Wer sucht, wird fündig. Manchmal auch wenn's lange dauert...
1968 sah ich in der deutschsprachigen Zentralzeitung „Neuer Weg“ aus Bukarest ein Foto, das mich über all die Jahrzehnte nicht mehr losgelassen hat. Immer wenn der Name von Ladislaus Brosovszky fiel, musste ich unwillkürlich an dieses Bild denken. Es zeigt ihn in banatschwäbischer Tracht mit Kerweihhut, Vorstrauß und seiner Partnerin. Der berühmte UTA-Fußballer Ladislaus Brosovzky als Kerweihbu? Irgendwie wollte das für mich als damals Zehnjähriger überhaupt nicht zusammenpassen.
Viele Jahre später hat mir meine journalistische Neugier keine Ruhe gelassen. Ich musste die Geschichte, die hinter diesem Foto steht, herausfinden – egal wie! Deshalb habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, biss jedoch lange Zeit auf Granit. Aber: Dann wurde ich doch noch fündig. Im Hochsommer dieses Jahres war es soweit. Endlich wurden meine Recherchen von Erfolg gekrönt.
Wegen des 50-jährigen Jubiläums der Riesensensation von UTA gegen Feyenoord Rotterdam rief ich Brosovszkys Tochter Monika in Rumänien an, um über ihren legendären Vater zu reden. Anschließend reichte sie den Hörer an ihre Mutter Annemarie (geborene Krutsch) weiter, die neben ihr im Auto saß. Beide waren gerade in Târgovişte unterwegs, wo Annemarie eine Wohnung besitzt. Sonst leben Mutter und Tochter in Arad. Von Annemarie Brosovszky, der Ehefrau des berühmten UTA-Fußballers, erfuhr ich die Geschichte des Kerweihfotos, das in all den Jahren irgendwo in meinem Hinterkopf gespeichert war.
Die 70-jährige Banater Schwäbin aus Wiesenhaid, die die Volksschule in Engelsbrunn besucht hatte, erinnerte sich: „Ich war Schülerin am Pädagogischen Lyzeum in Arad. Dort spielte ich sehr oft und gerne Handball.“ Peter Titsch, ihr ehemaliger Klassenkollege aus Engelsbrunn, ergänzt das Gesagte: „Sie war die Klassenbeste im Sport.“
Die sportliche Annemarie erzählt weiter: „Ladislaus ging damals in die Vagonul-Werksschule auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er sah mich Handball spielen und wollte mich unbedingt kennenlernen.“ Brosovszkys Mannschaftskollege Viorel Sima, der ebenfalls die Vagonul-Berufsschule besuchte, später auch bei UTA landete und in beiden Spielen gegen Feyenoord eingewechselt wurde, vermittelte zwischen den beiden. „Ladislaus und ich waren sehr gute Freunde. Ich habe ihm Annemarie vorgestellt“, schmunzelt Sima. Und diese sagt über das erste Rendezvous: „Wir haben uns gesehen und auf Anhieb gefallen.“ Es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick! Der Ungar Ladislaus Brosovszky aus Arad und die Banater Schwäbin Annemarie Krutsch aus Wiesenhaid – da hatten sich zwei gesucht und gefunden.
1968, als die Kerweih in Annemaries Geburtsort Wiesenhaid gefeiert wurde, nahm sie mit ihrem damaligen Freund Ladislaus Brosovszky daran teil. „Dort entstand auch dieses Foto von uns, das im ‚Neuen Weg‘ veröffentlicht wurde“, schmunzelt sie.
Na also, nach 52 Jahren hatte ich endlich die Geschichte hinter dem Kerweihfoto gefunden!
1973, fünf Jahre nach dieser Kerweih, heirateten die beiden – und sollten es 17 Jahre lang bleiben.
Es war übrigens nicht das erste Mal, dass sie in Wiesenhaid zusammen gefeiert haben. „Bei uns daheim gab es einen großen Tanzsaal. Da hat einmal die ganze UTA-Mannschaft mit Frauen und Freundinnen Silvester gefeiert“, meint Annemarie.
An das legendäre Spiel gegen Feyenoord erinnert sie sich so gut, als wäre es erst gestern gewesen: „Einmalig! Wir waren außer uns vor Freude.“ Die ehemalige Lehrerin für Deutsch und Sport, die auch sehr gut Volleyball gespielt hat, war bei vielen Spielen ihres Mannes dabei. Denn beide hat auch die Leidenschaft zum Sport verbunden.
Da Ladislaus Brososzky zunächst kein Deutsch konnte, hat es ihm seine Frau beigebracht. 1974 erblickte Tochter Monika das Licht der Welt, die ebenfalls sehr gut Deutsch spricht. In der Familie haben sich die drei dann oft auf Deutsch unterhalten. „Mein Vater hatte sich so sehr einen Jungen gewünscht und bekam ein Mädchen. Dafür habe wenigstens ich einen Jungen bekommen“, lächelt sie. Alexander ist 14. Er trat aber nicht in die Fußstapfen seines berühmten Großvaters, sondern in die seiner Mutter. Wie einst seine Mama Monika spielt Alexander Basketball. Monika Brosovszky hat es wie ihr berühmter Vater sportlich weit gebracht. Sie zählt als beste Basketballspielerin Rumäniens aller Zeiten. Das „blonde Wunder“, wie sie von Freund und Feind ehrfurchtsvoll genannt wurde, gewann mit ICIM Arad und CSM Târgovişte sieben Landesmeistertitel, bestritt 270 Länderspiele für Rumänien, nahm mit der Nationalmannschaft an drei Europameisterschaften teil, spielte auch für Vereine in Ungarn und Spanien. Vor zwei Jahren beendete sie ihre aktive Karriere im Alter von 44 Jahren. Beeindruckend!
Genauso imposant war auch die Laufbahn ihres Papas als Fußballer. Er wurde am 23. März 1951 in Arad geboren. Sein Vater Anton war ebenfalls Fußballer und ist als solcher in die Annalen von UTA eingegangen. Denn: Am 27. Mai 1945 erzielte Brosovszky senior im allerersten Spiel von UTA das allererste Tor bei der 2:3-Niederlage im Freundschaftsspiel in Kleinsanktnikolaus gegen die Lokalmannschaft Banatul. Der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm...
Anton Brosovszky wuchs bei einer ungarischen Pflegefamilie in Arad auf, sein größerer Bruder Johann bei einer deutschen Pflegefamilie in Kleinsanknikolaus. Antons Sohn Ladislaus machte sehr schnell als Fußballer auf sich aufmerksam. Seine Anfänge waren bei CFR Arad. Bereits mit 16 Jahren galt er als Rohdiamant, der für Vagonul Arad in der B-Liga spielte und mit dem Verein 1968 als Siebzehnjähriger in die erste Liga aufstieg. Anschließend wechselte er zum Lokalrivalen UTA.
Ladislaus hatte einen starken linken Fuß und war technisch versiert. Kein Wunder, dass er – ebenfalls mit 17 Jahren – als Stammspieler für UTA bereits in der A-Liga debütierte. Das geschah am 1. September 1968 bei der 0:1-Niederlage in Ploieşti gegen Petrolul. Der gelernte Schlosser wurde in jener Spielzeit auf Anhieb Meister mit UTA und bestritt als Jüngster in der Mannschaft alle Punktspiele. Ein Jahrhunderttalent!
Dem ersten Meistertitel ließ er in der nächsten Saison mit den Aradern gleich den zweiten folgen. Er spielte insgesamt elf Jahre für UTA. In dieser Zeit stellte „Giony“, wie der torgefährliche Linksfüßer genannt wurde, einen Rekord für die Ewigkeit auf. Denn: Mit 100 Treffern ist er der erfolgreichste UTA-Torjäger aller Zeiten. Das ist umso beachtlicher, weil er diese 100 Tore in seinen 314 Punktspielen zunächst als Verteidiger und später als Mittelfeldspieler erzielte, also nicht als Stürmer.
Sein letztes Meisterschaftsspiel bestritt Ladislaus Brosovszky am 24. Juni 1979 beim 6:2-Sieg über Poli Jassy. Diese Begegnung sollte in die Geschichte des rumänischen Fußballs eingehen. Denn: Trotz des Schützenfestes am letzten Spieltag über die Moldauer wurde UTA nur Vorletzter und stieg zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte ab – nach 33 Jahren ununterbrochener Erstklassigkeit! Ein bitterer Moment für den Verein und für Brosovszky. Der war so enttäuscht, dass er nach elf Jahren A-Liga im UTA-Dress seine aktive Laufbahn beendete. Sie umfasste auch 16 Europapokalspiele (vier Tore), 13 Partien in der Jugendnationalmannschaft (ein Tor) und vier Länderspiele (ein Tor) für Rumänien.
Wie kam er eigentlich zum Spitznamen Giony? Seine Frau Annemarie erklärt: „Da er schon in jungen Jahren so gut war, schrien die Zuschauer seinen älteren Mitspielern zu, sie sollten doch den Ball zu Giony passen.“ So hatte er den Namen Giony weg. Und dieser Giony machte Furore, indem er Tore wie am Fließband erzielte.
Aus jener Zeit gibt es eine nette Anekdote. Der legendäre UTA-Coach Coco Dumitrescu kritisierte Brosovszky mal im Training, weil er nicht genügend laufen würde. Giony entgegnete ihm schlagfertig: „Laufen kann doch ein jeder, auch ein Pferd. Aber was kann ein Pferd mit dem Ball machen?“
Beim Anpfiff im legendären Rückspiel gegen Feyenoord war Brosovszky jüngster Spieler auf dem Platz. Als linker Außenverteidiger zeigte er, was er alles mit dem Ball anstellen konnte, obwohl er angeschlagen spielte. „Der junge Brosovszky war so intelligent, prompt, klar, ehrgeizig und opferbereit, dass er einem der weltbesten Rechtsaußen, dem blonden Wery, standgehalten hat“, überschlug sich die Fachzeitung „Sportul“ im Spielbericht in Lobeshymnen auf ihn.
Nach seiner aktiven Karriere blieb Brosovszky – wie auch anders – dem Fußball erhalten: zunächst als Trainer bei den Junioren von UTA, dann in gleicher Funktion bei Vagonul, Unirea Großsanktnikolaus und zuletzt als Assistenztrainer jener UTA-Mannschaft, die von seinem ehemaligen Mitspieler Flavius Domide trainiert wurde.
Es sollte nicht nur seine letzte Fußballstation sein, sondern leider auch die letzte seines noch so jungen Lebens. „Am 23. Dezember 1990 lag er im Bett und las. Eine halbe Stunde vor Heiligabend ist er an einem Herzinfarkt gestorben“, erinnert sich seine Frau Annemarie mit Trauer in der Stimme.
Einer der ganz Großen nicht nur des Arader, sondern des gesamten rumänischen Fußballs war mit nur 39 Jahren viel zu früh für immer gegangen. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Arader Friedhof Pomenirea.
Die Jahre zogen ins Land, aber Ladislaus Brosovszky ist unvergessen geblieben. Kein Wunder, dass sein ehemaliger Verein UTA plant, ihm zu Ehren eine der Tribünen im neuen Arader Stadion „Francisc Neumann“ zu benennen.
Vor fast 30 Jahren ist Ladislaus Brosovszky zu Grabe getragen worden. Aber er lebt weiter. Denn: Ein großer Toter stirbt nie…