Die Quintessenz von Ostern ist in den Worten zusammengefasst: „Der Herr ist auferstanden, ja er ist wahrhaft auferstanden!“
Fünfzig Tage lang feiert die Kirche die Frohe Botschaft der Osternacht: Christus, der Gekreuzigte, hat in Tod und Auferstehung den größten Feind des Menschen, den Tod, besiegt! Er, der Sohn Gottes, ist vom Tode erstanden, um uns das neue, ewige Leben zu schenken. Aus Freude darüber entfaltet die Kirche dieses Geheimnis unserer Erlösung in der Liturgie der Osterzeit, indem sie immer wieder auf die verschiedenen Auferstehungsberichte der Evangelien Bezug nimmt – so am Ostersonntag auf die Erscheinung des Herrn gegenüber Maria Magdalena.
Am leeren Grab verwechselt Maria Magdalena den Auferstandenen zunächst mit dem Gärtner. Die Kirchenväter erinnern uns daran, dass das erste Bild, das uns die Heilige Schrift von Gott präsentiert, das des Gärtners ist. Gott pflanzt den Garten Eden als Zuhause für den Menschen an. Wenn das Grab Jesu, aus dem er vom Tod zum Leben ersteht, vom Evangelium in einem Garten angesiedelt wird, dann steht dieser Garten gleichsam für das neue Paradies, die neue Schöpfung, in der Gott das Wunder des Lebens wirkt. Gott zeigt mit der Auferstehung seines Sohnes, dass er ein Herz für den Menschen hat und ihm in dem von ihm angelegten Garten für immer eine Zuflucht schenken möchte. Wie schön ist es, in diesen Tagen der Osterzeit die Konsequenzen dieses österlichen Bildes in unserem Leben zu sehen! Wir Christen legen nicht ohne Grund unsere Friedhöfe als Garten an, der uns an dieses Mysterium des Osterglaubens erinnert: Gott hat die neue Schöpfung wie am Beginn der Welt in einem Garten begonnen; die Auferstehung Jesu Christi ist der Beginn unserer Rückkehr zum Paradies. Nicht der Tod hat das letzte Wort über den Menschen, sondern Gott, der das Leben des Menschen will. So rufen uns die Gärten unserer Friedhöfe stets die Botschaft zu, dass Gott das österliche Werk am Menschen, das er bereits in der Taufe begonnen hat, auch vollenden wird.
Einen solchen Garten Eden zeigt auch das Heilige Grab von Geldersheim, zu dem ich ein Bild beifüge. In der Zeit von 2008 bis 2012 war ich in Geldersheim als Pfarrer tätig. Mit sehr großem Interesse habe ich das Heilige Grab von Geldersheim mit entdeckt und war daran interessiert, dass dieser Schatz 2010 wieder ans Licht geholt und in der Kirche aufgestellt wird. Es ist das imposanteste Heilige Grab, welches ich je gesehen habe. Die Geschichte hierzu möchte ich an Sie weitergeben:
Wie der Name jener Frau lautete, die als Magd in Geldersheim (Diözese Würzburg, Dekanat Schweinfurt-Nord) tätig war und gegen Ende ihres Lebens ihr gesamtes Erspartes für den Bau eines rund neun Meter hohen „Heiligen Grabes“ gestiftet hat, ist leider nicht überliefert. Bekannt ist in etwa nur das Jahr: um 1900. Angeblich gab es damals nur eine Schreinerei, und zwar im oberbayerischen Pfaffenhofen, die im Auftrag Heilige Gräber gefertigt hat.
Rund ein halbes Dutzend solcher Arbeiten, die sich nur in Details und in der Größe unterscheiden, soll es noch aus dieser Zeit geben. Ihre Gemeinsamkeit: Die mehrstufigen Aufbauten sind allesamt aus bemalten Holzplatten und gliedern sich in drei Zonen: in die untere mit dem Grab Jesu; die mittlere mit dem Auferstanden und der ihn umgebenden Schar von Engeln; schließlich die obere Himmelszone, die dem Kreuz – in diesem Fall ein beleuchtbares Kreuz aus Glas – vorbehalten bleibt.
Das Zentrum des Heiligen Grabes ist die im Grab liegende Nachbildung des Leichnams Jesu und das in der Monstranz ausgesetzte Allerheiligste. In der dazugehörigen Auferstehungsfeier verschwand mittels ausgefeilter Mechanik die Monstranz zeitgleich mit dem Grabchristus. Und an Stelle der Monstranz erschien die Figur des Auferstandenen. Beim Geldersheimer Heiligen Grab sind die Figuren eingebettet in eine üppige Pflanzenlandschaft, so wie sich der Künstler die Flora des Heiligen Landes vorgestellt hat.
Fest steht, dass es wohl alle fünf Jahre – jeweils in der Karwoche bis Ostern – in der St. Nikolauskirche vor dem Hochaltar aufgebaut wurde. Und das bis in die 1950er Jahre hinein. Am Karfreitag stand es dann im Mittelpunkt der Liturgie, und in der Osternacht wurde die Auferstehung Jesu für alle Gottesdienstbesucher gut sichtbar theatralisch in Szene gesetzt: Der Leichnam Christi wurde dafür ins Grab gefahren, während im Gegenzug der Auferstandene langsam emporstieg. Ein bengalisches Feuer tauchte dazu den Chorraum der Kirche in ein rotes Licht. Am Ostersonntag schließlich wurde mit einem farblich passenden Altar die Grablege Jesu abgedeckt.
Lange Jahre war das Geldersheimer Heilige Grab in Vergessenheit geraten. Auseinandergebaut ruhte es in einer der Gaden im Außenbezirk der ehemaligen Kirchenburg. Als es nach etwa vierzig Jahren 1996 erstmals wieder probeweise in der Turnhalle aufgestellt wurde, stellte sich heraus, dass es hervorragend erhalten ist. Um es der Allgemeinheit zugänglich zu machen, wurde die alte Tradition wiederbelebt und das Grab erstmals 1998 und dann wieder 2010 in den Wochen vor Ostern in der Kirche aufgebaut. 2010 wurde beschlossen, das Grab zukünftig, gemäß der alten Tradition, wieder alle fünf Jahre in der Fastenzeit bis zum Ende der Osterwoche in der Kirche aufzustellen. 2020 wird das Grab wieder zu sehen sein.
Eine besinnliche und gesegnete Osterzeit wünscht Ihnen allen,
Ihr Otto Barth, Pfarrer