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Jesus hat uns seine Mutter als unsere hinterlassen

Erinnerungsfoto vor der Altöttinger Sankt-Anna-Basilika: Geistlichkeit, Ehrengäste, Trachtenträger, Fahnenabordnungen, Marienmädchen, Blaskapelle der HOG Sanktanna, Jugendblaskapelle „Lambert Steiner“ aus Sanktanna, Donauschwäbische Singgruppe Landshut. Fotos: Maria Nyffenegger

Der emertierte Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, der emeritierte Bischof von Fünfkirchen, Mihály Mayer, und weitere Geistliche zelebrierten das Wallfahrtshochamt in der Sankt-Anna-Basilika.

Das Jugendblasorchester „Lambert Steiner“ aus Sanktanna begleitete die Gottesdienste der Wallfahrt mit geistlichen Melodien und beeindruckte durch den voluminösen und getragenen Klang seiner Darbietungen.

Zur 58. Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben nach Altötting hat das St. Gerhards-Werk Stuttgart eingeladen. Unter dem Motto „Maria, unsere Mutter, mit Christus im Zentrum“ versammelten sich am 8. und 9. Juli zu vier Gottesdiensten zahlreiche Donauschwaben aus Deutschland, Österreich, Südosteuropa und Übersee.

Eröffnungsgottesdienst in der Stiftskirche

In der Stiftskirche zelebrierten am Samstagnachmittag Stiftskanonikus Johann Palfi, Monsignore Andreas Straub EGR, emeritierter Visitator der Donauschwaben, und Pfarrer Paul Kollar den Eröffnungsgottesdienst. Palfi erinnerte daran, dass die Wallfahrt in der Gelöbnistradition von Pater Wendelin Gruber stehe, der sie als Dank für die Errettung aus Titos Todeslagern an diesem traditionsreichen Marien-Wallfahrtsort im Herzen Bayerns begründet hatte. Das Wallfahrtsmotto erläuterte Palfi als Klammer, die das ganze Johannes-Evangelium zusammenhält. Er lobte den Vorteil, multiethnisch aufgewachsen zu sein, begrüßte die Besucher aus der alten Heimat in ungarischer und rumänischer Sprache und erhielt dafür spontan allgemeinen Applaus. Das Vaterunser wurde daraufhin in deutscher, rumänischer und ungarischer Sprache gebetet.

Straub stellte kurz das „Martyrologium“ vor, ein umfassendes Gedenkbuch an die Verfolgung der Donauschwaben in allen drei Heimatländern, das zur Jahreswende im Auftrag des St. Gerhards-Werks erschienen war. Ganz im Sinne dieses Werks bekräftigte er, dass es sehr wohl um ein Zeichen gegen das Vergessen gehe, aber nicht um Aufrechnung, sondern um Versöhnung auf dem Boden der Wahrheit.

Oberstudienrat Richard Guth widmete sich in seinem Vortrag der Vertreibung der Deutschen aus Ungarn und der gegenwärtig dort gepflegten Erinnerungskultur. Der aus Ungarn stammende, 1996 nach Deutschland übersiedelte Referent argumentierte, es hätte nicht des Potsdamer Abkommens bedurft, um ein ideologisch-politisches Umfeld zu schaffen, das die Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen begünstigte. Vielmehr reichten die politisch-geistigen Wurzeln dafür bis in die zwanziger und dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück – ganz ähnlich wie in der Tschechoslowakei. Ideologische Wegbereiter damals waren vornehmlich „völkische“ Schriftsteller wie Gyula Illyés und László Nagy. Mit dem Vorwurf der schwäbischen Landnahme hatten sie auf die ungelöste Frage der gerechten Bodenverteilung aufmerksam gemacht, diese aber von einer reformunwilligen Elite auf einen Sündenbock abgewälzt. Guth ließ auch den bis heute missbrauchten Einwand nicht gelten, der ungarische Staat sei unter deutscher Besatzung bei der Judenverfolgung und 1945/46 unter sowjetischer Besatzung bei der Vertreibung der Deutschen nicht handlungsfähig gewesen. In beiden Fällen hätte sich Ungarn anders verhalten können, wie das Beispiel des anderen Hitler-Verbündeten Rumänien zeige. Die neue ungarische Erinnerungskultur befördere weiterhin die unselige Potsdam-Legende und spalte die Opfergruppen in konträre Lager. Notwendig wäre hingegen, „das Geschehene objektiv und fern jeglicher Ideologie oder Scheinideologie aufzuarbeiten“ und das Gedenken im Geist von universellen Werten wie Verständigung, Toleranz und Versöhnung zu gestalten, schlussfolgerte Guth.

Jugendblasorcherster aus Sanktanna

Wie schon zuvor in der Messe gab das Jugendblasorchester aus Sankt-anna im Banat, das den Namen des einst international bekannten Kapellmeisters trägt, jetzt vor dem Portal der Stiftskirche einige Stücke zum Besten. Dieses Orchester war drei Jahre zuvor mit Hilfe des Vorsitzenden Johann Kerner vom Verein „Valores. Hilfe-Jugend-Kultur“ aus Neumarkt in der Oberpfalz sowie der HOG Sanktanna mit dem Kulturbeauftragten Anton Bleiziffer gegründet worden. Viele Instrumente, Partituren und Notenständer kamen als Spende aus Deutschland. Die 40 jugendlichen Musiker im Alter von 7 bis 17 Jahren unter Leitung von Dan Miculiţ begleiteten zusammen mit den Marienmädchen aus Sanktanna alle Gottesdienste der Wallfahrt mit geistlichen Melodien und beeindruckten durch den voluminösen und getragenen Klang ihres Ensembles. Finanziell ermöglicht wurden ihre mit viel Applaus bedachten Auftritte fern der Heimat durch den Verband der Diözesen Deutschlands in Bonn.

Vorabendgottesdienst in der St.-Anna-Basilika

Den Gottesdienst um 20 Uhr in der Basilika St. Anna zelebrierten fünf Geistliche, darunter der emeritierte Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch und der emeritierte Bischof von Fünfkirchen/Pécs, Mihály Mayer. In seiner Predigt wies Pfarrer Kollar darauf hin, dass wir Maria nicht anbeten, sondern verehren, bereit, uns von ihr in den Dienst nehmen zu lassen. Obwohl Maria in den Geschichtsbüchern nicht erwähnt werde, habe sie doch deutlichere Spuren als die Großen der Weltgeschichte hinterlassen. Wenn auch begnadet, sei sie doch nur ein Mensch gewesen, habe viele Missverständnisse und Spannungen aushalten müssen, besonders als ihr Sohn Jesus erwachsen wurde. Die Verbindung zu Maria im Herzen und der Seele zu bewahren, gehe einher mit unserer Identitätsfindung und Heimatsehnsucht, auch bei der Gelöbniswallfahrt in Altötting.

Nach dem Gottesdienst, in der Abenddämmerung, bewegten sich die Pilger mit Kerzenlichtern in einer Prozession zur Kapelle, umrundeten sie zwei Mal und sangen Lieder wie „Segne all mein Tun“ und „Großer Gott, wir loben dich“.

Alterzbischof Zollitsch zelebriert Pontifikalamt

Am Sonntagmorgen bildeten Trachtenträger und Fahnenabordnungen, die Träger des Kreuzes und der Marienstatue, Marienmädchen, Geistlichkeit und Prominenz die Spitze der Prozession, die sich unter den Klängen der Blaskapelle der HOG Sanktanna über den Kapellplatz zur Basilika bewegte.

Josef Lutz begrüßte als stellvertretender Vorsitzender des St. Gerhards-Werks in der bis zum letzten Platz besetzten Basilika die zahlreichen Pilger und nannte viele namentlich – neben den hier ohnehin erwähnten als Hausherrn Wallfahrtsrektor, Stadtpfarrer und Stiftsprobst Prälat Günther Mandl, den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben und Stadtrat in Waldkraiburg, Georg Ledig, den stellvertretenden Vorsitzenden der Banater Schwaben in Bayern, Bernhard Fackelmann, sowie die Delegation der Deutschen aus dem Banat mit Erwin Josef Ţigla.

Ministerialdirigent Herbert Hell-stern vom Innenministerium Baden-Württemberg gedachte in seinem „Wort des Laien“ des 1946 von den Insassen der Vernichtungslager Gakowa und Rudolfsgnad mit dem Jesuitenpater Wendelin Gruber abgelegten Gelöbnisses. Damit sei es ihnen gelungen, „aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung herauszubrechen“. Hellstern nannte die Namen der Orte des Martyriums der Donauschwaben und die dort entstandenen Gedenkstätten. Heute sei Altötting für die Donauschwaben nicht nur aus Jugoslawien, sondern auch aus Rumänien und Ungarn die Wallfahrtsstätte zum Dank für das Wunder der Errettung aus den „Fängen des roten Drachen“. Das Geheimnis der Erlösung bestehe in der Erinnerung, so eine alte jüdische Weisheit. Hellstern zitierte und befolgte sie, indem er das Leid der Donauschwaben bei Flucht und Vertreibung, in der Zwangsarbeit, in den berüchtigten Hunger- und Vernichtungslagern heraufbeschwor, ohne die Hilfeleistung aus anderen Völkern zu übergehen. Umgekehrt nahm er die versammelte Gemeinde auch mit, nicht nur im Sinne donauschwäbischer Marien-Frömmigkeit für alle Erretteten Dank zu sagen, sondern auch für die in allen ehemaligen Heimatstaaten zur Versöhnung ausgestreckten Hände und nicht zuletzt für diejenigen, die heute noch in der alten Heimat leben, die donauschwäbische Kultur und die christliche Tradition pflegen und weitergeben.

In seiner Predigt erinnerte Alterzbischof Zollitsch, der selbst als Kind im Lager Gakowa interniert war, an die kürzlich erfolgte Einweihung der Gedenkstätte im Todeslager Jarek, wo mehr als 7000 Donauschwaben ihr Leben verloren. Er unterstrich, dass die Donauschwaben in Titos Todeslagern sich von Maria angesprochen, begleitet und beschützt wussten. Ihr deutsches Gnadenbild hatten bereits die auswandernden Vorfahren mitgebracht und in Doroslo einen Marienwallfahrtsort gebaut. Jesus habe uns seine Mutter als unsere Mutter hinterlassen, bekräftigte der Erzbischof. Sie begleite uns auf dem Pilgerweg unseres Lebens mit sorgender Zuwendung, Erbarmen und Barmherzigkeit, sie sei unsere Fürsprecherin bei Gott und Helferin in jeder Not. Dies sei die Erfahrung zahlloser Pilger, die seit mehr als 500 Jahren hierher zur Gottesmutter nach Altötting aufbrechen. Die Fülle der Votivtafeln und Weihgeschenke im Umgang der Gnadenkapelle belege dies handgreiflich. Ziel und Lebensaufgabe Mariens sei es von Anfang an gewesen, uns durch ihre Verbundenheit mit ihrem Sohn zu Jesus zu führen. Daher sei Maria nicht nur Christusträgerin, sondern auch Christusbringerin. Sie geleite uns zu unserem Erlöser, der Mitte unseres Glaubens. Aus weltweiter Zerstreuung dürfen sich die Donauschwaben bei ihr treffen und zusammen sein, sich bei ihr eingeladen und geborgen fühlen.

Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von der Donauschwäbischen Singgruppe aus Landshut unter der Leitung von Reinhard Scherer sowie der Blaskapelle der HOG Sanktanna unter Leitung von Josef Wunderlich, auch das Jugendblasorchester aus Rumänien stimmte am Schluss mit ein. Die Orgel spielte Beatrix Erndt, die Geige Alexandra Scherer, die sich auch als Solo-Sopran hören ließ.

Wallfahrt mit internationaler Beteiligung

Nach dem Mittagessen begann um 14 das Singen von Marienliedern in der Basilika, das um 14.30 von einer Marienandacht mit Monsignore Straub abgelöst wurde. Konzelebranten waren Pfarrer Palfi und Bischof Mayer. Straub stellte Maria als Urbild der Kirche in die Mitte seiner lockeren Ausführungen und zog das Fazit: Stärker als alle vom Menschen kommende Angst sei das in Gott gesetzte Vertrauen. Er beendete die 58. donauschwäbische Gelöbniswallfahrt  mit dem sakramentalen Segen und der Weihe der von den Pilgern erworbenen Andachtsgegenstände.

Die Veranstaltung insgesamt war ein voller Erfolg, besonders durch die internationale Beteiligung und lebendige Verständigung. Die souveräne Organisation durch Josef Lutz aus Nürnberg ermöglichte einen reibungslosen Ablauf. Über tausend Pilger kamen aus allen Richtungen, neben Delegationen aus Rumänien, Serbien und Ungarn sowie Besuchern aus den USA, Kanada, Brasilien und Argentinien kamen Busse aus Wien, Stuttgart, Heilbronn, Reutlingen, Würzburg, Rosenheim, Augsburg, Ingolstadt, Landshut, Nürnberg, München, Regensburg, Waldkraiburg und Neumarkt in der Oberpfalz. Die abnehmende Erlebnisgeneration wird in würdiger Weise durch eine Jugend aufgefüllt, die sich zu Wendelin Grubers Gelöbnis und ihrem donauschwäbischen Erbe bekennt und weiterhin als Botschafter der Versöhnung wirken möchte.