zur Druckansicht

Der Stadtpatron Wiens und Sanktandres im Banat (Teil 2)

Missionsbildchen (jeweils Vorder- und Rückseite), die von den Redemptoristen-Patres bei ihren Volksmissionen in Banater Ortschaften als Andenken an die Gläubigen verteilt wurden Quelle: Archiv der Diözese Temeswar

Der hl. Klemens Maria Hofbauer und seine Familienangehörigen im Banat − eine (fast) vergessene Geschichte.

 

Ein Bruder des Heiligen ließ sich in Sanktandres nieder

Zuletzt veröffentlichte P. Dr. Martin Macko die Studie „Karl Hofbauer, Bruder des Hl. Klemens, Kolonist im Temeswarer Banat“. Sie ist in der Ordenszeitschrift SHCSR, Jahrgang 68/2020 erschienen. Karl Hofbauer, der älteste Bruder des späteren Heiligen (geboren am 1. November 1738 in Taßwitz), kam im Rahmen der Josephinischen Kolonisation 1784 ins Banat und ließ sich in Sanktandres nieder. Dass ein Bruder des Hl. Klemens und dessen Nachkommen im Banat lebten, war seit langem bekannt, auch den beiden Autoren des 1981 erschienenen Sanktandreser Heimatbuches, Matthias Weber und Anton Peter Petri. Sie zitieren aus einer Arbeit von P. Dr. Eduard Hosp über die Abstammung des hl. Klemens Maria Hofbauer (erschienen 1956 in „Spicilegium Historicum“) und ergänzen die Informationen aufgrund der Kirchenbücher von Sankt-andres. Die nun von Martin Macko vorgelegte Untersuchung beleuchtet das Thema systematisch und aus unterschiedlichen Blickwinkeln unter Hinzuziehung von archivalischen Quellen sowie der einschlägigen Sekundärliteratur, einschließlich jener zu Sanktandres (Heimatbuch, Familienbuch von Heinrich Lay und Friedhofsbuch, herausgegeben von der Heimatortsgemeinschaft Sankt-andres).

Aufgrund neuester Erkenntnisse zum familiären Umfeld des hl. Klemens Maria Hofbauer legt der Autor zunächst dar, dass dieser nicht – wie bisher angenommen und in sämtlichen Biografien vermerkt – elf, sondern zwölf Geschwister hatte. Karl war das zweitgeborene, Johannes, der sich später Klemens Maria nannte, das zehnte Kind der Familie Hofbauer.

Über Karl Hofbauer weiß man nur wenig. In der einschlägigen Literatur beschränkten sich die Angaben über ihn meistens auf einen einzigen Satz, vermerkt Martin Macko. Karl hat – wie sein Vater und zwei seiner Brüder – das Metzgerhandwerk erlernt. Vor seiner Auswanderung ins Banat wohnte er in der belgischen Eifel, wo er „möglicherweise als Berufssoldat in den österreichischen Erblanden diente“. Hingegen seien die bei manchen Autoren anzutreffenden Behauptungen, Karl Hofbauer habe während der Türkenkriege als Soldat gedient und sich dann nach vollendeter Dienstzeit in Sanktandres beziehungsweise als „Grenzer“ in der Banater Militärgrenze niedergelassen, allesamt falsch, weist der Autor nach. Weder der Türkenkrieg von 1737-1739 noch jener von 1788-1791 kämen in Frage, zumal Karl Hofbauer am Ende des ersteren nicht einmal ein Jahr alt war und beim Ausbruch des letzten österreichischen Türkenkrieges bereits seit ein paar Jahren im Banat lebte. Zudem sei die Umgebung von Temeswar, in dessen Nähe Sanktandres liegt, nie Teil der Militärgrenze gewesen.

Feststeht, dass Karl zusammen mit seiner Frau Anna Maria, der fünfjährigen Tochter Josefa und dem ganz kleinen Sohn Johann Gregor Ende 1784 in Sanktandres angekommen ist. Der Sohn starb am 15. Februar 1786, die Tochter ehelichte am 11. Februar 1800 Josef Kollmann, der wahrscheinlich ins Haus der Familie Hofbauer einzog und auch das Fleischerhandwerk von seinem Schwiegervater übernahm. Der Ehe entstammten fünf Kinder. Karl Hofbauer starb am 24. Dezember 1814, seine Frau segnete 1820 das Zeit-liche. Ihre Tochter Josefa starb 1841, fünf Jahre nach ihrem Ehemann Josef Kollmann.

Karl Hofbauer im Bewusstsein der Nachwelt

Im Zuge des Informationsprozesses zur Seligsprechung des Klemens Hofbauer, der im Januar 1864 in Wien begonnen hat, wurde auch dessen familiärer Hintergrund untersucht. Dem Bürgermeister von Taßwitz Vinzenz Schnattinger war es gelungen, die Nachkommen von Karl Hofbauer im Banat aufzuspüren. Er stand in Briefkontakt mit dessen Enkel Johann Kollmann (geboren 1809 in Sanktandres). Bei dessen Anhörung am 7. Juli 1864 zitierte er aus dem Schreiben von Johann Kollmann: „Mein Großvater Karl Hofbauer sagte mir öfters, dass sein Bruder Clemens schon in seiner Jugend sehr gottesfürchtig gewesen und ein Einsiedlerleben geführt habe; dass, weil seine Eltern unbemittelt und nicht im Stande waren, ihn studieren zu lassen, eine hohe Frau sich seiner annahm und ihn studieren ließ, so dass er Geistlicher werden konnte. Da aber der Orden, dem er angehörte, aufgehoben wurde, kam er nach Wien und starb daselbst als Beichtvater.“ Kollmanns Zeugnis bestätige, so Martin Macko, „dass Karl einige Informationen über seinen Bruder in Wien hatte“, man müsse jedoch anzweifeln, dass Johann Kollmann diese direkt vom Großvater hatte, zumal er bei dessen Tod noch keine sechs Jahre alt gewesen sei. Die Informationen seien ihm eher von seiner Großmutter oder seiner Mutter überliefert worden.

Nach dem Tod aller Enkel von Karl Hofbauer seien die Erinnerungen an ihn und an seinen seligen Bruder in Sanktandres verblasst, ja sogar miteinander verschmolzen. Als Beleg dafür erwähnt der Autor eine Anmerkung des Sanktandreser Pfarrers Johann Oszetzky, der in seiner 1894 handschriftlich verfassten und im Temeswarer Diözesanarchiv aufbewahrten kurzen Geschichte der Pfarrei angibt, er sei von dem Temeswarer Theologieprofessor Paul Magyari darauf aufmerksam gemacht worden, „dass der alten Tradition nach (…) in dem Ort [Sanktandres] ein kirchlicher Heiliger namens Hofbauer geboren sei“. In der Gemeinde wisse aber niemand davon. Erst vor der Heiligsprechung von Klemens Hofbauer sei seine familiäre Verknüpfung mit der Gemeinde Sankt-andres wieder ins Bewusstsein gerückt, stellt Martin Macko fest. Damals habe man eine Haussammlung für die Restaurierung der Kirche Maria am Gestade in Wien – im Volksmund auch Maria Stiegen genannt – durchgeführt.

Der Autor geht auch auf die von zwei Patres aus dem Wiener Provinzhaus im Januar 1927 in Sanktandres abgehaltenen Missionen ein und stellt sich die Frage, ob die Patres und der Ortspfarrer Anton Hügel sich der Tatsache bewusst waren, dass in dieser Gemeinde der Bruder des hl. Klemens gelebt hat und gestorben ist. Ein Hinweis darauf finde sich weder in der Beschreibung der Mission in der Pfarrchronik noch in der Chronik des Wiener Provinzhauses, so dass es fraglich bleibe, ob die Missionare und der Seelsorger der Gemeinde Kenntnis von Karl Hofbauer und seinen Nachkommen in Sanktandres hatten. Damals wurde ein Missionskreuz aufgestellt und benediziert, das sich bis heute in der Kirche befindet.

Dass das Wissen über die familiären Beziehungen des hl. Klemens nach Sanktandres zumindest vereinzelt vorhanden war, belegten sowohl die 1981 erschienene Ortsmonografie von Sanktandres als auch ein Brief des damaligen Jahrmarkter Pfarrers Monsignore Dr. Franz Kräuter an den Archivar der Wiener Provinz der Redemptoristen Alfred Schedl vom 26. April 1985, aus dem Pater Martin Macko zitiert: „Übrigens der Bruder des hl. Clemens Karl Hofbauer hat sich in der Gemeinde Sanktandres – in der Nähe von Temeswar – niedergelassen und es leben heute noch Nachkommen des Genannten dort.“

Pater Mackos Studie schließt mit folgendem Fazit: „Wie man sehen kann, blieb, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, die Erinnerung an Karl Hofbauer, den leiblichen Bruder des großen südmährischen Heiligen, während zwei Jahrhunderten lebendig.“

Weil uns das oben erwähnte Schreiben von Dr. Franz Kräuter, Bruder des damaligen Ordinarius und späteren Bischofs der Diözese Temeswar Sebastian Kräuter, in Kopie vorliegt, soll zum Schluss darauf Bezug genommen werden, zumal es Informationen über die Tätigkeit der Redemptoristen aus der Wiener Provinz enthält. Kräuter weiß zu berichten, dass er selbst als Kind eine Volksmission der Redemptoristen-Patres Bruno Marx und Alois Schwarz in seinem Heimatort Nitzkydorf erlebt und diesen zusammen mit seinem Bruder ministriert und dass er im Sommer 1939 dem damaligen Bischof Augustin Pacha am Clemens-Maria-Hofbauer-Altar in der Kirche Maria Stiegen als Ministrant gedient habe. (Franz Kräuter besuchte von 1939 bis 1941 als Zögling des erzbischöflichen Alumnats die Wiener Universität.)

Überdies erwähnt er in seinem Schreiben, dass die Redemptoristen auch in Jahrmarkt 1925 Missionen gehalten haben und zitiert in diesem Zusammenhang einen Eintrag in der Pfarrchronik, vorgenommen vom Ortspfarrer Nikolaus Anton nach einer Mission der Jesuiten im Jahr 1937: „Meiner bescheidenen Meinung nach sind diese reichsdeutschen Missionare für unser Banater Volk nicht geeignet.“ Sie meinten, die Banater Schwaben ebenso pastorieren zu können wie die Reichsdeutschen und berücksichtigten dabei nicht „den Unterschied in Kultur“ wie auch die Tatsache, dass die Gläubigen „Agrarleute“ sind und keine Fabriksarbeiter und Gewerbetreibende. Zudem sei ihre Aussprache den hiesigen Gläubigen fremd. „Alles in allem würde ich meinerseits für unser Volk die Redemptoristen, wie ich sie im Jahre 1925 gehabt habe, den reichsdeutschen Jesuiten vorziehen“, vermerkt Pfarrer Anton. Dazu Pfarrer Kräuter: „Will nicht die Jesuiten kritisieren, sondern nur das Lob der Redemptoristen hervorheben.“