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Der große Schwabenbischof - 150 Jahre seit der Geburt von Dr. h.c. Augustin Pacha

Bischof Dr. h.c. Augustin Pacha (1870-1954)

Wappen von Bischof Pacha, nachgezeichnet von Angela Horvath

Inmitten seiner Gläubigen fühlte sich der beliebte Oberhirte immer wohl. Fotos: Archiv der Diözese Temeswar

Der 150. Geburtstag des Schwabenbischofs Dr. h.c. Augustin Pacha, den die Diözese Temeswar im Jahr 2020 begeht, ist für uns Anlass zu einem Überblick auf wesentliche Entwicklungen in der Diözese Temeswar in der Zeit, als Pacha ihr Apostolischer Administrator und später ihr Bischof war. Keiner hat das kirchliche Leben der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft im Banat im 20. Jahrhundert so zielstrebig auf neue Grundlagen gestellt und so nachhaltig geprägt wie er. Sein aufrechtes Eintreten für seine Gemeinde hat er mit schwerem Kerker und Zwangsarbeit am Donau-Schwarzmeer-Kanal bezahlt; für sein segensreiches Wirken aber hat sich der volksnahe Oberhirte die hohe Wertschätzung und bleibende Anerkennung seiner Gläubigen erworben.

Herkunft und Familie

Am 26. November 1870 in Moritzfeld im heutigen Kreis Karasch-Severin in einer banatschwäbischen Familie geboren, kam der junge
Augustin Pacha seit Kindertagen in den Genuss einer guten Erziehung, um nach dem Abschluss der Volksschulklassen in seinem Heimatort auf die besten Schulen der damaligen Zeit nach Kecskemét, Temeswar und Szegedin geschickt zu werden. Er war das zwölfte von dreizehn Kindern der Eheleute Marian und Elisabeth Pacha, geborene Halsdorfer. Väterlicherseits stammte die Familie aus Petersdorf in Böhmen, von wo sie im 19. Jahrhundert ins Banat kam; die Vorfahren mütterlicherseits haben ihre Wurzeln in der Umgebung von Trier und sind Ende des 18. Jahrhunderts eingewandert. Von den dreizehn Kindern der Eheleute sind neun im Kindesalter gestorben, zwei Jungen und zwei Mädchen überlebten. Der ältere Sohn Stefan Pacha (1859-1924) wurde ebenfalls Priester und war unter anderem von 1904 bis 1924 als Abt-Pfarrer in der Temeswarer Fabrikstadt tätig.

Die Kinderjahre und das Jugendalter Pachas fielen in die Zeit, als viele Repräsentanten der banatschwäbischen Elite – aber nicht nur diese – ihre Familiennamen ablegten und ungarische annahmen. Die als Mad-jarisierung bezeichnete komplexe identitäts- und mentalitätsgebundene Umorientierung, die als Folge des zunehmenden nationalpolitischen Drucks in den Jahrzehnten nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich des Jahres 1867 eintrat, traf auf Pacha jedoch nicht zu. Obwohl er in ungarischen Schulen erzogen und ausgebildet wurde und ein guter Kenner der ungarischen Sprache, Kultur und Literatur war, blieb er fest in der Kultur- und Geisteswelt seines deutschsprachigen Umfeldes verwurzelt. Diese Haltung verlieh seinen Äußerungen und Entscheidungen hohe Glaubwürdigkeit, als er 1923 die Funktion des Apostolischen Administrators der jungen Diözese Temeswar annahm und erklärte, allen Gläubigen seines Zuständigkeitsbereiches ein loyaler, verständnisvoller und gerechter Oberhirte zu sein. Pacha wird das nationale Erwachen der Banater Schwaben und die Stärkung ihrer katholisch-deutschen Identität ebenso unterstützen wie den Erhalt der Identität, die Pflege der Muttersprache sowie die geistige und kulturelle Entfaltung der Ungarn, Bulgaren, Kroaten, Tschechen und Slowaken in seinem Kirchensprengel.

Nach dem Abschluss seiner theologischen Studien im Priesterseminar in Temeswar im Jahr 1893 wurde Pacha am 12. August 1893 von Bischof Dr. Alexander Desewffy von Csernek und Tarkeő zum Priester geweiht. Dank seiner Tüchtigkeit und seines Eifers erklomm der junge Kleriker in sehr kurzer Zeit die hierarchischen Stufen einer beispielhaften priesterlichen Karriere vom Kaplan und Aktuar bis zum Domherrn (Domkapitular) und schließlich zum Apostolischen Administrator.

Erster Bischof von Temeswar

Am 12. März 1923 zum Apostolischen Administrator ernannt und am 27. Mai 1927 zum Titularbischof von Lebedo geweiht – unter Beibehaltung des bisherigen Titels, der Funktionen und Aufgaben –, wird Augustin Pacha am 16. Oktober 1930 der erste Kleriker, der jemals den Titel Bischof von Temeswar getragen hat. Als volksverbundener Oberhirte durchreiste Pacha sein ganzes Bistum und suchte die Nähe seiner Gläubigen, vor allem der Kinder und Jugendlichen. Er veranstaltete Volksmissionen, spendete die Heilige Firmung sowohl in Pfarreien als auch in Filialen, konsekrierte zahlreiche Kirchen, nahm an Kirchweihen und anderen Festen der Pfarreien teil, organisierte mit Hilfe der Benediktinerinnen von Sankt Lioba die katholische Jugendarbeit und trug wesentlich zur Entwicklung des deutsch-katholischen Lehrwesens bei. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges und der Russlandverschleppung setzte der Bischof alles daran, die durch den Krieg und Verfolgungen verursachten Nöte und Wunden ertragbarer zu machen, gleichzeitig trat er konsequent den immer vehementer agierenden kirchenfeindlichen Ideologien entgegen.

In zahlreichen Artikeln und Studien, die sich mit dem Leben und Wirken des großen Schwabenbischofs auseinandersetzen, wird immer wieder ein Wesenszug seiner Persönlichkeit hervorgehoben: seine Volksnähe. Pacha widmete den Begegnungen mit der Jugend und mit Kindern viel Zeit, kümmerte sich um ihre Pastoration, zeigte ein besonderes Interesse für die religiösen Orden und ihr Wirken, vor allem für die Kongregationen, die der jungen Generation eine christliche Erziehung sicherten – die Piaristen, die „Notre Dame“-Schwestern oder die Benediktinerinnen von Sankt Lioba. Auf seine Initiative hin wurden neue Religionsbücher für Schüler, Sing- und Spielbücher für den musikalisch-liturgischen Gebrauch, aber auch andere Publikationen herausgebracht. Diese Veröffentlichungen hatten in den meisten Fällen einen allgemeingültigen und für das ganze Gebiet des Bistums – auch darüber hinaus – einheitlichen Charakter und trugen wesentlich zur Entwicklung der konfessionellen Schulen bei.

In diesen Schriften wird Bischof Pachas persönliches Engagement in der Organisation der Verwaltungsarbeit des Bischöflichen Ordinariats dagegen kaum wahrgenommen. Erwähnt werden meist nur die Sorgen und Probleme seiner ersten Jahre als Oberhirte: die Folgen der Agrarreform von 1921, die säumige, un-regelmäßige Auszahlung der Löhne der Priester und der katholischen Lehrer durch den rumänischen Staat in den 1920er Jahren, die Einführung der rumänischen Sprache in ungarischen und deutschen konfessionellen Schulen. All dies wurde dank seines persönlichen Engagements und seines diplomatischen Geschicks, aber auch dank des Einsatzes seiner Mitarbeiter, vor allem des Abgeordneten Dr. Franz Kräuter, der die deutsche Minderheit im Bukarester Parlament vertrat, weitgehend überwunden. Hilfestellung kam dabei auch seitens der Freunde Pachas und des Bistums: ehemalige Studenten des Bischofs Glattfelder, wie zum Beispiel Zenovie Pâclişanu, päpstlicher Kämmerer, griechisch-katholischer Priester und zugleich hoher Beamter des rumänischen Außenministeriums und später des Kunst- und Kultusministeriums.

Den multikulturellen und multikonfessionellen Gegebenheiten in seinem Bistum Rechnung tragend, bemühte sich Pacha, den Erwartungen, die die einzelnen Ethnien nach dem Ersten Weltkrieg den neuen kulturpolitischen Bedingungen entsprechend deutlich äußerten, gerecht zu werden. Die Anfangszeit der „Ära Pacha“ ist daher von einer Reihe von Neuerungen geprägt. In den 1920er und 1930er Jahren vollzog sich ein markanter Prozess der nationalen Selbstbesinnung innerhalb der deutschen Bevölkerung, die die Mehrheit der Gläubigen der Diözese ausmachte. In dieser umbruchartigen politischen Ethnisierung, die alle nationalen Minderheiten erfasste, artikulierten diese nach dem Entscheid von Trianon im nunmehr rumänischen Teil des Banats immer deutlichere Ansprüche und Forderungen zur vielseitigen Entfaltung ihrer ethnischen Eigenart, ihrer Traditionen und kulturellen Überlieferungen. Im Kontext dieser Entwicklungen kam der Kirche und ihrem Bischof eine besondere Bedeutung zu. Pacha bezog eindeutig Stellung: Er billigte allen Gläubigen seiner Diö-zese die gleichen Möglichkeiten und Chancen der Bewahrung ihrer Identität zu.

Bezüglich der Banater Deutschen wurde dies 1923 anlässlich der Festlichkeiten der 200-Jahr-Feier der Ansiedlung deutscher Einwanderer im Banat sichtbar. Damals schlug Pacha in seinem Pontifikalamt vor der Pestsäule auf dem Domplatz offensichtlich eine neue Richtung in der lokalen Pastoration ein: Die katholische Kirche begann die Mehrheit ihrer Gläubigen in dieser Region in ihrer deutschen Muttersprache anzusprechen. Allen voran der Oberhirte, der seine Ansprachen in deutscher Sprache hielt. Mehr noch: auch in schwäbischer Mundart! Dieser Schritt war von großer Bedeutung, und das Echo blieb nicht aus. Schritte der Erneuerung wurden aber bald auch in anderen Bereichen sichtbar.

Aufschlussreich in diesem Sinne ist Pachas Bemühen um die allgemeine Verbesserung des Schulwesens, insbesondere der Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten der Mädchen und Frauen. Unter Bischof Pacha wurde den Mädchenschulen der „Notre Dame“-Schwestern und der Benediktinerinnen von Sankt Lioba besondere Bedeutung zugemessen, aber auch andere Lehrveranstaltungen für Mädchen organisiert. Ebenso wurde die Ausbildung von Lehrern an katholischen deutschen Lehrerpräparandien weitgehend verbessert, das Römisch-Katholische Deutsche Lyzeum „Banatia“ aufgebaut, zahlreiche Jugendvereine auf dem Gebiet des Bistums ins Leben gerufen, die Mädchen- und Frauengruppen, die katholischen Chöre und Theatergruppen, der Bonifatius-Verein für die deutschsprachigen Gläubigen, die als Minderheit in Dörfern mit gemischter Bevölkerung lebten, unterstützt. Einen identischer, unter die Obhut der hl. Elisabeth von Thüringen aus dem Hause der Arpaden gestellter Verein wurde auch zur Förderung spiritueller und kultureller Belange der ungarischen Katholiken gegründet.

Bischof Pacha hat sich auch auf politischer Ebene für seine Glaubensgemeinschaft eingesetzt. Im Januar 1945 unternahm er Schritte, um die Deportation der Deutschen nach Russland abzuwehren, letztlich aber ohne Erfolg. Angesichts dieser traurigen Situation richtete die Diö-zese ihr Augenmerk in erster Linie auf jene Kinder der Deportierten, die allein, ohne Großeltern und ohne jegliche Unterstützung, zurückblieben und auf die Hilfe von Nachbarn oder Fremden angewiesen waren. Für sie wurde unter der Leitung des Domherren Josef Nischbach das Kinderhilfswerk ins Leben gerufen, um ihnen eine gesicherte Existenz bis zur Rückkehr ihrer Eltern zu ermöglichen. Nischbach setzte sich, ebenfalls im Auftrag des Bischofs, auch für die Deportierten selbst ein, insbesondere für jene, die krankheitshalber aus der Deportation entlassen, von den Russen aber nach Deutschland verbracht wurden. An den Grenzübergängen zu Ungarn, aber auch zur Sowjetunion wurden Kontaktpersonen und Helfer eingesetzt, die den Heimkehrenden eine erste Hilfe, in Form von Geld, Kleidung oder Nahrung zuteilwerden ließen. Diese Aktionen Nischbachs wurden, oft unter schwierigen Bedingungen, von den Benediktinerinnen von Sankt Lioba unterstützt. Die Kongregation unter der Leitung von Schwester Hildegardis Wulff hatte sich in der Zeit Augustin Pachas im Banat niedergelassen.