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Der Gott des Lebens schenkt uns die Vollendung

Das sogenannte Dürer-Bild von Sanktmartin stellt die Kreuzigung Jesu dar. Es wurde 1842 von der Ehefrau des damaligen Grundherrn, Anna Gräfin von Wenckheim, der Kirche zum Heiligen Martin gestiftet. Sowohl die Stifterin als auch der damalige Ortspfarrer waren der Überzeugung, dass es sich um ein Werk des bekannten Malers Albrecht Dürer handele. Das Bild hielt jedoch einer gründlichen Prüfung nicht stand: Es stammt weder von Dürer, noch kommt es aus dessen Schule. Das für die Gegend doch seltene Werk befindet sich heute im Diözesanmuseum in Temeswar.

Ostern ist nicht ein Fest neben den anderen christlichen Festen, die wir im Laufe des Jahres begehen. Ostern – das ist das Urfest der Christen schlechthin. Selbst die Sonntage des Jahres sind in ihrem eigentlichen christlichen Sinn nur die wöchentlich wiederholte Feier des Osterfestes. Ohne Ostern gäbe es keinen christlichen Sonntag. Ja, unser ganzer christlicher Glaube steht und fällt mit der Osterbotschaft. Der Apostel Paulus hat dies im ersten Korintherbrief ganz drastisch formuliert: „Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.“ (1 Kor 15,17-19).

Ohne das Ereignis von Ostern gäbe es keine Kirchen. Es gäbe nicht das Evangelium, nicht das Neue Testament. Es gäbe Jesu Grab, sicher, aber vergessen wie so viele Gräber. Wahrscheinlich würde kaum einer von uns Jesu Namen jemals gehört haben. Es steht und fällt wirklich alles mit der Wahrheit von der Auferstehung Christi.

Mit dem Apostel Paulus bekennen wir Christen: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“ (1Kor 15,20). Gott hat eingegriffen, er hat Jesus der Macht des Todes entrissen. Die Zeugen, denen Jesus nach seiner Auferstehung erschienen ist, sagen es eindeutig: „Wir haben den Herrn gesehen!“

Jesu Auferstehung ist nicht einfach eine Rückkehr in dieses Leben; sein ewiges Leben ist nicht einfach Fortsetzung des irdischen Lebens. Jesus ist eingegangen in die Herrlichkeit Gottes. Sein Leben ist also anderer Art. Es ist nicht mehr den physikalischen, chemischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten unserer Welt unterworfen. Er lebt in einer anderen Welt, die nicht mehr an Raum und Zeit gebunden ist. Hier versagt uns einfach die Sprache. Wir haben keine geeigneten Worte, um dieses andere Leben, das Gott für uns bereithält, zu beschrieben. Paulus verwendet dazu den Begriff „überirdischer Leib“. Was das eigentlich bedeutet, übersteigt unsere Vorstellungskraft.

Ostern ist mehr als ein nettes Frühlingsfest, das wir im Jahreskreislauf  feiern. Ostern ist mehr als eine gute Gelegenheit zum Wandern, mehr als ein Suchen von Ostereiern oder das Warten auf den Osterhasen. Das sei uns allen gegönnt. Ostern bedeutet uns Christen etwas viel Wichtigeres, das Wichtigste für unser Leben. Ostern sagt uns: Christus ist auferstanden und er hat damit den Tod überwunden. Wer an ihn glaubt und mit ihm lebt, der wird ebenfalls den Tod überwinden und Leben für immer von Gott erhalten.

Aber kann man das heute noch glauben? Können wir – zumal als
moderne Menschen – den biblischen Zeugnissen von der Auferstehung Christi Glauben schenken? Man ist geneigt, diese Frage mit Nein zu beantworten. Natürlich kann es keinen Widerspruch geben zu dem, was klare wissenschaftliche Gegebenheit ist. In den Auferstehungsberichten wird freilich von etwas gesprochen, was in unserer Erfahrungswelt nicht vorkommt. Es wird von etwas Neuem gesprochen, von einer neuen Dimension der Wirklichkeit. Das Bestehende wird nicht bestritten, es wird uns vielmehr gesagt: Es gibt eine Dimension mehr, als wir sie bisher kennen. So schwierig es uns scheint, dies zu glauben, sollten folgende Überlegungen uns dennoch nachdenklich machen: Kann es wirklich nur das geben, was es immer gab? Kann es nicht auch das
Unerwartete, das Unvorstellbare, das Neue geben? Wenn es Gott gibt, kann er dann nicht auch eine neue Dimension des Menschseins, der Wirklichkeit überhaupt schaffen?

Im Glauben an die Auferstehung des Herrn bejahen wir diese Frage. Die Wirklichkeit ist größer als das, was wir uns vorstellen können. Das Leben ist mehr als die Summe unserer Möglichkeiten. Für gläubige Menschen zählen nicht nur die eigenen Kräfte, sie rechnen auch mit den Möglichkeiten Gottes.

In einem Zeitungsartikel der Wochenzeitung „Die Zeit“ heißt es: „Wir brauchen den Glauben an das Unglaubliche, damit Veränderung noch möglich ist“. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Wende von 1989: Wenn die Ostdeutschen nicht den sogenannten Realitäten getrotzt hätten, wäre die Wende nie möglich gewesen. „Wer sich nur an dem ausrichtet, was ist, kann Unfreiheit und Knechtschaft nicht überwinden oder die Enge der Wirklichkeit nicht überschreiten.“  Wir brauchen den Glauben an das Unglaubliche, damit Veränderung noch möglich ist. Wir Christen sind aber nicht nur Menschen, die daran glauben, dass es schon irgendwie gut gehen wird, nach dem Motto: „Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“. Unsere Hoffnung hat einen Namen: Jesus Christus, der Auferstandene. Weil wir an ihn glauben, rechnen wir nicht nur mit dem Menschenmöglichen, sondern nehmen auch die Möglichkeiten Gottes in den Blick. Mit solcher Kraft ausgestattet, können wir das Leben annehmen – trotz aller Brüche, trotz allem Scheitern, trotz aller unerfüllten Hoffnungen – und das Beste daraus machen.

In Italien, in der Gegend von Piemont, gibt es einen alten Brauch: Wenn am Morgen des Ostersonntags die Glocken zum ersten Mal läuten, laufen Kinder und Erwachsene an den Dorfbrunnen und waschen sich die Augen mit dem kühlen, klaren Brunnenwasser. Manche wissen wahrscheinlich gar nicht, warum sie zum Brunnen laufen, sie rennen einfach mit den anderen mit. Aber die ganze Handlung war ursprünglich eine Art Gebet, in dem die Menschen um neue Augen, um „Oster-Augen“ baten. Sie wollten besser „sehen“, besser „einsehen“ können, was durch die Auferstehung anders geworden ist in ihrem Leben, im Leben aller Menschen. Sie wollten besser den Jesus „sehen“ können, der nicht mehr tot ist, sondern lebt – mitten unter uns.

Wir alle brauchen wache, offene Augen, „Oster-Augen“ eben, damit wir erkennen, was uns die Osterbotschaft verkündet: dass wir für das Leben geschaffen sind und nicht für den Tod, dass wir zur Liebe bestimmt sind und nicht vom Egoismus beherrscht werden dürfen, dass wir für den Himmel geschaffen sind und nicht nur für diese Erde. Wir sind nicht wie Eintagsfliegen, die zu Milliarden auf einem kleinen Planeten umherwimmeln, um dann vom Tod weggewischt zu werden. Wir sind Kinder eines gütigen Gottes, der den gesamten Kosmos in seinen Händen hält und den wir Vater nennen dürfen.
Das Schönste und das Wertvollste am christlichen Glauben ist wohl, dass er mich nicht in Resignation und Mutlosigkeit versinken lässt, dass er mir vielmehr die Kraft gibt, wieder aufzustehen, aus einer immer wieder erneuerten Hoffnung zu leben und zu arbeiten.

Ein alter Mönch erzählt folgendes: „Als ich jung war, bat ich Gott, er möge mir die Kraft geben, die Welt zu verändern. Später, als ich älter wurde und merkte, dass es mit der Veränderung schwierig sei, bat ich Gott, er möge mir helfen, wenigstens diejenigen zum Positiven zu verändern, mit denen ich zu tun hatte: meine Mitbrüder, meine Bekannten, meine Familie. Jetzt, da ich alt bin, verstehe ich, dass meine Gebete nicht richtig waren. Mein einziges Gebet heißt nun: Herr, schenke mir die Gnade, mich selbst zu verändern. Wenn ich mich selbst verändere, verändert sich die Welt.“

Wenn wir auf die Möglichkeiten Gottes vertrauen und das tun, was in unseren Kräften liegt, dann können wir mit Gelassenheit und Zuversicht in die Zukunft blicken und eines Tages unser Leben getrost aus der Hand geben, denn der Gott des Lebens und der Schöpfer aller Dinge wird uns die Vollendung schenken, nach der wir uns so sehr sehnen.

Mit diesen Gedanken wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes Osterfest und die Freude des auferstandenen Herrn.