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Aus der Geschichte der Seuchen und Krankheiten im Banat (Teil 11)

Die „Schwarze Braut“: Grabstätte von Hedwig Braummüller auf dem Friedhof in Detta). Foto: Helmut Ritter (2017)

Grabstätte der Reinert-Schwestern auf dem Friedhof in Kleinbetschkerek. Foto: Helmut Ritter (1985)

Kirche in Neudorf und Hinweisschild auf die Grabstätte der Maria Anna von Habsburg. Fotomontage: Helmut Ritter (2017)

Die Tuberkulose – der „Schrecken ganzer Generationen“

Die Tuberkulose (TB/Tb, TBC/Tbc) ist weltweit die häufigste lebensbedrohende bakterielle Infektionskrankheit. 1882 entdeckte und isolierte Robert Koch die Erreger der Tuberkulose, die Tuberkelbakterien (Mycobacterium tuberculosis). Es war ein Meilenstein der Medizingeschichte. Im Jahre 1905 erhielt er den Nobelpreis für Medizin. Die Erreger der Tuberkulose sind unbewegliche, leicht gekrümmte Stäbchen, langsam wachsend, widerstandsfähig gegen physikalische und chemische Einwirkungen, jedoch empfindlich gegen UV-Licht und Erhitzen über 90°.

Die Bezeichnung Tuberkulose prägte 1832 der Arzt Johann L. Schönlein (Würzburg). Der Terminus „Tuberkulose“ kommt von lat. „tuberculum“ = kleine Geschwulst, Knötchen.

Die Tuberkulose ist eine zyklisch chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die nicht plötzlich ausbricht, sondern erst nach langem Siechtum zum Tod führt. Sie greift meist nur Menschen an, deren Immunsystem geschwächt ist. Nicht jeder TBC-Infizierte erkrankt.

In „Die Rückkehr der Seuchen“ (1994) schreibt Hans Schadewaldt: „Die Tuberkulose trat nicht so spektakulär und apokalyptisch auf wie die Pest und Cholera. Die Schwindsucht schleicht auf leisen Sohlen, lässt sich Zeit mit ihrem Zerstörungswerk, tötet langsam mit Unterbrechungen, in denen die Opfer neue Hoffnung schöpfen, um dann desto tiefer in die Qualen der Auflösung gestürzt zu werden.“

Auf dem Grabstein des 1928 im Alter von 26 Jahren verstorbenen lungenkranken Josef Eichhorn aus Traunau ist folgende Inschrift zu lesen: „Dein zwölfjähriges Leiden war unermesslich / Darum bleibst o liebes Kind uns unvergesslich“.

Der offentuberkulöse Mensch ist der wichtigste Verbreiter des Erregers. Der Mensch kann sich aber auch mit Rinder-Tuberkulose (Mycobacterium bovis) infizieren, vor allem über die Milch. Diesbezüglich sei an die Ausmerzung der tuberkulösen Kollektiv-Kühe im Banat erinnert.

Die Symptome der Tuberkulose sind: fortschreitende Gewichtsabnahme, Husten, Mattigkeit, Blut im Auswurf. Ein tuberkuloseinfizierter Mensch durchläuft mehrere Phasen der Krankheit. In der Novelle „Unheilbar“ (1864) beschreibt Paul Heyse die Erscheinungsformen und Stadien der Tuberkulose detailliert.

Die zwei bekanntesten Formen der Tuberkulose, die alle Organe befallen kann, sind die Lungentuberkulose und die Knochentuberkulose. Die Lungentuberkulose, auch die Motten, Schwindsucht oder Phthisis/ Phthise genannt (stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Dahinsiechen“), ist die häufig-ste Form der Tuberkulose.

Der Name „Schwindsucht“ kommt vom mittelhochdeutschen „swinden“, was so viel wie abnehmen, vergehen bedeutet. Darum heißt die Krankheit noch Auszehrung oder Zehrfieber. Ihr wissenschaftlicher Name ist „Morbus Koch“.

Die Schwindsucht wurde lange Zeit für erblich gehalten. Sie ist aber keine Erbkrankheit, geerbt werden kann höchstens eine gewisse Disposition, die die Krankheit unter Umständen leichter ausbrechen lässt. Bei der „galoppierenden Schwindsucht“ handelt es sich um eines der ansteckendsten und rasch fortschreitenden Lungenleiden.

Die Tuberkulose war schon im Altertum bekannt. Der Pharao Tutanch-amun, der im Alter von knapp 19 Jahren starb, war vermutlich ein Opfer dieser Krankheit. Die Phthise galt lange Zeit als die schicksalhafte „romantische Krankheit“ der Genies, der Künstler und Liebenden, die häufig junge Menschen traf. Die TBC und Traurigkeit gehörten für die Romantiker zusammen, aber auch TBC und das Empfindsame, das Schöpferische. Die Tuberkulose war das innere Brennen, Verbrennen. Für die jugendlichen Schwindsuchtkranken ist die Zeit der großen Liebe auch die Zeit, da sie sterben müssen.

Martina Martin schreibt in ihrem Roman „Banat“ (1990): „Marianne hat eine schwere Krankheit, sie wird bald sterben. (…) Wir wissen nicht, warum Gott beschlossen hat, sie in diesen jungen Jahren zu sich zu nehmen. Wir wissen nicht, was er ihr in ihrem Leben ersparen will“. War es Tuberkulose?

Mariannes Schicksal haben viele junge Menschen aus dem Banat geteilt. So auch Hedwig Braummüller, Apothekertochter aus Detta. Die „Dettaer Zeitung“ vom 21. März 1897 berichtet u. a.: „Die hochgeachtete Familie Emil Braummüller hat ein harter Schlag getroffen. Deren Tochter Hedwig, ein edles, gutes und mit allen Tugenden ausgestattetes Mädchen, ist nach längerem, schmerzvollem Leiden (…) im Alter von 18 Jahren gestorben.“ Ihre Grabstätte, auch als „Schwarze Braut“ bekannt, ist eine der schönsten im Friedhof von Detta.

Eine echte Volkskrankheit wurde die Tuberkulose im Zeitalter der Industrialisierung. Sie ist sozusagen ein Phänomen der Verstädterung, eine Krankheit des Proletariats, eine Folge des immer engeren Zusammenlebens von Menschen unter unzulänglichen hygienischen Bedingungen.

Heilmittel und Behandlung der Tuberkulose

Die Tuberkulose ist eine Krankheit, die eine sehr lange und komplizierte Behandlung erfordert. Eine wichtige Voraussetzung für die Genesung ist eine gute Ernährung, denn es hat sich gezeigt, dass ein kräftiger, robuster Organismus der tückischen Krankheit nicht so leicht zum Opfer fiel.

Ein Durchbruch in der Therapie gelang Koch nach der Entdeckung des Tuberkuloseerregers nicht. Das 1890 von ihm entwickelte Tuberkulin ist als Medikament unwirksam, erwies sich aber als ein bedeutsames Diagnostikum, das die Erkennung von TBC-Infektionen ermöglichte. 1895 entdeckte Wilhelm C. Röntgen in Würzburg die nach ihm benannten Röntgen-Strahlen. Das Röntgenverfahren wurde für die Diagnosestellung beziehungsweise für die Kontrolle über den Fortschritt der Behandlung der Tuberkulose von großer Bedeutung.

Die Ärzte raten Tuberkulosekranken zur Luftveränderung (Meeresluft, Höhenluft), es entstehen Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Sanatorien (das erste weltweit wurde 1855 von Hermann Brehmer in Görbersdorf/Niederschlesien errichtet). Viele TBC-Kranke suchen Heilung im sonnigen Süden oder in Gebirgssanatorien. Berühmt war das Sanatorium in Davos in der Schweiz. Die Tuberkulose-Kur machte Davos reich und inspirierte Thomas Mann zu seinem „Zauberberg“ (1924).

Wegen der großen Ansteckungsgefahr war es angebracht, die lungenkranken Patienten in entlegenen Sanatorien unterzubringen. Auch im Banat gab es Lungenheilstätten. So wurde 1912 in Werschetz am Rande des Stadtparks das Sanatorium „Sanitas“ eröffnet. In den Banater Bergen wurde 1878 zwischen Steierdorf und Orawitza der „Sommerhöhenkurort Marillathal“, das Banater Davos, von Moritz Hoffenreich gegründet. Diese alte Heilanstalt Marilla aus Kaisers Zeiten ist jedoch nicht identisch mit dem neuen Sanatorium für Lungenkranke.

Die Tuberkulose-Therapie ist aufwendig und kompliziert, deshalb kann nicht detailliert darauf eingegangen werden. Erst mit der Einführung von TBC-Impfungen und mit der Entdeckung der Antibiotika wurde der einstige Schrecken ganzer Generationen zu einer generell heilbaren Krankheit.

Albert Calmette und Camille Guérin führten 1921 die Tuberkulose-Schutzimpfung mit abgeschwächten Tuberkelbakterien ein. Über den BCG-Impfstoff (Bacille Calmette Guérin) und dessen Wirksamkeit wird heute diskutiert.

Die Behandlung der TBC erfolgt mit Antibiotika (Tuberkulostatika), wie zum Beispiel Streptomycin (Waksman, 1944) und Rifampicin. Im Kampf gegen die Tuberkulose wird die sogenannte Kombinationstherapie angewandt, das heißt, den Kranken werden gleichzeitig mehrere Tuberkulostatika verabreicht. Dadurch lassen sich bessere Behandlungsergebnisse erzielen und Resistenzbildungen vermeiden.

Trotz aller Fortschritte in der Behandlung verschwand die Tuberkulose nie gänzlich. In den Entwicklungsländern ist sie bis heute weit verbreitet. Weltweit ist etwa jeder dritte Mensch mit TBC infiziert (latente TBC), meist bricht die Krankheit jedoch nicht aus. Leider tauchen immer häufiger multiresistente Erreger auf. Die Tuberkulose ist wieder auf dem Vormarsch, vor allem unter HIV-Patienten und AIDS-Kranken.

Tuberkulose – die „weiße Pest“

Die Tuberkulose – ihre große Zeit war das 19. Jahrhundert – hat auch im Banat etwa bis zum Zweiten Weltkrieg zahlreiche Opfer gefordert. Hans Gehl schreibt in der Monografie von Glogowatz (1988, S. 343): „Die Matrikelbücher für Verstorbene erwähnen vom Jahre 1853 an die Krankheit, an der die Leute gestorben sind. Wenn diese Angaben stimmen, war um diese Zeit die häufigste Todesursache Lungenentzündung.“
Für Gertianosch hat Matthias Hoffmann die Todesfälle von 1896 bis 1929 untersucht und insgesamt 1518 in ihren Ursachen festgestellt. An zweiter Stelle rangiert die Lungentuberkulose mit 218 Todesfällen (13,5 Prozent), gefolgt von der Lungenentzündung mit 113 Sterbefällen (rund 7 Prozent).

„Mir han nor een Kind ghat, a Tochter, die is dann gstorb, war se 30 Johr alt, lungekrank“, sagte Katharina Wingeron, geb. Schwertfeuer aus Gertianosch zu Walther Konschitzky (Dem Alter die Ehr, 1982, S. 173).
In der Zeitspanne 1793-1800 waren von insgesamt 162 Todesfällen in Tschakowa 27 der TBC zuzuschreiben. Zwischen 1797 und 1810 starben in Moritzfeld 120 Personen an einem Lungenleiden (83 an TBC und 37 an Pneumonie), so Anton Peter Petri im Heimatbuch Moritzfeld (1986).

Was die Häufigkeit der Todesursachen in Sanktandres zwischen 1852 und 1910 betrifft, belegt die Auszehrung nach den Fraisen mit 492 Sterbefällen (9,5 Prozent) den zweiten Platz. An vierter Stelle folgt mit 465 Sterbefällen (8,8 Prozent) die Lungenentzündung (Matthias Weber/ Anton Peter Petri, Heimatbuch Sankt-andres, 1981, S. 384).

Rund 13 Prozent (345 Sterbefälle) von insgesamt 2592 Todesfällen zwischen 1887-1936 in Saderlach gehen auf das Konto der TBC (190) und Lungenentzündung (155), so Johannes Künzig (Saderlach, 1937, S. 84). In Ostern sind 1879 allein 18 Personen an Tuberkulose gestorben, schreibt Peter Pink in der Ortsmonografie (1935).

Die Lungenkrankheiten, vor allem die Tuberkulose, haben viel Leid und Schmerz in viele Banater Familien gebracht. So heißt es im Grabspruch der 1915 im 17. Lebensjahr in Schöndorf verstorbenen Margaretha Graf: „Ich ruhe hier als eine Kranzeljungfrau und habe der Welt nichts hinterlassen als ein schweres Herz meiner Mutter“.

Tragisch auch das Schicksal der Familie Reinert aus Kleinbetschkerek. Im Ortsfriedhof habe ich die Grabstätte der vier Reinert-Schwestern vorgefunden, die alle an Tuberkulose gestorben sind und keine älter als 20 Jahre wurde. Barbara starb 1925 mit 20, Elisabeth 1926 mit 18, Katharina, verh. Trendler, 1926 mit 20 und Susanna 1928 mit 16 Jahren. Die Inschrift auf dem Grabstein lautet: „Vier Kinder unter einem Stein – in kurzem uns genommen. / Wie groß auch unser Schmerz mag sein, / Sie sind zu Gott gekommen“.

Im Friedhof von Aradsanktmartin ruhen vier an einem Lungenleiden verstorbene Geschwister in einem gemeinsamen Grab: Adam Frisch (gest. 1914, 6 Jahre alt), Maria Frisch, verh. Rosenacker (1927, 24), Anna Frisch, verh. Karl (1928, 24) und Anton Frisch (1930, 19).

Erna Hepp (1926-1947) aus Neupetsch, Schwester des Musikers Peter Hepp (Temeswar), wurde mit nur 21 Jahren Opfer der Schwindsucht. Seite an Seite ruhen im Friedhof von Großsanktpeter die Geschwister Hof: Kaspar (1913, 17), Elisabeth, verh. Eberhardt (1922, 28) und Ignaz (1924, 26). Sie waren „lungenkrank“. Innerhalb von nur vier Jahren (1916-1919) starben vier der acht Kinder der Familie Sonntag aus Kleinomor im Alter zwischen 16 und 39 Jahren an einem Lungenleiden. Und die Beispiele könnten fortgesetzt werden.

Ruhestätte einer Erzherzogin in Neudorf

Nur wenigen ist bekannt, dass im Banat auch eine Habsburger Erzherzogin bestattet ist. In der Kirche von Neudorf bei Guttenbrunn befindet sich nämlich die Ruhestätte der 1770 zu Florenz geborenen Maria Anna von Habsburg, Tochter Kaiser Leopolds II. und Schwester des Kaisers Franz II. / I.

1791, im Alter von 21 Jahren, wurde Maria Anna Fürstäbtissin des adeligen Damenstiftes in Prag. Ihrer Krankheit wegen, wahrscheinlich ein Lungenleiden, hatte sich die Erzherzogin 1800 nach Rom begeben. Nach der Besetzung Italiens durch Napoleon ist die Kranke nach Österreich zurückgekehrt. Auf ärztlichen Rat wurde beschlossen, dass sich die leidende Erzherzogin in das Banat begeben sollte, „um dort in der milden Luft einer Krankheit, die an ihrem Leben zehrte, Grenzen zu setzen“.

In Neudorf ist die Erzherzogin Maria Anna am 1. Oktober 1809 im Alter von nur 39 Jahren gestorben. Wegen der Napoleonischen Kriege musste von einer Überführung des Leichnams nach Wien abgesehen werden, deshalb wurde sie in aller Stille in der Kirche zu Neudorf beigesetzt.