen, wo wir dann unser Büro eingerichtet haben. Dort waren auch alle anderen Landsmannschaften unter dem Dach des BLV angesiedelt.

Das Berliner Vereinsregister hat uns mitgeteilt, dass sich die „Vereinigung der Deutschen aus Rumänien“ nie als „eingetragener Verein“ hat registrieren lassen. Stimmt das?

Das ist möglich, denn das „e.V.“ haben wir nicht im Namen geführt. 

Sie waren ursprünglich sieben Gründungsmitglieder. Wie schnell ist die Mitgliederzahl gewachsen? 

Das kann man schwer sagen. Es war aber so, dass jeder Rumäniendeutsche, der einen Vertriebenenausweis oder einen Personalausweis brauchte, von den Behörden zu uns geschickt wurde. So kamen wir an die Leute heran. Was unsere höchste Mitgliederzahl war, weiß ich nicht mehr. Die Zusammensetzung war aber in etwa so: 60 Prozent Siebenbürger Sachsen, 25 Prozent Banater Schwaben, 15 Prozent Buchenlanddeutsche einschließlich einige wenige Deutsche aus dem rumänischen Altreich und einige wenige Bessarabiendeutsche.

Warum wurden Leute, die einen Vertriebenenausweis oder einen Personalausweis beantragten, von den Behörden zu Ihnen geschickt?

Wir hatten die Aufgabe, Bescheinigungen über die deutsche Volkszugehörigkeit auszustellen. Die Leute kamen zu mir in die Sprechstunde. Ich habe sie auf Siebenbürgisch-Sächsisch angesprochen. Wenn sie mir in unserer Mundart antworten konnten, war für mich klar, dass sie Siebenbürger Sachsen waren. Dann bekamen sie eine von mir unterschriebene Bescheinigung. Von mir ging diese Bescheinigung zum BLV, der sie gegenzeichnete und mit einem Stempel versah. Damit gingen die Leute zur Behörde, wo sie die Ausweise bekamen, die sie haben wollten. 

Gab es auch für die Banater Schwaben einen Mundarttest?

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir für sie etwas Ähnliches gehabt hätten.

Wie oft fand Ihre Sprechstunde statt? 

Jeden Dienstag und jeden Freitag von 17:00 bis 20:00 Uhr. Meistens ging es aber bis 22:00 Uhr. 

Haben Sie den Leuten, die in Ihre Sprechstunde kamen, nahegelegt, der ‚Vereinigung‘ beizutreten?

Ja. Aber die meisten wollten so und so mitmachen. 

Wie hoch war der Mitgliedsbeitrag?

Eine D-Mark im Monat. 

Wenn man das im Verhältnis zu dem sieht, was die Leute damals verdienten, war es viel oder wenig?

Ich habe damals brutto 400 D-Mark verdient. Netto blieben 245 D-Mark übrig.

Damals war Berlin schon in vier Sektoren aufgeteilt, einen amerikanischen, einen britischen, einen französischen und einen sowjetischen Sektor. Sind in die ‚Vereinigung‘ auch Leute gekommen, die im Ostteil Berlins, also im sowjetischen Sektor, wohnten?

Ja. Es kamen zu uns sogar Leute, die in der DDR wohnten. 

Hatten sie keine Probleme, nach West-Berlin zu kommen?

Nein, es gab ja noch keine Mauer.

Dennoch stand die DDR den Vertriebenen und ihren Verbänden immer ablehnend, mitunter auch feindselig gegenüber. Da war die ‚Vereinigung der Deutschen aus Rumänien‘ wahrscheinlich keine Ausnahme, oder doch?

Ich erinnere mich an einen Vorfall, der sich aber bereits nach der Auflösung der ‚Vereinigung‘ ereignete. An einem ‚Tag der Heimat‘ kam ein Banater Schwabe aus Ost-Berlin zu mir und sagte: „Herr Kartmann, ich weiß nicht, was ich tun soll. Die haben mich herübergeschickt mit dem Auftrag, ich soll ihnen alles berichten, was hier getan und gesprochen wird.“ Ich habe das unserem Vorsitzenden Dr. Oskar Schuster vorgetragen. Er sagte: „Er soll ruhig hinübergehen und alles erzählen. Wir haben hier keine Geheimnisse.“ Am Nachmittag kam der Banater Schwabe wieder zu mir und sagte: „Ich bleibe hier in West-Berlin.“

Abgesehen von den Beratungen in Ihrer Sprechstunde, was wurde den Mitgliedern sonst noch geboten?

Die Leute waren froh, dass sie sich irgendwo mit Landsleuten treffen konnten. Mit fünf Mädchen, die aus Russland entlassen worden waren, habe ich angefangen zu singen. Wir hatten keine Liederbücher, keine Noten, gar nichts. So haben wir zusammengetragen, was wir noch an Texten im Gedächtnis hatten. Daraus hat sich im Laufe der Zeit ein Chor entwickelt. Am Schluss war es ein Chor von 40 Leuten, der vierstimmig gesungen hat. 

Wie ist die ‚Vereinigung‘ von der Berliner Politik wahrgenommen worden?

Zu politischen Parteien hatten wir meines Wissens überhaupt keinen Kontakt. Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Sitzung beim BLV. Die meisten BLV-Leute waren Mitglieder der CDU. Nur der Vertreter der Pommern war SPD-Mann. West-Berlin wurde damals von der SPD regiert. Als es darum ging, ob der BLV finanzielle Hilfen des Landes Berlin annehmen soll, sagte der Vertreter der Pommern, wir sollten uns keine goldenen Ketten anlegen lassen.

Hat die ‚Vereinigung‘ bzw. haben später die Landsmannschaften mit dem Bund der Vertriebenen (BdV) in Bonn zusammengearbeitet?

Ja, es war aber immer so, dass viele unserer Landsleute dem BdV skeptisch gegenüberstanden. Sie sagten: BdV, ja. Aber nicht zu nahe dran, sonst schaden wir unseren Landsleuten, die noch in  Rumänien sind. Denen sagte ich: Wenn wir mit dem BdV beziehungsweise mit seinen Vorläufern nicht zusammengearbeitet hätten, also dem Verband der Landsmannschaften und dem Bund vertriebener Deutscher, und wenn wir 1950 die Charta der Heimatvertriebenen nicht unterschrieben hätten, dann hättet ihr alle, wie ihr hier sitzt, als Asylbewerber nach Deutschland kommen können, aber nicht als Deutsche. 

1955 ist die ‚Vereinigung‘ auseinandergegangen. Aus ihr gingen die Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen, der Banater Schwaben und der Buchenlanddeutschen hervor. Wie kam es zu diesem Bruch?

Das „Problem“ war, dass wir Sachsen sehr aktiv waren. Wir hatten den Chor. Wir hatten eine Trachtengruppe. Wir hatten eine Tanzgruppe. Da machten auch zwei Banater Schwäbinnen mit. Aber ansonsten hatten die Banater Schwaben nichts Vergleichbares. Dr. Franz Kleitsch, der Vertreter der Banater Schwaben im Vorstand der ‚Vereinigung‘, verlangte dann, dass auf jede siebenbürgische Veranstaltung eine banat-schwäbische Veranstaltung kommen sollte. Das passte uns nicht. Wir sagten: „Wenn wir das machen, dann müssen wir unsere Aktivitäten zurückfahren.“ Das war der Hauptgrund, weswegen wir auseinandergegangen sind.

Wie war das mit der Parität gemeint? Was wollte Dr. Kleitsch konkret?

Er meinte, wenn es eine Veranstaltung mit siebenbürgischem Charakter gibt, dann muss es hinterher eine Veranstaltung mit Banater Charakter geben. Zahlenmäßig sollte sich das die Waage halten. Im Gegensatz zu uns Siebenbürgern organisierte Dr. Kleitsch weniger aufwändige Veranstaltungen, zum Beispiel Vorträge. Wir hatten mal, um nur ein Beispiel zu nennen, die berühmte Theater- und Filmschauspielerin Joana Maria Gorvin zu einer Lesung hier. Sie war Siebenbürger Sächsin, stammte aus Hermannstadt, hieß eigentlich Maria Gerda Glückselig, kam gleich nach ihrem Abitur nach Berlin. Die Veranstaltung mit ihr hat Dr. Kleitsch eingefädelt.

Ging die Trennung in der ‚Vereinigung‘ friedlich über die Bühne oder im Streit?

Na ja, geknistert hat es bei uns immer, aber nicht nur zwischen Sachsen und Schwaben, sondern auch zwischen den Sachsen. Wir hatten mal eine Hilfskraft im Büro, deren Mann Berliner Amtsrichter war. Er kam immer gern in unsere Mitgliederversammlungen mit der Begründung „Es ist immer so interessant und spannend bei Ihnen.“

Als Grund für die Trennung wird auch das Geld genannt. Die ‚Vereinigung‘ bekam ja vom Land Berlin über den BLV eine finanzielle Unterstützung. Es soll die Überlegung gegeben haben, „wenn wir getrennt auftreten, als Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und Buchenlanddeutsche, dann bekommen wir mehr Geld“.

Das ist uns damals auch im BLV vor allem von der Landsmannschaft Weichsel-Warthe vorgehalten worden. An dieser Vorstandssitzung habe ich selbst teilgenommen. Aber das war nicht der Grund für die Trennung. Tatsächlich hat sich durch die Trennung an der Gesamtsumme für die Rumäniendeutschen gar nichts geändert. Was bis dahin die ‚Vereinigung‘ erhielt, das ist dann auf die einzelnen Verbände aufgeteilt worden. Nach der Trennung erhielten wir Siebenbürger Sachsen, glaube ich, 30 D-Mark pro Monat. 

War es ein Grund für die Trennung, dass es im Bundesgebiet bereits Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben gab, in Berlin aber nicht, dass also die Bundeslandsmannschaften auf die Gründung eigener Verbände in Berlin drängten?

Nein, nach meiner Erinnerung nicht. Ich habe Pfingsten 1953 zum ersten Mal das Heimattreffen der Siebenbürger Sachsen besucht. Dort habe ich Kontakt zum damaligen Bundesvorstand aufgenommen. Sie haben mich dann in den Bundesvorstand kooptiert als Vertreter der Berliner Siebenbürger Sachsen. Aber gedrängelt haben sie uns nicht. Ich bin dann immer zu Bundesvorstandssitzungen eingeladen worden und habe daran teilgenommen, solange ich in Berlin lebte. In der Kartei der Bundeslandsmannschaft in München bin ich seit April 1955 Mitglied.

Auf der Mitgliederversammlung vom 14. April 1955 wurde beschlossen, dass die ‚Vereinigung‘ auseinander geht. Können Sie sich an diese Versammlung erinnern? Ging es turbulent zu? 

Nicht, dass ich wüsste. Es hätte sich mir eingeprägt. Sehr gut erinnern kann ich mich aber an die Sitzungen, auf denen wir die Trennung angestoßen haben.

Das waren drei Sitzungen im Januar 1955.

Ja. Da ging es um die Forderung von Dr. Kleitsch nach einer paritätischen Veranstaltungsfolge. Dem war ein Ball vorausgegangen, auf dem wir Siebenbürger Sachsen uns am Schluss im Kreis aufstellten und unsere Hymne „Siebenbürgen, Land des Segens“ sangen. Die Banater Schwaben saßen im Nebenzimmer, unter ihnen Josef Gimpel, der spätere Vorsitzende der Banater Schwaben, und die Brüder Hans und Walter Steiner und noch einige Leute. Sie sangen dann die rumänische Königshymne „Traiasca Regele“ („Es lebe der König“). Ich sagte dann, dass das auf Dauer so nicht geht. Wir trafen uns dann in der Privatwohnung unsers Chorleiters, des Dirigenten Karl Glückselig. Ebenfalls anwesend waren - außer mir - Oswald Schönauer, Pfarrer Hermann Gehann, mein Onkel Dr. Alfred Braun, also die, die auch schon bei der Gründung der ‚Vereinigung‘ dabei waren. Wir waren ungefähr ein halbes Dutzend Leute. Da haben wir dann den Beschluss gefasst, wir arbeiten auf das Auseinandergehen zu.

Also ist der Beschluss zur Trennung im Grunde genommen von den Siebenbürger Sachsen ausgegangen?

Ja. Den anderen blieb ja dann nichts anderes übrig, als dasselbe zu tun, also ebenfalls eigene Verbände zu gründen.

Wie haben die Bessarabien- und die Buchenlanddeutschen auf das „Siebenbürgenlied“ am Schluss des Balls reagiert?

Bessarabiendeutsche waren ja kaum da. Und zum Vertreter der Buchenlanddeutschen hatten wir ein sehr gutes Verhältnis. Er war ja mit einer Siebenbürgerin verheiratet.

Können Sie sich erinnern, wie viele Mitglieder die „Vereinigung“ hatte, als sie 1955 auseinander ging?

Ich weiß, dass bei einer Weihnachtsfeier in Berlin-Frohnau 300 Leute da waren – einschließlich Familienmitglieder. 

Aus den Archivunterlagen der Siebenbürger Sachsen und des Berliner Landesverbands der Vertriebenen geht folgendes hervor: Am 4. Mai 1955 beschloss der Siebenbürger Teil der ‚Vereinigung‘ die Gründung einer eigenen Landsmannschaft und er wählte einen Vorstand. Am 7. Oktober 1955 erkannte der Bundesverband der Siebenbürger Sachsen seinen Landesverband Berlin an. Am 14. Januar 1956 beantragten die Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen, der Banater Schwaben und der Buchenlanddeutschen ihre Aufnahme in den Berliner Landesverband der Vertriebenen. Am 29. Februar 1956 wurden sie aufgenommen.

Ich entsinne mich an eine Sitzung des BLV, auf der wir mitteilten, dass die ‚Vereinigung‘ auseinandergeht. Dagegen kam von einigen Landsmannschaften Protest, der aber im Sande verlief. Das beste Argument ist mir leider erst viel später eingefallen. Ich hätte ihnen sagen können: „Wir verlangen doch auch nicht, dass sich die Ostpreußen und die Schlesier und die Warteländer zu einer ‚Vereinigung der Deutschen aus Polen‘ zusammenschließen.“

Offiziell aufgelöst wurde die ‚Vereinigung der Deutschen aus Rumänien‘ auf der letzten Mitgliederversammlung vom 10. März 1956. Wie war die Kooperation der rumäniendeutschen Landsmannschaften nach dieser Auflösung?

Darüber kann ich Ihnen nicht viel sagen, weil ich Mitte 1956 Berlin verlassen habe. Am 1. Juli 1956 habe ich dem Berliner Vorsitzenden und dem Bundesvorsitzenden der Siebenbürger Sachsen schriftlich mitgeteilt, dass ich von meinen Ämtern zurücktrete, weil ich beruflich wegziehe. Erst arbeitete ich in Frankfurt am Main. 1958 bin ich – ebenfalls beruflich - ins Saarland umgezogen und dortgeblieben.

(Interview aufgezeichnet am 26. Februar 2005 für eine Chronik der Landsmannschaften in Berlin. Erstveröffentlichung jetzt in der „Banater Post“)