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Jan Michael Schuller erhält Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2021

Dr. Jan Michael Schuller leitet eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe am Zentrum für Synthetische Mikrobiologie an der Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Chemie. Einsender: Michael Schuller

„Wir feiern heute außergewöhnliche, ja ganz herausragende Forschungsleistungen in sehr frühen Karrierestadien. Wir feiern den Pioniergeist neuer wissenschaftlicher Ideen, wir ehren die Kraft wissenschaftlicher Kreativität, aber vor allem auch konkrete Lebensläufe, die sich dadurch auszeichnen, dass sie Ideenreichtum mit Beharrlichkeit, Ausdauer und auch Durchhaltevermögen verfolgt und kultiviert haben“, sagte die Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Prof. Dr. Marlis Hochbruck anlässlich der Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2021. Die Preisverleihung fand am 4. Mai 2021 in einem virtuellen Format statt. Zu den zehn Preisträgerinnen und -trägern zählte auch Dr. Jan Michael Schuller, ein Nachwuchswissenschaftler mit Banater Wurzeln.

Der seit 1977 von der DFG und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung in Anerkennung herausragender Leistungen vergebene Preis gilt als wichtigste Auszeichnung für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland. Benannt ist der mit 20000 Euro dotierte Preis nach Heinz Maier-Leibnitz (1911-2000), einem Pionier der deutschen Neutronenphysik. Die zehn Preisträger aus verschiedenen Fachgebieten wurden aus 150 hochkarätigen Vorschlägen von einem Auswahlausschuss aufgrund einer rigorosen Selektion bestimmt. Die DFG-Vizepräsidentin wies auf die hohe Reputation des Preises hin, der ein sehr erfolgreiches Förderinstrument sei: „Eine glanzvollere Auszeichnung in der frühen Karrierephase ist kaum vorstellbar. Der Preis ist die beste Empfehlung, die einer Wissenschaftlerin, einem Wissenschaftler mit auf den weiteren akademischen Weg zu geben ist.“

Dr. Jan Michael Schuller ist Biochemiker und seit dem vergangenen Jahr Leiter einer selbstständigen Nachwuchsgruppe an der Uni Marburg. Obwohl sich seine wissenschaftliche Karriere erst in einem frühen Stadium befindet, hat der 33-Jährige bereits bahnbrechende Forschungsergebnisse erzielt. Der einzuschlagende Weg zeichnete sich schon früh ab, wie ein Blick in seinen Lebenslauf verrät. Geboren wurde Jan Michael Schuller am 31. März 1987 in Tübingen als Sohn von Michael und Katharina Schuller, geborene Hummel. Die aus Sackelhausen stammenden Eltern hatten Mitte der 1970er Jahre Rumänien verlassen und ließen sich in Reutlingen nieder. Die Mutter studierte Pharmazie in Tübingen und arbeitete als Apothekerin, der Vater war als Techniker für Datenverarbeitung tätig. Sohn Jan entwickelte schon als Schüler – er besuchte das Johannes-Kepler-Gymnasium in Reutlingen – großes Interesse an den Naturwissenschaften. So besuchte er bei einem Austausch-
Semester in Neuseeland als Schüler eine spezielle Chemie-Klasse und beteiligte sich an internationalen Chemie- und Biologie-Jugendwettbewerben. Er informierte sich über das Studienangebot der Uni Tübingen, absolvierte in den Ferien einschlägige Praktika und erweiterte seine Sprachkompetenz im Englischen durch den Besuch eines Sprachkurses auf Malta. Katharina und Michael Schuller haben ihren Sohn in all seinen Bemühungen unterstützt und ermutigt.  

Nach dem Abitur 2006 studierte Schuller Biochemie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. 2010/11 verbrachte er ein Auslandssemester als Gastwissenschaftler am Labor für Molekulare Elektronenmikroskopie der Hardvard Medical School in Boston (USA). Von 2012 bis 2016 war er Doktorand am Max-Planck-Institut für Biochemie, Abteilung für Molekulare Strukturbiologie in Martinsried bei München und der Fakultät für Chemie der Technischen Universität München. Dort vertiefte er seine Kenntnisse über die Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) und spezialisierte sich auf die Einzelpartikelanalyse von Proteinen. 2016 erlangte er den akademischen Grad eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.). Als Postdoktorand forschte Dr. Jan Michael Schuller anschließend in der Abteilung „Zelluläre Strukturbiologie“ (Professor Elena Conti) des Max-Planck-Instituts für Biochemie. 

Im Jahr 2020 wechselte Schuller, inzwischen verheiratet und Vater einer Tochter, nach Marburg, wo er die Leitung der selbstständigen Nachwuchsgruppe „Kryo-EM von molekularen Maschinen“ am Zentrum für Synthetische Mikrobiologie innerhalb des Fachbereichs Chemie der Philipps-Universität übernahm. Die Forschergruppe um Dr. Schuller wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen ihres „Emmy-Noether-Förderprogramms“ für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einem Gesamtvolumen von rund 1,55 Millionen Euro für sechs Jahre finanziert. Ihr Interesse gilt dabei den Proteinkomplexen, die in Cyanobakterien für die Fixierung des Treibhausgases Kohlendioxid und die Kohlenstoffkonzentration verantwortlich sind und die somit den menschgemachten Treibhauseffekt abmildern können. Ein Forschungsfeld also, das zur Bekämpfung des Klimawandels von großer Bedeutung sein wird.

Um herauszufinden, wie biologische Makromoleküle funktionieren, welche Eigenschaften sie haben und wie sie aufgebaut sind, untersucht Dr. Jan Michael Schuller mittels strukturbiologischer und biochemischer Studien modular aufgebaute Proteinkomplexe. Dazu nutzt er die Kryo-Elektronenmikroskopie, bei der Tausende Schnappschüsse einzelner Proteinkomplexe im Elektronenmikroskop aufgenommen und bioinformatisch zu einem dreidimensionalen Bild des Komplexes zusammengesetzt werden. „Mittels dieser Technologie ist es Dr. Schuller gelungen, bahnbrechende Einblicke in die Prozesse der Photosynthese, der Kohlenstofffixierung und des RNA-Metabolismus zu liefern“, lobte Prof. Dr. Ann Ehrenhofer-Murray von der Berliner Humboldt-Universität in ihrer Laudatio zur Verleihung des Heinz Maier-Leibnitz-Preises 2021. „Mit seinem Gespür für spannende, ungelöste Fragestellungen der Strukturbiologie und mit viel experimentellem Geschick“ habe es Dr. Schuller in Rekordzeit geschafft, „ein hochkompetitives Forschungsprofil aufzubauen und beeindruckende wissenschaftliche Leistungen zu erbringen“.

Lob gab es auch von Prof. Dr. Michael Bölker, Vizepräsident der Philipps-Universität Marburg. Es freue ihn sehr, dass es gelungen sei, einen so starken Nachwuchswissenschaftler wie Dr. Schuller, „dessen wissenschaftlicher Ruhm bereits jetzt nach außen strahlt“, von München nach Marburg zu locken. Er habe renommierte Förderlinien für sich entscheiden können, was zeige, „wie wichtig und zukunftsweisend seine Forschung an Makromolekülen und deren Funktion ist“. Die Auszeichnung sei eine „Bestätigung seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistung und Expertise“.

Im Februar 2021 erhielt Schuller eine weitere Förderung in Höhe von 40000 Euro seitens der Daimler und Benz Stiftung, um mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie den Aufbau des sogenannten Photosystems II zu erforschen und das Rätsel der Wasserspaltung zu lösen. Hintergrund: Der lebensnotwendige Sauerstoff stammt aus Wassermolekülen, die in Pflanzen und Algen unter Einsatz einer hochkomplexen molekularen Maschine, dem Photosystem II, in zweiatomige Sauerstoffmoleküle, Elektronen und Protonen zerfallen. An der Spaltung beteiligt sind Chlorophyll, Proteine und Mangan. Das Photosystem fängt Sonnenlicht ein und nutzt dessen Energie, um den Wasserspaltungsprozess einzuleiten. Doch bislang ist noch nicht ganz klar, wie genau dieser Prozess auf atomarer Ebene abläuft. Das soll nun Schullers Arbeitsgruppe erforschen.

Die Landsmannschaft der Banater Schwaben beglückwünscht Dr. Jan Michael Schuller zum Heinz Maier-Leibnitz-Preis ganz herzlich und wünscht ihm weiterhin viel Glück und Erfolg in seiner wissenschaftlichen Karriere.