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Gedanken zum Osterfest: Die Nähe des Auferstandenen ist unsere Kraft

Josef Csaba Pál ist seit 2018 Bischof der Diözese Temeswar. Foto: Diözese Temeswar

In Christus geliebte Brüder und Schwestern!

Bei jeder heiligen Messe bekennen und beten wir: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst, in Herrlichkeit.“ Dies möchte ich in einer dreiteiligen Meditation vertiefen: Jesus ist mit uns, wir feiern ihn in der Gemeinschaft und ein jeder von uns soll seinen persönlichen Beitrag, seinen Anteil erbringen.

1. Es gibt keine größere Botschaft als diese: Jesus Christus liebte uns bis zum Tod, er akzeptierte den Tod aus Liebe für uns, wurde gekreuzigt und ist am dritten Tag auferstanden. Darauf baut unser ganzes christliches Leben: Jesus lebt! Seine Liebe für uns ist nicht gestorben. Mehr noch, er versprach uns – und er hält sein Versprechen –, alle Tage bis zum Ende der Welt bei uns zu sein! Der erste Punkt unserer Betrachtung ist eben dieser: Er ist mit uns.

Das ist ein Geschenk Gottes. Wie klein ein solches Versprechen auch scheinen mag, dass man jemandem beisteht – zum Beispiel bei einer Prüfung oder während eines chirurgischen Eingriffs im Krankenhaus – und doch, wie viel bedeutet es! Obwohl es nur ein kleines menschliches Versprechen ist, will man damit sagen: Ich lebe für Dich, ich werde alles für Dich tun. Wie groß ist dann das Geschenk und wie viel Kraft gibt das Versprechen, wenn Gott selbst es macht: Ich bin bei dir, ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt. Eigentlich ist dies die freudvolle Botschaft des Osterfestes: Jesus ist auferstanden und bleibt bei uns in allen Situationen. Und wir „glauben“ es nicht nur, sondern es ist auch unsere alltägliche Erfahrung. Welch anderer würde heutzutage vielen Menschen während der Pandemie Hoffnung schenken, so dass sie mit Vertrauen in die Zukunft schauen können? Und von wo bekomme ich die Kraft, für eine bessere Zukunft zu arbeiten, oft unter anscheinend aussichtslosen Umständen?! Die lebendige, liebevolle und ermutigende Anwesenheit Jesu bedeutet für viele Christen nicht nur Kraft zum Überleben, sondern auch das Geschenk, für andere zu leben. 

2. Der zweite Punkt: Wir feiern ihn in der Gemeinschaft. Diese Anwesenheit Jesu unter uns betrachten wir in der Osterzeit. Ihn, den Auferstandenen, feiern wir jeden Sonntag und in jeder heiligen Messe. Seine Anwesenheit erfahren wir im Alltag. Der Herr ist auferstanden, der Herr lebt, der Herr ist bei uns. Jede heilige Messe, vor allem die Sonntagsmesse, ist ein Fest der christlichen Gemeinschaft. Jene, die die Anwesenheit Jesu berührt hat, versammeln sich voller Freude, um den auferstandenen Herrn Jesus, der unter uns lebt, zu begrüßen, um ihm zu danken, um immer wieder an seinem Leben teilzuhaben. Sie erbauen gemeinsam den Leib Christi, die Kirche und dessen kleine Zelle, die Pfarrgemeinde. Und der Auferstandene schenkt ihnen immer wieder neue Kraft, damit ihr Glaube und ihre Liebe nicht wanken, so dass die Freude der Anwesenheit Jesu zu immer mehr Menschen gelangt, auch zu denen, die noch nicht in Liebe an die Kirche gebunden sind oder die noch nicht die trostreiche Anwesenheit Gottes erlebt haben.

Die Gemeinschaft Christi, die sich zur heiligen Messe versammelt und die durch die heilige Messe lebt, ist unersetzlich. Der Mensch ist dazu erschaffen, um in der Gemeinschaft zu leben. Deswegen pflegt er auch zu feiern – in der Gemeinschaft. Gerade deshalb reicht es nicht aus, die heilige Messe im Fernsehen oder im Internet zu „verfolgen“. Wir haben gehört, gesehen, haben uns die Botschaft angeeignet – das kann alles gut, auch sehr hilfreich sein, aber es bringt mich persönlich nicht vorwärts, wenn ich nicht selbst auch etwas dafür getan habe, damit ich ein lebendiges Mitglied der Gemeinschaft Christi werde, um dann, als Gemeinschaft, tatsächlich auf die leidenden Menschen zuzugehen. Wenn es allein dabei bliebe, dass Gott mich beschenkt und ich nur konsumiere, selbst aber keinen Schritt zu ihm und zu seiner Gemeinschaft tue, dann bleibe ich ein Außenseiter. Damit die Gnade in uns wirksam werde, können wir die Gemeinschaft nicht ausschließlich aus der Ferne betrachten. Wir müssen uns selbst einbringen in die Gemeinschaft, mit ihr zusammenarbeiten. Sogar die Kranken, denen es nicht möglich ist, an der heiligen Messe teilzunehmen, bringen sich, wie es unter den gegebenen Umständen möglich ist, in die Gemeinschaft ein. Dadurch, dass sie ihr Leid mit dem Leiden Jesu vereinigen und es für die Mitglieder der Gemeinschaft aufopfern, bringen sie ihren persönlichen Anteil ein.

3. Der dritte Punkt: Ein jeder von uns soll seinen Anteil erbringen. Christus ist auferstanden – dies ist die große Realität des Christentums. Zugleich sind auch diese einfachen Frauen dort, die „früh am Morgen, als es noch dunkel war“ aufstehen und zum Grab gehen, wie es im Evangelium steht. Sie tun einen konkreten Schritt. Was bedeutet dieser Schritt im Vergleich mit der Tatsache, dass Jesus auferstanden ist? Wenn dieser Schritt fehlte, würde ihr Leben genauso weit entfernt vom Auferstandenen bleiben, wie das Leben so vieler anderer Menschen, auch in der damaligen Zeit. Dann bekommen die Frauen die Nachricht, dass Jesus nicht im Grabe liegt. Noch ist es ihnen unklar, was passiert ist. Sie eilen zu Petrus und Johannes und überbringen die Botschaft: Christus ist wahrscheinlich auferstanden, da er nicht im Grabe liegt. Desgleichen bleiben auch Petrus und Johannes nicht zu Hause, um „abzuwarten, was wohl geschehen wird“, sondern sie laufen ebenfalls zum Grab. So wird die Gemeinschaft aufgebaut, die den Auferstandenen Jesus in ihre Mitte aufnimmt.

Laut einer anderen Schilderung fragen sich die Frauen, als sie losgehen, wer ihnen wohl den großen Stein vom Grab wegrollen werde. Ihr menschlicher Anteil ist es, aufzubrechen, Gottes Anteil ist es, den Stein wegzurollen, so dass sie hineingehen können. Und so ähnlich passiert dies auch in unserem Leben. Wenn wir alles ausschließlich vom lieben Gott erwarten, aber keinen eigenen Beitrag erbringen, kann es sein, dass wir uns selbst ausschließen. Unser Anteil kann winzig klein sein, aber wir haben das gegeben, was wir konnten. Das ist auch ausreichend, denn der liebe Gott selbst trägt seinen Anteil bei. 

Während der Coronavirus-Pandemie können wir zwar wenig tun, aber das, was uns möglich ist, das sollen wir tun. Auch der liebe Gott erfüllt seinen Anteil. Es ist zum Beispiel nur ein kleiner Schritt, wenn ich beichten gehe. Können alle meine Sünden in fünf Minuten verschwinden?, könnte ich mich fragen. Nein, ich kann in fünf Minuten nicht so viele Sünden büßen, aber ich bringe meinen Anteil, dies ist mein Beitrag. Diese kleine Geste, dass ich aufstehe, dorthin gehe, alle meine Sünden reuevoll bekenne, mit dem festen Vorsatz, wieder gutzumachen was möglich ist, und die Gnade Gottes erflehe, um nicht mehr zu sündigen – das ist ein kleiner Beitrag. Andererseits erfüllt Gott seinen unendlich großen Anteil: Aus dem Beichtstuhl kommt ein Mensch mit gereinigter Seele heraus. Wie groß ist diese Gnade! Wir bewundern die Taten Gottes, aber auch wir selbst müssen unseren Anteil erfüllen, denn Gott will mit dem Menschen eine Beziehung der Gegenseitigkeit eingehen. Deswegen schuf er den Menschen.

Die drei heiligen österlichen Tage sprechen über den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Wenn uns bewusst ist, dass wir zusammen mit ihm für unseren Egoismus sterben, für unsere egozentristische Denkweise und für alle Sünden, die daraus entstehen, dann wird das Leben Christi langsam in uns Wirklichkeit, in unserem Alltag, ja sogar inmitten der Pandemie. 

Beachten wir, was Franz Werfel in seinem Buch über den Propheten Jeremias schreibt: Der König ist böse auf Jeremias und er wirft ihn in eine Zisterne voller Mist, danach tut es ihm leid und er holt ihn wieder heraus. Die Menschen rings um Jeremias fragen ihn, ob es nicht entsetzlich war, den fürchterlichen Gestank in der Zisterne auszuhalten. Darauf antwortet er: „Zuerst umgab mich der Herr mit seinem Wohlgeruch und erst danach der Schmutz“. Liebe Brüder und Schwestern, diese Nähe des Auferstandenen ist unsere Kraft. Lasset uns seine Nähe zu allen Menschen bringen!

Mit diesen Gedanken wünsche ich all meinen lieben Brüdern und Schwestern ein frohes Osterfest und eine gesegnete Osterzeit!

Temeswar, Ostern, 2021

+ Josef
Bischof