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Was kann man schon machen? – Man kann etwas machen! (Teil 2)

Bürgermeister Dominic Fritz bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz im Temeswarer Rathaus. Quelle: www.facebook.com/dominicprimar

Haushaltslage: Schritte zur Konsolidierung

Gebetsmühlenartig wiederholt der abgewählte Bürgermeister Robu, dass er seinem Nachfolger prall gefüllte Kassen hinterlassen habe und die Finanzlage der Stadt nie besser gewesen sei. Die von dem neuen Bürgermeister eingeleitete umfangreiche Überprüfung der Finanzlage ergab jedoch ein völlig anderes Bild und deckte die Misswirtschaft der Vorgänger-Verwaltung auf. 

Tatsache ist, dass die Stadt mit einer steigenden Schuldenlast zu kämpfen hat. Am 12. Januar erklärte Dominic Fritz, dass sich die Schulden der Stadtverwaltung auf 120 Millionen Lei beliefen, hierbei handele es sich lediglich um offene Rechnungen der Robu-Administra-tion, die nun zu begleichen seien. Man habe bisher nur nach dem Prinzip gewirtschaftet, wonach offenstehende Rechnungen Monat für Monat aufgeschoben wurden und nur das bezahlt wurde, was am dringendsten war. Das erkläre einen Großteil der riesigen Haushaltsprobleme, mit denen die Stadt konfrontiert sei.

Die Haushaltsplanung für 2020 sei völlig unrealistisch gewesen, so das Stadtoberhaupt weiter. Unter Robu habe man Einnahmen von 1,458 Milliarden Lei eingeplant, die tatsächliche Summe lag bei nur 785 Millionen Lei. Die Vorgängerverwaltung habe zwar eine Flut an Projekten angekündigt, eine Menge Ausschreibungsverfahren in die Wege geleitet und sei verschiedene Verträge eingegangen, ohne aber über die dafür notwendigen Finanzmittel zu verfügen. Man habe unzählige Baustellen eröffnet, die dann wegen unklarer Rechtslage oder sonstigen Problemen für Monate oder sogar für Jahre aufgegeben wurden. Zudem habe man zahlreiche von der EU finanzierbare Projekte erstellt, doch die tatsächliche Abschöpfungsrate sei verschwindend gering. 

Die juristische Strategie der Stadt bezeichnete Bürgermeister Dominic Fritz als vollkommen verfehlt. Der Gesamtwert aller Schulden, die der Stadt Temeswar durch die endgültige Verurteilung zur Bezahlung von Schadenersatz, Verzugszinsen und Gerichtskosten im Zusammenhang mit verlorenen Prozessen im Jahr 2020 entstanden sind, liege bei 18 Millionen Lei. Diese gewaltige Summe stehe in keinem Verhältnis zu den Möglichkeiten der Stadt. Man habe laufend an die 2500 Gerichtsprozesse am Hals, das sei nicht vertretbar. Die Verwaltung gehe viel zu oft ungesetzmäßig vor und die Rechtsabteilung mache zu viele Fehler, die in einem Finanzdesaster für die Stadt enden. Deshalb müsse die gesamte juristische Strategie überprüft werden.

Angesichts dieser desaströsen Lage werde dem Haushalt für das Jahr 2021 ein vollständig geändertes Konzept zugrunde liegen, kündigte Bürgermeister Fritz an. Es müsse Ordnung in die Verwaltung öffentlicher Gelder einkehren, die Bewirtschaftung der Stadtfinanzen müsse scharfen Regeln folgen, die Art und Weise des Wirtschaftens müsse grundlegend reformiert werden.

Die Haushaltsplanung werde realistisch und umsetzbar sein, man habe ein Konzept zur Ausgabenkürzung sowie zur Erhöhung der Einnahmen erarbeitet und werde es umsetzen, sagte der Bürgermeister Mitte Januar. Ziel sei, jedwede Vergeudung von Ressourcen zu vermeiden, auf unnötige Ausgaben zu verzichten, das Kriterium der Wirtschaftlichkeit bei jeder Planung zu berücksichtigen, eine Priorisierung der Projekte vorzunehmen, die Betriebskosten zu senken und ein den Bedürfnissen der Stadt entsprechendes Investitionsprogramm umzusetzen. Dabei gelte der Grundsatz, dass keine Investition mehr vorgesehen und begonnen werde, wenn die Finanzierungsgrundlage nicht gänzlich geklärt und gesichert sei.

Erste Schritte zur Konsolidierung der Haushaltslage wurden bereits unternommen. So wurden alle laufenden Ausschreibungsverfahren einer Überprüfung unterzogen, einige der Vorhaben der Robu-Administration gestoppt und Verträge mit Unternehmen gekündigt, die ihren Pflichten nicht nachgekommen sind. Den Vorwurf, dass er notwendige Infrastrukturprojekte aussetze und begonnene Investitionen stoppe, ließ Dominic Fritz nicht gelten. Es sei falsch zu glauben, dass man mehr Geld ausgeben könne als man habe. Der Bürgermeister besitze nicht die Zauberformel des Geldregens, so dass Priorisierungen vorgenommen werden müssen.

Der Haushalt wird im April verabschiedet. In Rumänien müssen die lokalen Haushalte binnen 45 Tagen nach Veröffentlichung des Landeshaushalts im Amtsblatt (das ist am 9. März geschehen) verabschiedet werden. Zuvor wird der Haushaltsentwurf zur öffentlichen Beratung vorgelegt.

Bukarest stärker in die Verantwortung genommen

Bereits wenige Tage nach seiner Wahl zum Bürgermeister hatte Dominic Fritz anlässlich seiner Teilnahme an einer Beratung mit dem USR-PLUS-Vorstand in Bukarest erklärt, dass er des Öfteren in der Hauptstadt aufkreuzen werde. In Temeswar habe man Projekte vorbereitet, deren Bedeutung weit über die Stadtgrenzen hinausgehe und die deshalb auch von der Regierung unterstützt werden müssen. Er habe festgestellt, dass Temeswar in dieser Hinsicht ignoriert wurde, die Stadt müsse deutlich mehr von ihrer besonderen geografischen Stellung profitieren. Darüber hinaus stehe das Kulturhauptstadt-Jahr 2023 bevor, ein Projekt, das ein nationales sei und deshalb von Bukarest tatkräftig unterstützt werden müsse.

Nach seiner Amtsführung begab sich Bürgermeister Fritz mehrmals, entweder allein oder zusammen mit dem Kreisratsvorsitzenden Alin Nica, in die Hauptstadt, wo nach den Parlamentswahlen vom 6. Dezember 2020 eine Mitte-Rechts-Regierung aus PNL, USR-PLUS und UDMR unter Premierminister Florin Cîțu gebildet worden war. In seinen Gesprächen mit Regierungsmitgliedern trug der Temeswarer Bürgermeister die wichtigsten Anliegen seiner Stadt vor. Hauptthemen waren die finanzielle Unterstützung von Investitionsvorhaben in den Bereichen Verkehrs- und Gesundheitsinfrastruktur durch entsprechende Festschreibungen im Staatshaushalt, die Finanzierung diverser Projekte über den Nationalen Wiederaufbauplan, der sich aus EU-Mitteln speist, die Vorbereitungen für das Kulturhauptstadt-Jahr 2023 sowie das inzwischen akute Problem der Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten, das die Lokalverwaltung vor große Herausforderungen stellt.

Nach seinem zweitägigen Hauptstadt-Besuch am 23. und 24. Februar zog Bürgermeister Dominic Fritz ein positives Fazit. Er habe festgestellt, dass ein ununterbrochener Dialog mit den jeweiligen Ministern oder Leitern von Zentralbehörden Früchte zeige. Deshalb ziehe er es vor, immer wieder direkt bei den zuständigen Stellen der Regierung vorzusprechen und, wenn nötig, direkt dort Druck auszuüben, damit die Projekte der Stadt auch vorankommen.

Als Ergebnis der Vorsprachen des Temeswarer Bürgermeisters und des Temescher Kreisratsvorsitzenden sowie des Einsatzes der Temescher Parlamentsmitglieder der Regierungskoalition sieht das vom Parlament verabschiedete Haushaltsgesetz für 2021 die Finanzierung mehrerer wichtiger Temeswarer und Banater Projekte vor. Mit 28 Millionen Lei wird die Regierung die Fortsetzung der unter dem ehemaligen Bürgermeister Robu begonnenen, jedoch ins Stocken geratenen Arbeiten an der Constantin-Prezan-Straße und der Grigore-Alexandrescu-Straße sowie an der als „Parcul Civic“ bekannten Grünanlage hinter dem Continental-Hotel unterstützen. Für die fehlende A1-Lücke zwischen Margina und Holdea ist eine Finanzierung von 1,2 Milliarden Lei vorgesehen, so dass 2024 eine durchgängige Autobahnverbindung zwischen dem Grenzübergang Nadlak und Hermannstadt gewährleistet sein wird. Gerechnet werden kann auch mit dem Beginn der Arbeiten an der zehn Kilometer langen, vierspurigen Verbindung zwischen der alten Arader Straße und der Autobahn A1, wofür 244 Millionen Lei aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung vorgesehen sind. Für die Fortsetzung der Arbeiten an der Temeswarer Südumgehung hat das Verkehrsministerium 100 Millionen Lei eingeplant, für die Machbarkeitsstudien in Bezug auf die Autobahn Temeswar – Morawitza und die Temeswarer Westumgehung sind 4,8 beziehungsweise Millionen 2,3 Lei veranschlagt. Außerdem stellt das das Verkehrsministerium weitere 2,6 Millionen Lei für die Erweiterung des Temeswarer Flughafens zur Verfügung, wo die Arbeiten an einem neuen Terminal für Auslandsflüge beginnen sollen. Hinzu kommen Finanzierungen für das Kulturhauptstadt-Programm in Höhe von 60 Millionen Lei in diesem und von mehr als 100 Millionen Lei im nächsten Jahr.

Neustart: Kulturhauptstadt-Programm

Seit dem Amtsantritt von Bürgermeister Dominic Fritz gehört das Kulturhauptstadt-Projekt zu den Top-Prioritäten der Stadtverwaltung, die mit einem neuen Konzept die Vorbereitungen beschleunigen und auch die Regierung stärker in die Pflicht nehmen will.

Bei seinen Gesprächen in Bukarest gelang es dem Temeswarer Bürgermeister, die Regierung davon zu überzeugen, dass das Kulturhauptstadt-Vorhaben von nationaler Bedeutung sei und deshalb von Bukarest tatkräftig unterstützen werden müsse. Die Stadt Temeswar und das Land hätten sich verpflichtet, daraus eine Erfolgsgeschichte zu machen, erklärte Fritz gegenüber der Presse. Konkret wurde zweierlei erreicht: Einerseits wurden in den Staatshaushalt für 2021 Mittel für verschiedene mit dem Kulturhauptstadt-Programm verbundene Vorhaben eingestellt und auch für 2022 Finanzierungen vorgesehen. Andererseits soll auf Vorschlag des Temeswarer Bürgermeisters ein Unterstaatssekretär im Kulturministerium ernannt werden, dessen ausschließliches Aufgabengebiet die Betreuung des Kulturhauptstadt-Projekts sein wird.

Zuständig für das Kulturhauptstadt-Programm war bisher der größtenteils von der Stadt Temeswar finanzierte Verein Temeswar – Europäische Kulturhauptstadt, der jedoch nicht imstande war, seine Aufgaben befriedigend zu erfüllen. Er wurde durch andauernde Querelen und Differenzen in seiner Handlungsfähigkeit gelähmt, von Skandalen und Rücktritten erschüttert. Zudem wurde immer wieder scharfe Kritik an der Arbeit der Geschäftsführerin Simona Neumann laut. Im vergangenen Sommer drohte der damalige Bürgermeister Robu sogar mit der Auflösung des Vereins und kündigte an, dass das Kulturhauptstadt-Projekt ab nun vom Bürgermeisteramt im Alleingang verantwortet werde. Die Drohung machte er zwar nicht wahr, dennoch schuf er mit dem Zentrum für Kulturprojekte und für die Verwaltung des Erbes der Europäischen Kulturhauptstadt eine ihm direkt unterstellte Abteilung im Bürgermeisteramt als Parallelstruktur zu dem Verein. 

Mitte Februar stellte Bürgermeister Dominic Fritz die Eckpunkte für den Neustart des Kulturhauptstadt-Programms vor. Ausgehend von der Feststellung, dass mehr als vier Jahre nach der Ernennung der Stadt zur Kulturhauptstadt der Enthusiasmus deutlich nachgelassen habe, dass der Finanzierungsmodus der Projekte defizitär sei und der Kulturhauptstadt-Verein sich in einer tiefen Vertrauenskrise befinde, die kaum zu überwinden sei, kündigte er die Schaffung neuer Strukturen und den Erlass neuer Vorschriften bezüglich Finanzierung der kulturellen Programme, Projekte und Aktionen an. Der Verein könne sich zwar weiterhin an dem Kulturhauptstadt-Projekt beteiligen, aber er könne keineswegs mehr als Schlüssel zum Erfolg betrachtet werden, sagte Fritz.

Mit der Umsetzung der Strategien im Kulturbereich, der Zusammenstellung des Veranstaltungskalenders und der Ausarbeitung von Studien und Dokumentationen wird sich eine neu zu gründende Kulturabteilung im Rathaus beschäftigen. Die Beantragung und Abwicklung der Finanzierungen soll über ein für diesen Zweck zu gründendes Temeswarer Projektzentrum erfolgen. Dieses soll alle Finanzierungsfragen in den Bereichen Kultur, Sport, Bildung und Umwelt koordinieren, Ausschreibungen organisieren und Finanzierungen gewähren. Dafür soll das Projektzentrum einen erheblichen Teil jener Geldsummen erhalten, die die Stadt Temeswar bisher dem Kulturhauptstadt-Verein und dem städtischen Kulturhaus zur Verfügung gestellt hat. Schließlich ist die Gründung eines Fördervereins geplant, wie ihn der Verband des Temeswarer Hotel- und Gaststättenwesens schon seit langem fordert. Der Verein soll sich um die Vermarktung des Reiseziels Temeswar kümmern und sich aus der Tourismustaxe sowie aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Neben diesen drei neuen Strukturen ist die Gründung eines Koordinationskomitees vorgesehen, das das offizielle Kulturprogramm für 2023 gestalten und es in Einklang mit dem von der Europäischen Kommission genehmigten Kandidaturantrag der Stadt bringen soll.

Im Dialog mit den ethnischen Minderheiten

Dominic Fritz hatte sich schon im Wahlkampf für eine intensivere Zusammenarbeit der Stadtverwaltung mit den ethnischen Minderheiten in Temeswar und deren stärkere Beteiligung am Gesellschafts- und Kulturleben der Stadt ausgesprochen. Er führte Gespräche mit den Vertretern der Minderheiten, um über deren Anliegen zu diskutieren, und bat um die Unterbreitung von Vorschlägen für die zukünftige Zusammenarbeit.

Der Vorsitzende des Demokratische Forums der Deutschen im Banat Dr. Johann Fernbach wies in einem Schreiben an den neuen Bürgermeister zum einen auf zwei dringend zu lösende Probleme hin: die ins Stocken geratene Renovierung der Fassade der Nikolaus-Lenau-Schule und der unhaltbare Interimszustand am Deutschen Staatstheater Temeswar. Zum anderen brachte er mehrere Anliegen der deutschen Gemeinschaft vor, darunter die Anbringung von Tafeln an historischen Gebäuden oder an Häusern deutscher Persönlichkeiten aus Temeswar sowie die Gründung eines Instituts zur Erforschung des Kulturerbes der Banater Schwaben, wofür man sich vom Temeswarer Rathaus Räumlichkeiten erhoffe.

In seinem Antwortschreiben habe sich der Bürgermeister, wie Astrid Weisz in der ADZ vom 17. Dezember 2020 berichtete, vorsichtig optimistisch gezeigt, dass die Arbeiten an der Fassade der Lenauschule im Frühjahr 2021 abgeschlossen sein werden. Hinsichtlich des Deutschen Staatstheaters hoffe er, die optimale Lösung für einen Neubeginn zu finden. Das ist mittlerweile auch geschehen: Am 9. Februar wurde der neue Intendantenvertrag unterzeichnet und Lucian Vărşăndan kehrte wieder an die Spitze des DSTT zurück. (Die „Banater Post“ berichtete.) Dominic Fritz teilte mit, dass er eine mehrsprachige Beschilderung historischer Gebäude als sinnvoll erachte und hoffe, dies bis 2023 umsetzen zu können. Gleichzeitig verwies er auf das Projekt eines digitalen Stadtführers für Touristen, die mittels QR-Codes Informationen über Sehenswürdigkeiten und Gebäude auf ihren mobilen Geräten in verschiedenen Sprachen erhalten würden. Zu der Idee eines Forschungsinstituts, die er begrüßenswert finde,  könne man sich gegenwärtig noch nicht äußern, schrieb Fritz. Man sei dabei, die auch von anderen Minderheitenorganisationen eingebrachten Vorschläge zu analysieren und zu priorisieren. Das neue Stadtoberhaupt zeigte sich zuversichtlich, dass es eine gute und enge Zusammenarbeit zum Wohle der deutschen Gemeinschaft und der Temeswarer künftig geben werde.

Die Latte für Dominic Fritz hängt hoch. Für viele Temeswarer ist der neue Bürgermeister aus Deutschland ein Hoffnungsträger. Und sie erwarten, dass sich die Hoffnungen, die sie in ihn gesetzt haben, erfüllen. Die ersten Monate im Amt haben einerseits gezeigt, dass Dominic Fritz vor immensen Herausforderungen steht, andererseits aber auch den Beweis erbracht, dass er mit großer Entschlossenheit ans Werk geht, um die Versprechen, mit denen er zur Bürgermeisterwahl angetreten war, einzulösen. Dafür braucht es allerdings einen sehr langen Atem.