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Als „Gerd Müller“ UTA zur Meisterschaft schoss

Dembrovsky kniend mit dem Ball zwischen den Beinen Foto: Archiv Radu Romanescu

Otto Dembrovsky (zweiter von links) mit seinen ehemaligen Mannschaftskollegen Gábor Bíró, Mircea Axente, Petre Şchiopu, Flavius Domide und Mihai Jivan (von links) Foto: Viorel Muscă

Otto Dembrovsky (rechts) mit seinen Mannschaftskollegen Gornea (mit Ball) und Domide. Foto: Glasul Aradului

Noch ein wichtiges Jubiläum für UTA in diesem Jahr: Vor 50 Jahren, am 19. Juli 1970, gewannen die Arader ihren sechsten und bisher letzten Landesmeistertitel, den zweiten in Folge. Danach sah es aber zunächst nicht aus. Denn: In der Hinrunde der Spielzeit 1969/70 lief es nicht so gut für die Rot-Weißen. Herbstmeister wurde Rapid Bukarest. UTA belegte abgeschlagen Rang 6 mit vier Punkten Rückstand auf den Spitzenreiter aus der Hauptstadt. Aber: In der Meisterschaftspause gelang UTA ein hervorragender Schachzug, der letztendlich die Meisterschaft entscheiden sollte. Vom Lokalrivalen Vagonul Arad aus der B-Liga wurde Torjäger Otto Dembrovsky verpflichtet.

Was nur wenige wissen: Otto Dembrovsky, zweiter Cousin des Nationalspielers Emmerich Dembrovsky (SC Bacău, Poli Temeswar) war ein Deutscher, der am 18. August 1942 in Ungarn geboren wurde. Dorthin hatte es seine Eltern im gleichen Jahr in den Kriegswirren verschlagen, weil sie ihre Arbeitsplätze in einem Betrieb in Rumänien verloren hatten und im Nachbarland neue Arbeit fanden.

1949 zog Familie Dembrovsky nach Rumänien zurück, wo sie sich zunächst in Zalău und später im siebenbürgischen Târnăveni (Sankt Martin) niederließ. Dort unternahm Klein-Otto seine ersten fußballerischen Gehversuche beim Lokalverein Chimica, wo er von 1956 bis 1960 in der C-Liga spielte. Über die Stationen Şoimii Hermannstadt (1960-1965) in den regionalen Ligen und während seines Militärdienstes bei ASA Neumarkt (1965/66) gelangte er 1966 zu Vagonul Arad und erzielte mit den Blau-Weißen in der darauffolgenden Saison 1967/68 gleich zwei bemerkenswerte Erfolge. Als Zweitligist stieß Vagonul immerhin bis ins Halbfinale um den Rumänienpokal vor, wo am 12. Juni 1968 in Klausenburg gegen Rapid Bukarest mit 0:2 Endstation war. In der gleichen Spielzeit stieg Vagonul durch elf Tore von Otto Dembrovsky in die A-Liga auf.

Damals spielten gleich vier Deutsche bei Vagonul: Neben Otto Dembrovsky waren dies Ferdinand Mühlroth, Peter Schweininger und Ladislaus Petschovszky, der Sohn von UTA-Star Josef Petschovszky. Ebenso mit im Team war der blutjunge Ladislaus Brosovszky, der nach dem A-Liga-Aufstieg von Vagonul zu UTA wechselte (separater Bericht folgt).

Besonders heiß umkämpft waren in der Erstligaspielzeit 1968/69 natürlich die Lokalderbys zwischen UTA und Vagonul. Beim Hinspiel führte Vagonul zuhause unter anderem durch ein Tor von Otto Dembrovsky bereits mit 3:1, die UTA-Fans verließen enttäuscht das Stadion, als die Rot-Weißen in den letzten elf Minuten den Spieß noch umdrehten, vier Tore erzielten und am Ende mit 5:3 gewannen. Im Rückspiel rächte sich Vagonul mit einem 1:0-Sieg bei UTA. Aber: Obwohl Otto Dembrovsky immerhin acht Tore in 26 Spielen schoss, reichte es nicht für den Klassenerhalt. Am Ende der Meisterschaft stieg Vagonul als Schlusslicht in die B-Liga ab.

UTA war auf den bulligen Otto durch seine vielen Tore aufmerksam geworden. Deshalb nahm ihn der berühmte Trainer Coco Dumitrescu in der Meisterschaftspause auf eine Vorbereitungstournee durch Belgien mit. Dort schoss Dembrovsky in jedem Spiel ein Tor. „Wir müssen ihn unbedingt holen“, forderte Coco. Gesagt, getan! Der Torjäger wechselte – wie schon erwähnt – in der Winterpause zu UTA. Doch Ottos Debüt bei den Rot-Weißen stand unter keinem guten Stern: Seine neue Mannschaft verlor am 8. März 1970 bei Dinamo Bacău mit 1:2.

Otto Dembrovsky ähnelte nicht nur wegen seiner pummeligen Figur dem berühmten bundesdeutschen Torjäger Gerd Müller, sondern er hatte auch dessen legendären Torriecher. Das bewies er eindrucksvoll in der Rückrunde der Spielzeit 1969/70, wo er für UTA in 15 Punktspielen sage und schreibe 15mal traf. Was für eine effiziente Ausbeute! Kein Wunder, dass die Aufholjagd von UTA dank des Arader „Gerd Müller“ von Erfolg gekrönt wurde: Am vorletzten Spieltag war UTA Tabellenerster mit zwei Punkten Vorsprung auf Rapid.

Die Entscheidung um den Titel fiel am 19. Juli 1970: Im letzten Heimspiel der Saison schlugen die Arader Steagul Roşu Kronstadt durch zwei Tore von Domide und eines von Axente mit 3:1. Alle vier Treffer waren bereits nach 37 Minuten gefallen. Rapid verlor mit dem gleichen Ergebnis in Konstanza gegen Farul – und die Meisterschaft war vorzeitig zugunsten von UTA entschieden! Am letzten Spieltag drei Tage später verloren die Arader zwar bei Poli Jassy mit 2:1, was am Abschlussstand in der Tabelle aber nichts mehr änderte. UTA wurde schließlich mit 39 Punkten Meister vor Rapid (37) und Steaua Bukarest (34). Abgestiegen sind Crişul Großwardein und ASA Neumarkt.

Der Arader „Gerd Müller“ hatte seinen Dienst mehr als getan! Seine Leistung kann nicht hoch genug eingestuft werden. Denn: Mit seinen 15 Treffern, die er alle in der Rückrunde erzielt hatte, wurde er immerhin noch Fünfter in der Torjägerliste der A-Liga. Vor ihm befand sich ein Quartett, das seine Treffer in der gesamten Saison, also in doppelt so vielen Spielen wie Dembrovsky, geschossen hatte und zwar Ion Oblemenco (Uni Craiova/19 Tore), Nicolae Dobrin (FC Argeş Piteşti/18), Alexandru Neagu (Rapid Bukarest/16) und Gheorghe Tătaru (Steaua Bukarest/16).

Das bisher letzte Meisteraufgebot von UTA: Torhüter: Gheorghe Gornea (29 Spiele - 0 Tore), Emmerich Moricz (1-0); Abwehr: Gábor Bíró (30- 1),
Josef Leretter (29-7), Stefan Bakos (16-0), Jenő Pozsonyi  (26-0), Gheorghe Czakó (4-0), Ladislaus Brosovzky (30-1); Mittelfeld: Mircea
Petescu (30-1), Petre Şchiopu (19-2), Flavius Domide (29-11), Erhard Schepp (4-0), Ilie Moţ (20-4), Viorel Sima (17-2); Angriff: Mircea Axente (30-6), Florian Dumitrescu (29-4), Otto Dembrovsky (15-15), Petru Regep (3-0), Ion Atodiresei (3-0), Teodor Drăucean (1-0), Viorel Brândescu (6-0). Von den 21 Spielern bestritten vier alle Partien: Bíró, Brosovszky, Petescu und Axente. Cheftrainer war Nicolae Dumitrescu, seine Assistenten Johann Reinhardt und Toma Jurcă.

Dies war der sechste und bisher letzte Meistertitel von UTA. So oft hatte bis damals keine andere rumänische Mannschaft außerhalb von Bukarest die rumänische Meisterschaft gewonnen. Deshalb wird UTA auch „Meister der Provinz“ genannt. Erst im laufenden Jahr hat CFR Klausenburg mit den Aradern in Sachen Titelgewinnen gleichgezogen.

Bestimmt wird sich so mancher fragen, warum der letzte Spieltag der Saison 1969/70 erst am 22. Juli ausgetragen wurde. Das lag an der Fußball-Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko, an deren Endrunde die rumänische Nationalmannschaft nach 32 Jahren Abwesenheit wieder teilnahm. Wegen der Vorbereitung auf dieses Turnier und der Austragung der WM-Spiele im Land der Azteken war die A-Liga mehr als zwei Monate lang unterbrochen: vom 18. April bis zum 28. Juni. So gesehen wurde UTA der späteste Meister in der rumänischen Fußballgeschichte. Auch eine Premiere!

Apropos, WM in Mexiko. Von UTA nahmen zwei Spieler daran teil: Torhüter Gornea und Mittelfeldregisseur Domide. Beide kamen aber nicht zum Einsatz.

Als wir Anfang der achtziger Jahre eine Wanderung durchs Bucegi-Gebirge unternahmen, kamen wir auf dem Weg zum Gipfel Omul in ungefähr 2000 Meter Höhe an einem verlassenen Fußballstadion vorbei. Nur die netzlosen Torstangen standen noch da. Dort bereitete sich die rumänische Nationalmannschaft mit Höhentraining auf die WM 1970 vor, um sich an die dünne Luft in den hochgelegenen mexikanischen WM-Stadien zu gewöhnen.

Doch zurück zu Bomber Otto Dembrovsky. In den beiden legendären Europapokalspielen gegen Feyenoord trug er auch ohne Tore entscheidend zum sensationellen Weiterkommen von UTA bei. Der Arader Führung im Hinspiel ging (wie bereits an anderer Stelle berichtet) ein Foul von Rinus Israel an Otto voraus. Der daraus resultierende Freistoß führte zum goldenen Auswärtstreffer durch Florian Dumitrescu. Und im Rückspiel zwei Wochen später band der „Bulldozer“ Dembrovsky durch seine Torgefährlichkeit oft zwei Gegenspieler an sich, so dass Feyenoord meist einen Mann weniger im Angriff hatte. Noch ein toller Schachzug von UTA-Coach Coco Dumitrescu.

Nach zwei Rückrundenspieltagen der A-Liga-Saison 1970/71 verließ Otto Dembrovsky nach nur gut einem Jahr UTA und wechselte zu Poli Temeswar in die 2. Liga, wo er die Studenten zum Aufstieg schießen wollte, es aber ebenfalls nicht lange aushielt und lediglich sechs Spiele bestritt, in denen er drei Treffer markierte.

Im gleichen Jahr 1971 kehrte er zum Eisenbahnerklub Vagonul nach Arad zurück, der mittlerweile in die C-Liga abgestiegen war. 1973 fusionierte Vagonul mit dem Zweitligisten CFR Arad, hieß ab sofort Unirea Arad und gelangte durch diese Fusion wieder in die 2. Liga zurück. Dort beendete Otto Dembrovsky 1973 nach nur zwei Spielen seine Karriere und hängte mit 31 Jahren die Fußballschuhe an den berühmten Nagel. Es war das Ende einer beeindruckenden Karriere!

Sein erstes A-Ligaspiel bestritt er am 11. August 1968 beim 1:1-Remis von Vagonul gegen Jiul Petroşani und das letzte am 11. April 1971 beim 1:1-Unentschieden von UTA gegen Rapid Bukarest, als er das Arader Tor schoss.

Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn arbeitete Otto als Meister in der Waggonfabrik, wo er 1996 in Rente ging. Anschließend verdiente er sich bis Mitte der 2000er Jahre ein Zubrot als Bademeister im Freibad Pădurice, der Heimstätte der Arader Erstliga-Wasserballer von Amefa.

Otto Dembrovsky starb am 6. November 2009 in Arad als Rentner im Alter von 67 Jahren nach langer Herzkrankheit. „Er war ein guter Junge und ein ausgezeichneter Kollege. Der Sensenmann hat ihn viel zu früh geholt“, meinte Mannschaftskollege Flavius Domide. Und er fügte hinzu: „Ein außerordentlicher Mensch, der niemals jemand einen Vorwurf gemacht hat.“ Gábor Bíró sagte: „Auch große Sterne fallen manchmal. Wir haben uns bestens verstanden.“ Viorel Sima ergänzte: „Wir waren sehr gute Freunde. Er war ein so einfacher Mensch. Zwar lief er nicht viel beim Training. Denn er war rundlich, aber nichtsdestotrotz schoss er Tore aus allen Lagen.“ Und Gheorghe Váczi II meinte: „Ich finde keine Worte, um ihn zu beschreiben. Er war ein lustiger Mensch, der ständig Witze machte.“

Auf dem Weg zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Arader Friedhof Eternitatea applaudierten viele Menschen. Und einige Stunden nach der Beerdigung bekam er noch einmal Applaus – von den Zuschauern im UTA-Stadion, wo er seine großen Erfolge feierte und wo sein früherer Verein 0:0 in der B-Liga gegen ASA Neumarkt spielte. Das Ergebnis war jedoch zweitrangig. Denn: Ein Großer hatte die große Fußballbühne für immer verlassen.

Für die UTA-Fans jedoch wird der Arader „Gerd Müller“ unvergessen bleiben...