Der aus Schebel/Liebling stammende Politiker war auch Gründungsvorsitzender der Landsmannschaft der Donauschwaben in Niedersachsen. Dieser Tage ist es 50 Jahre her, dass zum ersten und bisher einzigen Mal in der Bundesrepublik Deutschland ein Banater Schwabe in ein Ministeramt berufen wurde. Am 8. Juli 1970 wurde der in Schebel (ungarisch: Széphely, rumänisch: Jebel) geborene SPD-Politiker Hans Schäfer vom Niedersächsischen Landtag als Minister der Justiz bestätigt. Darüber berichtete damals auch die „Banater Post“ auf der Titelseite der Ausgabe vom 15. September 1970 unter der Überschrift „Erstmals ein Banater Schwabe Minister in einem deutschen Bundesland. Hans Schäfer aus Liebling Justizminister in Niedersachsen“. Aber auch schon davor hatte unsere Verbandszeitung kurze Nachrichten über die politische Karriere des Braunschweiger Rechtsanwalts und Notars gebracht, so über seine erstmalige Wahl in den Landtag von Hannover 1959 und seine Wiederwahl 1963 und 1967. Ein etwas längerer Beitrag, diesmal mit biografischen Angaben, ist 1964, anlässlich der Auszeichnung von Hans Schäfer mit der Goldenen Ehrennadel der Landsmannschaft der Donauschwaben in Niedersachsen, erschienen. Schäfer war Vorsitzender dieses Landesverbandes von dessen Gründung 1952 bis 1963, als er das Amt wegen Überlastung niederlegte und in Anerkennung seiner Verdienste zum Ehrenvorsitzenden gewählte wurde. Die „Banater Post“ informierte auch über Schäfers erneute Berufung in das Amt des Niedersächsischen Justizministers 1974 und veröffentlichte 1989 einen Nachruf auf den ehemaligen Landespolitiker.
Forschungsstand und Quellenlage
Die „Banater Post“ diente auch als Quelle für die Kurzbiografie von Hans Schäfer in Anton Peter Petris „Biographischem Lexikon des Banater Deutschtums“ (1992, Spalte 1649 f., hier unter Johann Schäfer). Sich auf die in der Zeitung wiederholt anzutreffende Angabe stützend, wonach Schäfer aus Liebling stamme, gibt Petri diese Banater Gemeinde als Geburtsort an. Zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich Schäfers Lebenslauf führten zwei Publikationen des Niedersächsischen Landtags: das 1996 erschienene biografische Handbuch „Abgeordnete in Niedersachsen 1946-1994“ von Barbara Simon sowie Stephan A. Glienkes Abschlussbericht „Die NS-Vergangenheit späterer niedersächsischer Landtagsabgeordneter“ zu einem Projekt der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, erschienen 2012. Auf die in den beiden Veröffentlichungen enthaltenen Kurzbiografien, die als Geburtsort Schebel nennen, stützt sich auch der Eintrag zu Hans Schäfer in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Über seine Arbeit als Minister geben die Abschlussberichte des Niedersächsischen Landtags am Ende der siebten und achten Wahlperiode Auskunft (Drucksache 7/2785 vom 20. Juni 1974 beziehungsweise Drucksache 8/3836 vom 20. Juni 1978, online unter www.landtag-niedersachsen.de.
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, Leben und Wirken von Hans Schäfer zu beleuchten, seinen langjährigen Einsatz für die Belange seiner Banater und donauschwäbischen Landsleute zu würdigen, seine politische Karriere nachzuzeichnen sowie an die mit seinem Namen verbundenen Verwirklichungen im Justizwesen des Landes Niedersachsen zu erinnern.
Geboren wurde Hans Schäfer am 6. Dezember 1913 in Schebel. Wie dem Lieblinger Ortssippenbuch von Johann Möhler und dem Lieblinger Familienbuch von Adam Arnold (siehe auch die Mitteilung von Letzterem im „Lieblinger Rundschreiben“, Nr. 121 vom Februar 2019) zu entnehmen ist, hatte sein 1867 in Liebling geborener Großvater Konrad Schäfer 1889 nach Schebel geheiratet. Er ehelichte Anna Müller, die vermutlich aus diesem Nachbarort von Liebling stammte. Der Vater Johann Schäfer kam 1890 in Schebel zur Welt und ist im Taufbuch der Lieblinger Kirche eingetragen. Woher die Mutter Katharina Glas stammte und wann sie geboren wurde, ist nicht bekannt. Laut „Banater Post“ vom 15. September 1970 entstammte Hans Schäfer einer „Bauern- und Handwerkerfamilie“.
Studien- und Kriegsjahre in Deutschland
Die Volksschule besuchte er in Liebling. Ab 1928 war er Schüler des Staatlichen Deutschen Knabenlyzeums (Realgymnasiums) in Temeswar. Durch den frühen Tod des Vaters war er gezwungen, die Oberschule während des Schuljahres 1934/35 – er besuchte damals die siebte Klasse des Gymnasiums – vorzeitig zu verlassen. Hans Schäfer arbeitete zunächst als Volontär im Zeitungsverlag von Hans Beller (1896-1955) und wurde später Redakteur der von Beller herausgegebenen Zeitungen „Banater Tagblatt“ und „Extrapost“. Als Privatschüler legte er 1937 die Prüfungen für die siebte und achte Klasse des Gymnasiums ab und bestand noch im selben Jahr als Externer die Reifeprüfung am Deutschen Realgymnasium. 1938 nahm er das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften sowie der Philosophie in Breslau auf, das er in Berlin fortsetzte. 1939 erwarb er an der dortigen Auslandhochschule das Diplom für rumänische Sprache.
Hans Schäfer, der Ende 1938 in die NSDAP eingetreten und von Mai bis September 1940 als Sturmmann Angehöriger der Waffen-SS war, trat am 1. März 1941 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in das Reichspropagandaministerium ein und war dort in der Propaganda-Ersatz-Abteilung in Potsdam tätig. Nach dem Balkanfeldzug wechselte er im Juni 1941 zur Propaganda-Staffel 5 nach Belgrad und im Mai 1942 zur dortigen Propaganda-Abteilung Südost. Ab September 1942 war er Mitglied des Abteilungsstabes der Propaganda-Abteilung Südost. Von März 1943 bis Oktober 1944 nahm er als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil, zuletzt als Feldwebel. Während des Krieges wurde er mehrfach verwundet und für seine Verdienste mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse, dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse sowie dem Verwundetenabzeichen ausgezeichnet.
Nach Kriegsende setzte Schäfer sein Studium in Göttingen fort, das er 1946 mit dem ersten juristischen Staatsexamen abschloss. Das anschließende Referendariat absolvierte er in Bückeburg, wonach er die große juristische Staatsprüfung in Hamburg bestand. 1951 wurde Schäfer, der im Januar 1950 vom Braunschweiger Hauptausschuss für Entnazifizierung als „Entlasteter“ eingestuft worden war, als Rechtsanwalt zugelassen und war als solcher in Braunschweig tätig. 1957 erhielt er auch die Zulassung als Notar. Mehrere Jahre gehörte er dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer Braunschweig an und war Mitglied des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte in Braunschweig.
Ratsherr und Landtagsabgeordneter
Hans Schäfer betätigte sich schon früh partei- und kommunalpolitisch. Nachdem er die Bekanntschaft von Dr. Thomas Dehler – Bundesjustizminister von 1949 bis 1953 und Bundesvorsitzender der FDP von 1954 bis 1957 – gemacht hatte, trat er der FDP bei und war in der Folgezeit Kreis-, Bezirks- und stellvertretender Landesvorsitzender sowie von 1959 bis 1961 Mitglied des Bundesvorstands der FDP. Er schaltete sich auch in das politische Leben der Stadt Braunschweig ein und wurde 1956 erstmals Ratsherr. Das Vertrauen seiner Mitbürger habe er bald „als mutiger Kämpfer für demokratische Grundsätze unserer Gemeinschaftsordnung und für die Belange seiner Mitbürger selbst“ erworben, stand in der „Banater Post“ vom 15. Juli 1967. Auf der Landesliste der FDP bewarb er sich bei der Bundestagswahl 1957 erfolglos um ein Abgeordnetenmandat. Zwei Jahre später wurde er bei der Landtagswahl am 19. April 1959 über die Landesliste als Abgeordneter in den Niedersächsischen Landtag gewählt, dem er bis 1978 angehörte.
Nach der Bundestagswahl 1961, bei der die CDU/CSU ihre absolute Mehrheit verlor und die FDP ihren Stimmenanteil fast verdoppeln konnte, trat Hans Schäfer aus der FDP-Fraktion und aus der Partei aus. Der Grund: Schäfer war verärgert darüber, dass die FDP, die mit dem Slogan „Mit der CDU, aber ohne Adenauer“ in den Wahlkampf gezogen war, dennoch eine Koalition mit den Unionsparteien unter Konrad Adenauer einging, was ihr den Ruf einbrachte, „umgefallen“ zu sein. Schäfer trat daraufhin in die SPD ein und war ab dem 23. November 1961 Mitglied der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. Bei den Landtagswahlen 1963, 1967, 1970 und 1974 gewann er jeweils das Direktmandat im Wahlkreis Braunschweig II.
Im Parlament leitete er von 1963 bis 1970 den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und war gleichzeitig Vorsitzender des Wahlprüfungsausschusses. Als Vorsitzender des wichtigen Wirtschaftsausschusses widmete sich Schäfer insbesondere dem Problem der Landesentwicklung, der Strukturverbesserung und der Industrialisierung Niedersachsens.
Minister der Justiz des Landes Niedersachsen
Nach der Landtagswahl vom 14. Juni 1970, bei der die SPD einen Anteil von 46,3 Prozent erzielte und die absolute Mehrheit der Landtagssitze erhielt, bildete Alfred Kubel eine sozialdemokratische Alleinregierung, in der Hans Schäfer das Amt des Justizministers bekleidete. Mit Schäfer hatte sich der neue Ministerpräsident einen erfahrenen Juristen und langjährigen Landtagsabgeordneten ins Kabinett geholt, der in den ihm übertragenen Ämtern fachliche Kompetenz, hohe Leistungsbereitschaft und effektives, zielgerichtetes Handeln bewiesen hatte. Schäfer hat sich auch in seiner Funktion als Justizminister bewährt, sodass ihn Ministerpräsident Kubel nach der Landtagswahl vom 9. Juni 1974 erneut in dieses Amt berief. Er übte es bis 1976 aus, als die bis dahin amtierende SPD/FDP-Koalitionsregierung überraschenderweise von einer CDU-Minderheitsregierung abgelöst wurde.
Was war geschehen? Kubel hatte ein Jahr nach der Bildung der Koalition mit der FDP – die im Landtag über 78 Stimmen gegenüber 77 Stimmen der CDU-Opposition verfügte – aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt angekündigt und sein Amt am 14. Januar 1976 niedergelegt. Finanzminister Helmut Kasimier sollte Kubel ersetzen, doch bei der Abstimmung verweigerten ihm drei Abgeordnete aus dem Regierungslager, vermutlich aus der SPD, die Gefolgschaft. Kasimier erhielt 75 Stimmen, sein CDU-Gegenkandidat Ernst Albrecht kam auf 77 Stimmen, drei Stimmen waren ungültig. Da keiner der Kandidaten die erforderliche Mehrheit von 78 Stimmen erreicht hatte, wurde die Wahl des neuen Ministerpräsidenten am 15. Januar wiederholt. Auf Albrecht entfielen diesmal 78 Stimmen, während für Kasimier nur 74 Abgeordnete stimmten. Demnach hatte sich in diesem entscheidenden Wahlgang die Zahl der Abtrünnigen – vermutlich entschiedene Gegner der vorangegangenen Kreisreform – sogar auf vier erhöht. Diese verhalfen dem CDU-Politiker an die Macht. Auf der bisherigen Regierungsbank herrschte „lähmendes Entsetzen“, während auf der CDU-Seite sich die Abgeordneten in die Arme fielen und Albrecht zujubelten – so beschrieb damals Hans-Peter Sattler in der „Hannoverschen Allgemeinen“ die an Dramatik kaum zu übertreffenden Szenen im Landtag. Ernst Albrecht, der Vater der derzeitigen Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, hatte das Amt des Regierungschefs bis 1990 inne.
Hans Schäfer blieb noch bis zum 13. Februar 1976 geschäftsführend im Amt und bis zum Ende der Legislaturperiode Landtagsabgeordneter. 1978 zog er sich aus der Politik zurück.
In seiner Zeit als Minister wurden bedeutende Einrichtungen geschaffen und wichtige Justizgesetze verabschiedet. So entstand 1973 die Fakultät für Rechtswissenschaften an der Technischen Universität (heute Leibniz Universität) Hannover und zwei Jahre später wurde die Niedersächsische Justizakademie eingerichtet, eine zentrale Fortbildungsstätte für Justizangehörige aller Laufbahnen. Der Schwerpunkt der Gesetzesarbeit lag auf der Reorganisation der Gerichte, in deren Folgen kleine Amtsgerichte mit ein oder zwei Richterplanstellen aufgehoben wurden, sowie auf der Neugliederung der Gerichtsbezirke im Anschluss an die kommunale Gebietsreform. Des Weiteren wurde durch Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten der Gerichtsbarkeit die Rechtsungleichheit innerhalb des Landes beseitigt, die kostenlose Rechtsberatung für finanzschwache Bürger eingeführt, die Mitwirkung der Richter in Personalangelegenheiten erweitert und das Schiedsmannswesen vereinheitlicht. Auch der Ankauf des neuen Gebäudes für das Oberlandesgericht Braunschweig ist auf Schäfers Initiative zurückzuführen.
Hans Schäfer war nicht nur ein politisch denkender und agierender Mensch, sondern auch ein glücklicher Familienmensch. Seit 1943 war er mit Gisela Munker verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor. Hans Schäfer war aber auch zeitlebens ein heimatverbundener Mensch, einer, der sich immer zu seiner Herkunft bekannte und den Kontakt zu den nach dem Krieg im Raum Braunschweig gestrandeten Landsleuten suchte. Mit dem Schicksal, den Sorgen und Nöten der Geflüchteten und Heimatvertriebenen war er vertraut. Vor allem aber war Hans Schäfer bereit, sich in den Dienst seiner Landsleute zu stellen, Verantwortung in Vereinsstrukturen zu übernehmen und sich für die Belange seiner Schicksals- und Leidensgenossen mit aller Kraft einzusetzen. Dazu zählte er nicht nur seine Banater Landsleute, sondern auch die aus Jugoslawien und Ungarn geflüchteten oder vertriebenen Deutschen.
Landsmannschaftliches Engagement
Als am 23. November 1952 die Landsmannschaft der Donauschwaben in Niedersachsen durch den Zusammenschluss der Landsmannschaften Lebenstedt-Salzgitter-Braunschweig und Hannover gegründet wurde, übernahm Hans Schäfer im kommissarischen Vorstand das Amt des ersten Vorsitzenden und Sprechers der Banater Schwaben. In dieser Funktion wurde er sechs Monate später, am Pfingstsonntag 1953, anlässlich des ersten Landestreffens der Donauschwaben in Niedersachsen in Bad Gandersheim bestätigt. Zu seinen langjährigen Mitstreitern zählten Hans Jakob Hein und Paul Stetzenbach (stellvertretende Vorsitzende und Sprecher der Jugoslawiendeutschen), Rudolf Lebherz (Landesgeschäftsführer und Schriftwart), Sebastian Mahler (Kassier) sowie Andreas Ludwig (Organisations- und Kulturwart).
Als Landesvorsitzender der Donauschwaben Niedersachsen machte sich Hans Schäfer für die Interessen der Gruppe stark, setzte sich für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Eingliederung seiner Landsleute ein und bot ihnen kostenlose Rechtsberatung an. Dabei kam ihm einerseits seine berufliche Erfahrung zugute, andererseits verschaffte ihm sein Abgeordnetenmandat Wirkungsmöglichkeiten im politischen Bereich. Wichtige Anliegen des Landesvorstandes waren die Schaffung und Festigung der organisatorischen Strukturen auf Kreisebene, die Organisation der Landestreffen sowie die Bewahrung der Einheit innerhalb der Gruppe der Donauschwaben.
Die größte und zugleich bedeutendste Veranstaltung des Landesverbandes war das Landestreffen der Donauschwaben, zu dem der Vorstand ab 1953 jährlich einlud. Austragungsorte der Treffen, zu denen sich bis zu 2500 Teilnehmer einfanden, waren Bad Gandersheim (1953), Nienburg an der Weser (1954), Hannover (1955 bis 1958) und Salzgitter (1959 bis 1962). Zentraler Bestandteil der Treffen war jeweils die Kundgebung mit Festrede des Landesvorsitzenden Hans Schäfer und Ansprachen von Vertretern der Bundesverbände der Deutschen aus Jugoslawien und der Banater Schwaben sowie des Bundes Vertriebener Deutscher beziehungsweise des Bundes der Vertriebenen. Weitere Programmpunkte waren Volkstumsdarbietungen der Jugendgruppen, die Volkslieder, Heimatgedichte und Volkstänze umfassten, mitunter Dichterlesungen, und zum Schluss allgemeine Tanzunterhaltung. Im Rahmen dieser Treffen fanden auch die Delegiertenversammlungen des Landesverbandes statt.
Als Vorsitzender eines gemischten Landesverbandes, in dem die Deutschen aus Jugoslawien in der Überzahl waren, die Banater Schwaben nur eine kleine Gruppe stellten und die Deutschen aus Ungarn nur zeitweilig mitmachten, sprach sich Hans Schäfer für die Schaffung eines einheitlichen donauschwäbischen Bundesverbandes aus. Die „Donauschwäbische Rundschau“ zitierte ihn anlässlich des Landestreffens 1955 mit den Worten: Schäfer „forderte die Schaffung eines Bundesverbandes auf donauschwäbischer Ebene und bewies, dass ein wirksames Auftreten nur auf dieser Basis erzielt werden könne. Die landes- und heimatpolitischen Aufgaben seien, so führte er weiter aus, gemeinsam wahrzunehmen. Man müsse unser Stammestum, dessen Vorhandensein sich die Landsleute in der ganzen Bundesrepublik bewusst geworden sind, auch organisatorisch Wirklichkeit werden lassen. Die größte Gefahr unseres Bestandes liege in der Zersplitterung.“ Die kontroversen, mitunter hitzigen Diskussionen zu diesem Thema in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre blieben fruchtlos, zumal die Bundesverbände auf ihrer Eigenständigkeit beharrten und der 1958 gegründete Verband der Donauschwaben sich nicht als einheitliche Bundeslandsmannschaft etablieren konnte.
Nach elf Jahren an der Spitze des Landesverbandes stellte sich Hans Schäfer 1963 nicht mehr zur Wahl. Der Führungswechsel fand am 2. Juni 1963 anlässlich eines gemeinsamen Treffens der Donauschwaben aus dem norddeutschen Raum im Haus Rütli bei Bielefeld statt, das zum zehnjährigen Bestehen der donauschwäbischen Landsmannschaften in Hamburg/Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen von den drei Landesverbänden veranstaltet wurde. Zuständig für die Organisation waren die Vorsitzenden der Landesverbände Nordrhein-Westfalen Peter Tasch (1908-1998, geboren in Großsanktpeter) und Hamburg/Schleswig-Holstein Josef Lapp (1909-1993, geboren in Franzfeld/Südbanat). In Würdigung seiner Verdienste um die Gründung der Landsmannschaft der Donauschwaben in Niedersachsen und seines Einsatzes als Landesvorsitzender wurde Hans Schäfer zum Ehrenvorsitzenden gewählt und 1964 mit der Goldenen Ehrennadel des Landesverbandes ausgezeichnet. Der Landsmannschaft stand er auch weiterhin mit Rat und Tat zur Seite. Zu seinem Nachfolger wurde Andreas Ludwig gewählt, ebenfalls ein Banater Schwabe (1916-1986, geboren in Kleinsanktpeter).
Die „Banater Post“ schrieb damals: „Der Abgeordnete Schäfer ist zur Zeit die profilierteste politische Persönlichkeit der Banater Schwaben im norddeutschen Raum und gegenwärtig der einzige Abgeordnete aus unseren Reihen.“ Der erste Banater Schwabe, der einem Landesparlament angehörte, war übrigens Peter Maurus (1909-1968, geboren in Hatzfeld), Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg unserer Landsmannschaft und Gründer der „Banater Post“. Er zog im September 1958 als Nachrücker in den baden-württembergischen Landtag ein, dem er bis zum Ende der Legislaturperiode im Mai 1960 angehörte. Maurus, wie Schäfer Jurist, war Mitglied der CDU.
Als Hans Schäfer 1970 ins Ministeramt berufen wurde, erinnerte die „Banater Post“ daran, dass er „in unserem landsmannschaftlichen Leben kein Unbekannter“ sei, zumal er viele Jahre hindurch dem erweiterten Bundesvorstand unserer Landsmannschaft angehört habe. „In dieser Zeit nahm er regen Anteil am landsmannschaftlichen Leben, und wir wissen, dass er auch heute noch an allen unseren Fragen interessiert ist und unsere Probleme kennt.“ Mit seiner Berufung verband man die Erwartung, „dass wir mit ihm in der Landesregierung von Niedersachsen und im Bundesrat sowie in den Spitzengremien der SPD einen warmen Fürsprecher in allen unseren Belangen haben, zumal er ebenso wie wir alle im Herzen Banater Schwabe geblieben ist“.
Hans Schäfer im Kontext seiner Zeit
Da eingangs der Abschlussbericht zur Untersuchung der NS-Vergangenheit späterer niedersächsischer Landtagsabgeordneter erwähnt ist, soll zum Schluss kurz darauf eingegangen werden. Durch einen Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE angestoßen, war es 2008 im Niedersächsischen Landtag zu einer parlamentarischen Diskussion über das Verhalten von Abgeordneten der frühen Niedersächsischen Landtage in der vorangegangenen Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft gekommen, worauf die Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen mit der Untersuchung der Frage beauftragt wurde, ob und welche Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus bestanden. Die von Stephan A. Glienke vorgelegte Studie kam zu dem Ergebnis, dass in der 755 Abgeordnete umfassenden Untersuchungsgruppe in 204 Fällen eine Mitgliedschaft in der NSDAP vorlag. Dabei finden sich ehemalige NSDAP-Mitglieder über fast das gesamte politische Spektrum verteilt. Der höchste Stand mit 61 früheren Angehörigen der NSDAP (33,7 Prozent) unter allen Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages wurde in der dritten Wahlperiode (1955-1959) erreicht.
Hans Schäfer war ein Kind seiner Zeit. Wenige Monate nach der Aufnahme seines Studiums in Deutschland trat er in die NSDAP ein, ob aus Überzeugung oder Opportunismus wissen wir nicht. Der Autor der Studie betont zu Recht, dass der Nachweis einer Mitgliedschaft in der NSDAP oder dieser Partei nahestehenden Verbänden „nur ein Indiz für eine Parteiaffinität und entsprechende Nähe oder Identifikation mit dem Nationalsozialismus sein kann“ und keine Rückschlüsse auf die politische Überzeugung der Betroffenen zulässt. Ein über die Mitgliedschaft hinausreichende Engagement, beispielsweise als Funktionsträger in unterschiedlichen Organisationen von Partei, Staat und Wehrmacht, ist im Falle von Hans Schäfer nicht belegt.
Fakt ist, dass Hans Schäfer keiner von denen war, die nach dem Krieg sein Fähnlein in den neuen Wind hing, sondern einer, der aus aufrichtiger Überzeugung nach einem Weg in die Demokratie suchte und in seinen politischen Ämtern einen wichtigen Beitrag zur Etablierung und Stärkung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland leistete.