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Aus der Geschichte der Seuchen und Krankheiten im Banat (Teil 12)

Johann Zahner, geb. 1888, gest. 1918 an der Spanischen Grippe Quelle: Donautalmagazin 41/1988

Seuchenopfer-Denkplakette bei der Grabstätte der 1918 an der Spanischen Grippe verstorbenen Anna Ritzhaupt auf dem Wieslocher Stadtfriedhof Foto: Helmut Ritter (2020)

Joseph Meister, erster 1885 von Pasteur geimpfter und geheilter Tollwutpatient. Quelle: commons.wikimedia.org

Der Tetanus

Tetanus (Starrkrampf) ist eine akute schwere Wundinfektion, die durch das Toxin des 1884 in Göttingen durch Arthur Nicolaier entdeckten Bakteriums „Clostridium tetani“ hervorgerufen wird. Die Tetanusbazillen kommen im Darminhalt von Haustieren, insbesondere von Pferden und Rindern, vor. Ihre Sporen können sich in gedüngter Erde über Jahre halten und sie sind überall zu finden, auch im Straßenstaub.
Wenn sporenhaltige Erde in eine Wunde gelangt, die nicht gründlich desinfiziert wird, so entsteht eine Tetanusinfektion. Sie befällt die muskelsteuernden Nervenzellen des Zentralnervensystems und verläuft häufig tödlich. Besonders gefährlich sind tiefe Wunden.

Im Banat wurde vor rostigen Nägeln gewarnt. Aber stimmt das auch? Jein! Eigentlich kann jeder Nageltritt gefährlich sein, aber etwas Wahres ist dran. Der Rost ist zwar nicht die Ursache von Tetanus, aber er bewirkt durch die Aufrauung der Nageloberfläche, dass mehr Bakterien haften bleiben. Und rostige Nägel liegen eher auf der Erde, wo Tetanusbakterien vorkommen.

Die Sporen können sich nur unter Sauerstoff-Abwesenheit vermehren und Giftstoffe (Toxine) produzieren, welche starke Muskelkrämpfe verursachen. Es kommt zu einer Muskelstarre, wie zum Beispiel der Gesichtsmuskulatur (Sardonisches Lächeln) und der unteren Extremitäten, die mit höchster Qual verbunden ist. Der Kranke erlebt den qualvollen Zustand bei vollem Bewusstsein bis zuletzt. Durch Lähmung der Atmungsmuskulatur kommt es am Ende zum Erstickungstod.

Früher ließ sich die Krankheit nicht behandeln, heute gibt es einen Impfstoff, der auch dann wirkt, wenn man ihn zeitnah nach der Infektion verabreicht. Gaston Ramon entwickelte in den 1920er Jahren das Anatoxin, das in Form einer Impfung eine wirksame Prophylaxe ermöglicht. Dieser Impfstoff bietet etwa zehn Jahre lang Schutz, weshalb die Tetanusimpfung in diesem Rhythmus wiederholt werden muss.

Wundinfektionen können aber auch zu einer bakteriellen Allgemeininfektion, zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen. Die Verursacher sind Keime wie Streptokokken, Staphylokokken, Kolibakterien usw.

Auch im Banat sind viele Menschen an Starrkrampf und Blutvergiftung gestorben. Auf dem Grabstein des am 25. September 1920 im Alter von 29 Jahren verstorbenen Mathias Reiszer aus Dolatz ist folgende Inschrift verzeichnet: „Durch einen Nagel Tritt/ so einen bitt`ren Tod erlitt“. Opfer einer Verletzung durch einen Nagel wurden auch Johann Weindorfer aus Nitzkydorf (gest. 1936, 32 Jahre) und Franz Bucher aus Wiseschdia (gest. 1941, 16 Jahre).

Nikolaus Vogel aus Engelsbrunn sagte 1973 im Gespräch mit Walther Konschitzky: „Kiner ha me kani. Die ha me begrab. De Bu war greßer, un`s Madl, des is mit siewe Monat uf die Welt kumm un is gstorb. Beim Begräbnis hat de Bu noch gsaat: ‚Na, ich schmeiß de Schwester e dicke Scholle nune‘ – wie die Kiner schun sein – un zwaa Täch druf war er tot. Er hat in was neingetret, hat Blutvergiftung kriet, un damols war des jo net so wie heit“ (Dem Alter die Ehr, 1982, S. 324).

Im Friedhof von Rekasch fand ich den Grabstein der elfjährigen Herta Klein (1936-1947). Das Mädchen wurde von ihrem Hund gebissen und starb vermutlich an einer Blutvergiftung. An einer Sepsis starb nach einem scheinbar „harmlosen“ Nadelstich 1951 auch die 36-jährige Anna Silier (geb. Esperschidt) aus Großsanktpeter.

Die Tollwut

Die Tollwut wird auch noch Lyssa (griechisch: „Wut“, „wütende Raserei“) und Rabies (von lat. „rabere“, d.h. „toll sein“, „toben“) genannt. Früher bezeichnete man das Leiden als „Hydrophobie“ (Wasserfurcht). Galen (2. Jahrhundert) schrieb: „Die Hydrophobie ist eine Krankheit, welche infolge eines maniakalischen Hundebisses auftritt; sie wird von einer Abneigung zu trinken, von Krämpfen und spastischen Weinanfällen begleitet.“

Die Tollwut ist eine akute, durch Bissverletzung übertragbare Myeloencephalitis (Gehirnentzündung) bei Warmblütern. Der Erregervirus (Rabiesvirus) kann sowohl durch den Biss eines infizierten Hundes als auch anderer Tiere (Wolf, Fuchs, Katze, Fledermaus usw.) auf den Menschen übertragen werden.

Der mit dem infektiösen Speichel in die Bisswunde gelangte Erreger breitet sich über die Nervenbahnen zum Zentralnervensystem aus. Die Inkubationszeit beträgt vier bis sechs Wochen, kann aber sogar länger dauern. Neben der Virulenz des Virus spielt auch die Lokalisation der Verletzung eine Rolle, denn je näher der Biss zum Zentralnervensystem und je tiefer er war, umso kürzer pflegt die Inkubationszeit zu sein. Erst wenn das Gehirn geschädigt wird, kommt es zum Ausbruch der Tollwut. Besonders gefährlich sind Gesichtswunden und Wunden an den Händen.
Die Tollwut ist seit dem Altertum bekannt, bereits Hippokrates, Demokrit und Aristoteles haben ihre Symptome beschrieben.

Da die Erkrankung bei Tollwut stets tödlich endet, soll die Behandlung möglichst frühzeitig und bei Verdacht bereits vorbeugend mit der Schutzimpfung beginnen. Louis Pasteur (1822-1895) arbeitete schon seit fünf Jahren an der Herstellung eines Impfstoffes gegen die Tollwut, als ihn am 6. Juli 1885 eine verzweifelte Mutter aus dem kleinen Dorf Steige bei Meisengott im Elsass mit ihrem neunjährigen Sohn Joseph Meister aufsuchte, der von einem tollwütigen Hund gebissen worden war. Joseph Meister war der erste Mensch, der von Pasteur gegen die Tollwut geimpft und gerettet wurde.

Auch im Banat wurden immer wieder Menschen Opfer von tollwütigen Hunden. Im Familienbuch Guttenbrunn (1996, S. 94) dokumentiert Anton Neff den Fall der Katharina Eisenhauer (1791-1810), die 16 Wochen nach einem Hundebiss im Alter von 19 Jahren an Tollwut gestorben ist.

Die „Dettaer Zeitung“ berichtet öfter über Vorfälle mit tollwütigen Hunden. So zum Beispiel erscheint in der Nummer vom 19. Januar 1896 folgender Bericht über die 15-jährige Sofie Wallner aus Dognatschka: „Das Mädchen wurde am 17. Dezember 1895 von einem wuthverdächtigen Hunde gebissen und am 24. Dezember nach Budapest in die Pasteur’sche Heilanstalt gebracht. Die Aermste wurde nun auf dem Wege von Budapest von der Tollwuth befallen und ihr Zustand verschlimmerte sich so rapid, dass ihr (…) sogar die Zwangsjacke angelegt werden mußte. Sie starb im städtischen Krankenhaus (in Temeswar …) unter gräßlichen Qualen.“

„Die Verheerungen eines wutkranken Hundes“ betitelt die „Dettaer Zeitung“ vom 22. Januar 1922 folgenden Bericht: „Aus Groß-Sankt-Nikolaus wird gemeldet: Ein an Wut erkrankter Hund durchlief hier die Straßen und hat nicht weniger als sieben Personen gebissen, welche in das Pasteurinstitut nach Klausenburg gebracht wurden.“

In der Gemeinde Schag wurden 1926 drei Männer von einem tollwütigen Hund gebissen, und zwar Josef Jäger, der Lehrer Adalbert Kern und Stefan Fiver. Jakob Klein (gest. 1942, 4 Jahre) aus Lenauheim, Mathias Schorsch (gest. 1947, 19 Jahre) aus Nitzkydorf und die junge Lehrerin Viktoria Schneider (1928-1951) aus Marienfeld, sind, wie Gewährspersonen berichteten, nach einem Hundebiss gestorben.

Die Grippe

Die Grippe oder Influenza ist eine akute Viruskrankheit, die durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Die Inkubationszeit ist kurz und die Erkrankung verläuft meist relativ leicht. Es kann aber auch zu Komplikationen kommen, wie zum Beispiel bakterielle Lungenentzündungen, die zum Tode führen können.

Es gibt drei Virustypen: Typ A, Typ B und Typ C. Nur Typ A kann auch Pandemien auslösen. Da die Grippeviren sich ständig verändern, ist es schwer, stets den geeigneten Impfstoff herzustellen.

Die Virusgrippe unterscheidet sich von Erkältungskrankheiten, die gewöhnlich als grippaler Infekt bezeichnet und von anderen respiratorischen Viren verursacht werden.

Meist kam die Grippe aus dem Osten. Auch der Name Grippe ist vermutlich russischen Ursprungs. Die Bezeichnung „Influenza“ (ital. „Einfluss“) kommt daher, dass man die Krankheit dem Einfluss der Sterne zugeschrieben hat.

Seit dem 18. Jahrhundert häuften sich die Grippeepidemien. Eine größere Epidemie begann 1830 und zog auf dem europäischen Festland bis 1833 umher. Goethes Todesursache im März 1832 scheint eine Grippe-pneumonie gewesen zu sein. 1889 begann eine der schwersten Grippepandemien, die sich über Russland „lawinenartig“ westwärts bis 1892 über Europa wälzte.

Im Jahre 1918, gegen Ende des Ersten Weltkrieges, kam es zur bisher schwersten Influenza-Pandemie, die bis 1920 dauerte. Man bezeichnete die Seuche als „Spanische Grippe“, da im neutralen Spanien zum ersten Mal darüber berichtet wurde.

Was den Ursprung dieser Grippe betrifft, gibt es mehrere Theorien. Vermutlich nahm sie ihren Anfang in einer Militärbasis in Kansas (USA) und wurde von dort durch Soldaten nach Europa an die Westfront eingeschleppt. Als der erste identifizierte Kranke (Patient Null) gilt der Armeekoch Albert Gitchell (März 1918).

Forscher um den amerikanischen Virologen Jeffery Taubenberger (geboren 1961 in Landstuhl) haben das Virus der „Spanischen Grippe“ entdeckt und den Erreger als Influenza-A-Virus des Typs H1N1 beschrieben. Alle globalen Grippeepidemien mit Influenza-A-Viren sind auf Nachfahren dieses Krankheitserregers zurückzuführen. Deshalb wird die „Spanische Grippe“ auch die „Mutter aller Pandemien“ genannt.

Die „Spanische Grippe“ rollte in drei großen Wellen über Europa hinweg, dabei war die zweite Welle im Herbst und Winter 1918 die tödlich-ste. Das Besondere daran war, dass sie bevorzugt Menschen „in der Blüte ihres Lebens“ zwischen 20 und 40 Jahren dahinraffte. Das Virus war ein Vogelvirus, das auf den Menschen übersprang. Es infizierte jeden dritten Erdenbewohner, 500 Millionen Menschen, und tötete 20 bis 50 Millionen, manche Quellen sprechen sogar von 100 Millionen Opfer. Sie tötete mehr Menschen als im Ersten Weltkrieg starben und forderte vielleicht sogar mehr Opfer als beide Weltkriege zusammen. Trotzdem schlägt sich die „Spanische Grippe“ nicht im kollektiven Gedächtnis, sondern in persönlichen Erinnerungen nieder (vgl. Laura Spinney: 1918. Die Welt im Fieber, 2020, S. 12/13).

Prominente Opfer der „Spanischen Grippe“ waren unter anderen der Schriftsteller Guillaume Apollinaire, Sultan Mehmed V., Frederick Trump (Großvater von Donald Trump) und der Maler Egon Schiele.

Im 20. Jahrhundert gab es zwei weitere große Grippe-Pandemien, und zwar die sogenannte „Asiatische Grippe“ (1957/58) und die „Hongkong-Grippe“ (1968/69). Zurzeit grassiert die SARS-CoV-2-Pandemie (Corona-Pandemie), deren Ausmaß sich vor einigen Monaten niemand hätte vorstellen können! Alle waren davon überzeugt, dass die großen Seuchen der Vergangenheit angehören. Welch ein Trugschluss! „Tatsache ist, dass Seuchen nach wie vor eine der geheimen Plagen der Menschheit sind und die Apokalyptischen Reiter noch keineswegs ihren Ritt beendet haben“, schreibt der Herausgeber Hans Schadewaldt in der Einführung des Buches „Die Rückkehr der Seuchen. Ist die Medizin machtlos?“ (1994).

Die Grippe wird meistens unterschätzt. Oft hörte man im Banat die wenig besorgniserregende Aussage: „Ach, es war, Gott sei Dank, jo nor die Grippe!“ Es gibt zwar keine Statistik der Grippe-Toten im Banat, sicher ist jedoch, dass alljährlich auch hier vor allem ältere Menschen an Grippe starben. In einigen Heimatbüchern findet die „Spanische Grippe“ Erwähnung, die einige Opfer forderte.

Johann Zahner (geb. 1888 in Klek) aus Kleinomor wirkte als Friseur am Hofe des türkischen Vizekönigs Abbas II. Hilmi in Kairo. In einem Gespräch, das ich 1991 mit dessen damals 91-jährigen Schwester Margarethe Dinzer in Buchdorf führte, sagte Bäsl Gretl: „Mein Bruder hat aus Budapest geschrieben, dass eine neue Krankheit ausgebrochen ist. Unsere Mutter hat dann gesagt: ‚Werscht gsiehn, dass er sterbt!‘ Und so war es auch, Hans ist 1919 in Budapest mit nur 31 Jahren an der Spanischen Grippe gestorben.“

„Opfer der Grippewelle im Banat“ betitelt „Der Donauschwabe“ vom 21. März 1976 einen Beitrag von ALT (Adalbert Tringl). Darin heißt es: „Die im Laufe des Monats Februar im rumänischen Banat herrschende Grippewelle hat auch in der Gemeinde Detta ihre Opfer gefordert, hauptsächlich unter der älteren Generation. So starb im Alter von 89 Jahren auch Gemeindenotär a. D. Anton Noll.“

Nachwort

Die Beiträge zur Geschichte der Seuchen im Banat bleiben exemplarisch und könnten erweitert werden. Generationen Banater Schwaben ruhen in geweihter Heimaterde. „Der Ahnen Hügel sind Altäre, dass sie der späte Enkel ehre“, schrieb unser Heimatdichter Peter Jung. Die Hügel der Ahnen gibt es längst nicht mehr und es ist auch nur eine Frage der Zeit, wie lange unsere Friedhöfe im Banat noch existieren werden. Was bleibt, ist die Erinnerung. Die Geschichte hat uns gezeigt, wie schnell Heimat verloren gehen kann. „Heimat ist immer die verlorene Heimat“, meint der Schriftsteller Walter Kempowski. Wir müssen lernen, mit diesem Verlust zu leben. „Heimat“, so Marion Gräfin Dönhoff, „gehört im letzten und höheren Sinne ohnehin niemanden, allenfalls vielleicht dem, der imstande ist zu lieben, ohne zu besitzen“.