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Einsatz für Menschenrechte gewürdigt

Altbundespräsident Joachim Gauck nach seiner Auszeichnung mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis mit (von links) Volker Bouffier, Ministerpräsident des Landes Hessen, Dr. Christean Wagner, Vorsitzender der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, Peter Feldmann, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main, Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten © Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen

Altbundespräsident Joachim Gauck inmitten der dem Festakt beiwohnenden Vertreter der Banater Schwaben: Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber mit Gattin Hiltrud, links Dr. Maria Werthan, Präsidentin des Frauenverbandes im Bund der Vertriebenen Foto: privat

Am 4. Juli wurde Bundespräsident a.D. Joachim Gauck in der Frankfurter Paulskirche mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen ausgezeichnet. Die Entscheidung über den Preisträger erfolgte durch die Jury bereits im Jahr 2020. Die Verleihung konnte wegen der Pandemie-Notlage im vergangenen Jahr nicht stattfinden und wurde jetzt nachgeholt. Die Jury des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises würdigte mit der Preisverleihung das  umfangreiche und vielfältige Wirken des Bundespräsidenten Joachim Gauck, der in unterschiedlichen Funktionen, zuletzt als höchster Repräsentant unseres Staates, die Verletzung von Menschenrechten durch Völkermord, Vertreibung und Genozid angeprangert hat. 

Seitens der Landsmannschaft der Banater Schwaben nahm der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber mit Gattin Hiltrud an dem Festakt teil. 

Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main Peter Feldmann begrüßte den Bundespräsidenten a.D. in der Frankfurter Paulskirche. „Joachim Gauck ist ein mehr als würdiger Träger eines Preises, der auf die Vertreibung vieler Bevölke rungsgruppen aufmerksam macht. Er schafft Raum, um das Schicksal Vertriebener zu betrauern, zu zeigen, dass Flucht und Vertreibung auch heute noch und sogar verstärkt das Leben von Millionen Menschen traumatisiert, sie heimatlos macht“, so der Oberbürgermeister in seinem Grußwort.

Dr. Christean Wagner, Vorsitzender der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, würdigte die Leistung des Preisträgers mit den Worten: „Wir wollen Sie heute ehren für Ihr jahrelanges unerschütterliches Eintreten gegen Flucht und Vertreibung. Sie sind ein Bundespräsident der klaren und mutigen Worte gewesen. Im Mittelpunkt Ihres Wirkens stand und steht Ihr Kampf für die Freiheit und Ihr unermüdliches Werben für den Wert der Freiheit.“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier lobte als Schirmherr des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises das Zentrum gegen Vertreibungen für seine erinnerungspolitische Arbeit: „Die Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises des Zentrums gegen Vertreibungen ist wichtige Erinnerungsarbeit. Sie verbindet Gedenken an Leid mit einer Sensibilität für die Probleme der Gegenwart“, betonte Bouffier. „Der Preisträger Dr. Joachim Gauck hat sich das Gedenken an Flucht und Vertreibung, den Kampf gegen die Ursachen dieses Leids und den bedingungslosen Einsatz für Menschenrechte zur Lebensaufgabe gemacht. Er hat das Trauma der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg besonders in seine Betrachtungen aufgenommen. Dr. Joachim Gauck hat die Auszeichnung daher mehr als verdient“, unterstrich der Ministerpräsident. Immer wieder habe Gauck betont, dass die Erinnerung an die Vertreibung ein bedeutender Teil der deutschen Geschichte sei, so Bouffier.

Dem Preisträger sei es laut Bouffier aber auch immer um die historische und internationale Dimension von Flucht, Vertreibung und Genozid gegangen. Der Namensgeber des Preises und der Preisträger, Bundespräsident a.D. Joachim Gauck, seien sich zudem in ihren Ansichten ähnlich, so der Ministerpräsident weiter. Gauck hatte als Bundespräsident 2015 erstmals das Massaker an bis zu 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord bezeichnet.

In seiner Laudatio auf den Preisträger betonte der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Dr. Bernd Fabritius: „Der Name und der Mensch Joachim Gauck werden in der allgemeinen Wahrnehmung verbunden mit dem Gespür für Freiheit sowie für Recht und Gerechtigkeit, mit dem Einsatz für die Benachteiligten und Unterdrückten, mit dem Aufbegehren gegen staatliches, kollektives und individuelles Unrecht. Mit diesen Attributen und Zuordnungen, sehr geehrter Herr Gauck, gehen Sie bereits zu Lebzeiten in die Geschichte ein.“ Schon früh habe Gauck sich für ein Zentrum gegen Vertreibungen ausgesprochen und die Notwendigkeit eines Erinnerungsortes für die deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen erkannt. „Es widersprach Ihrem Grundverständnis von Würde und Recht, diesen Menschen und ihren Nachkommen ein sichtbares Zeichen staatlichen Gedenkens für das erlittene Leid und Unrecht zu verweigern!“ Gauck habe sich immer wieder und in allen seinen Ämtern engagiert dafür ausgesprochen, dass die dauerhafte Erinnerung an die Vertreibung ein elementarer Teil deutscher Geschichte sei. „In bewundernswert konsequenter Haltung prägten Sie dann mit dem Begriff ‚Erinnerungsschatten‘ eine vortreffliche Metapher für die Situation der Vertriebenen, die die letzten fünf Jahrzehnte bundesdeutscher Befindlichkeit psychologisch und gesellschaftlich zutreffend beschreibt.“

Bundespräsident a.D. Joachim Gauck dankte der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen für die Auszeichnung. „Dass wir heute dort stehen, wo wir stehen, hat viel Engagement, Entschiedenheit und Standfestigkeit erfordert. Ich erinnere mich noch an den heftigen Gegenwind, den das Projekt eines Zentrums gegen Vertreibungen zunächst erfuhr. (…) Es ist wohl keine Übertreibung, wenn ich heute sage: Wohl fast alle haben gelernt. Viele Betroffene, die imstande waren, über den eigenen Schatten zu springen und ihr Leid in den historischen Kontext einzuordnen. Viele Liberale und Linksliberale, die erkannten, dass, wer das Leid von Deutschen anerkennt, die deutsche Schuld keineswegs leugnen muss, sondern einfach zur Kenntnis nimmt, dass Deutsche die Opfer deutscher Opfer wurden. (…) Im Rückblick erkennen wir, wie notwendig und heilsam die Diskussionsprozesse waren. Es diente der Stabilisierung der Gesellschaft heute, als die Leiden von gestern Anerkennung erfuhren.“ 

Dr. Joachim Gauck machte zugleich deutlich, dass Flucht und Vertreibung keine Themen der Vergangenheit seien, sondern, „dass aus dem selbsterfahrenen Leid von Flucht und Vertreibung der Deutschen in den letzten Jahrzehnten eine besondere Empathie für andere Menschen mit Flucht- und Vertreibungserfahrungen erwachsen konnte, (das) halte ich für keine Selbstverständlichkeit. Umso mehr schätze ich es, dass es gelungen ist, nicht im eigenen Leid zu verharren und empfänglich zu werden für das Schicksal anderer.“ Altbundespräsident Gauck erinnerte daran, dass sich „mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung 2020 auf der Flucht befand – über 82 Millionen Menschen. So viele wie in Deutschland Menschen leben.“ Er dankte der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, dass Sie mit „diesem Preis dazu beitragen, dass wir uns nicht blind und taub stellen, sondern, dass wir uns dafür sensibilisieren, immer wieder um das höchste Gut, das wir haben, zu ringen: die Würde des Menschen. Denn wir alle ‚sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen‘. So steht es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.“
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Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber übermittelte Altbundespräsident Joachim Gauck die Grüße der Banater Schwaben und gratulierte ihm zu seinen Aussagen in seiner Dankesrede, die wiederum seiner Zeit voraus seien. Die Banater Schwaben sind Gauck nicht unbekannt, wie er versicherte, arbeite er doch mit der Banater Schriftstellerin Herta Müller als gemeinsame Schirmherren der Stiftung Exilmuseum Berlin zusammen. 
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Joachim Gauck, 1940 in Rostock geboren, war zu DDR-Zeiten evangelisch-lutherischer Pastor in seiner Heimatstadt. Er leitete die evangelischen Kirchentage 1983 und 1988 in der Hansestadt und war während der friedlichen Revolution Sprecher des Neuen Forums. 1990 wurde er Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR für Bündnis 90. Von 1991 bis 2000 war Gauck Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Im März 2012 wurde Gauck zum Bundespräsidenten gewählt. Das höchste Amt im Staat hatte er bis 2017 inne.