Das Ärzte-Ehepaar Walter und Magdalena Wolf hat mit akribischer Sorgfalt und in bewundernswerter Kleinarbeit ein historisches und ethnographisch-kulturelles Werk gestaltet, das weitaus mehr ist als eine beschreibende Inventur eines Bestattungsareals. Das Buch der beiden Wahl-Nürnberger ist zugleich eine illustrierte Geschichte des Heidedorfes Triebswetter, das durch seine Menschen mit den deutschen Kardinaltugenden und mit dem ererbten französischen Sinn für Kreativität und Lebensqualität etliche Marksteine in der banatschwäbischen Heide gesetzt hat – so wie etwa im Gemüse- und Weinbau über das Austüfteln von Bewässerungsanlagen bis hin zur sportlich-fußballerischen Glanzleistung mit der Krönung in der zweiten Liga. Und gerade an diese Menschen wird in dem Buch erinnert – in Wort und Bild.
Es wurde auch Zeit für diese Erinnnerung, denn 2017 sind es genau 245 Jahre seit der Ansiedlung Triebswetters unter „Kaiserin“ Maria Theresia. Und 2017 sind es auch schon knapp drei Jahrzehnte, seitdem das Dorf nach der Diktatur im Sog der Freiheit fast gänzlich seine schwäbischen Grundzüge verloren hat. Die alten Zeichen unseres Banater Werdegangs werden immer weniger, unser Weggang ist durch nichts mehr wettzumachen. So manche unserer Kinder und Enkel kappen die Verbindungen zum Banat und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die letzten Wurzeln verdorren. Deshalb ist die Wolfsche Dokumentation wichtig zur Bewahrung der Wahrheit und der Erinnerung.
Der Ausverkauf und der Zerfall Triebswetters ist nun mit der Rückkehr zum Status einer selbständigen Gemeinde mit einer zukunftsorientierten Verwaltung gestoppt. Die schlimmsten negativen Entwicklungen scheinen gebannt zu sein: Der Friedhof wurde wieder als Ort des Gedenkens gesichert, die Parkanlage mit dem Kriegerdenkmal am Friedhofseingang ist gepflegt, eine Aussegnungshalle an der Stätte des ehemaligen Totengräberhauses ermöglicht würdevolle Bestattungsfeiern.
Von 1773 bis zur Jahrtausendwende wurden auf dem katholischen Friedhof rund 21500 Personen bestattet. Von den ersten Toten kennt man zwar die Namen, aber die Grabsteine gibt es nicht mehr, Wind und Wetter haben sie zerstört. Die vorhandenen Grabinschriften werden von den Buchautoren wortgetreu wiedergegeben, auch in Fotos festgehalten. Die Daten jeder Ruhestätte kann man als Quelle für die Familiengeschichte betrachten und jedem Triebswetterer können sich dabei auch Episoden seines Geschlechts und seines Heimatdorfes offenbaren. „Wir wollen die Toten nochmals sprechen lassen“, bekennen Walter und Magdalena Wolf. Und das ist ihnen mit ihrer einfühlsamen Arbeit gelungen.
Die Friedhof-Dokumentation ist weitaus mehr als eine Archivierung von Zeugnissen vom Leben und Sterben der Menschen. Sie bietet zugleich eine Sammlung der wichtigsten Zeugnisse im und um den Friedhof: eine kurze Geschichte der Bestattungsanlage, eingebettet in die Historie des Dorfes und seiner Kirche, eine Auflistung der hier wirkenden Priester, einen Überblick über die Bestattungsvereine und dergleichen mehr. Eine knappe Analyse der Todesursachen sowie die Listen der gefallenen Soldaten in den beiden Weltkriegen (109 im ersten und 95 im zweiten) dürfte besonderes Interesse wecken. Als Sahnehäubchen sind etliche Kurzbiografien von verdienten Triebswetterern zu werten.
Die Friedhofsdokumentation sollte einen Ehrenplatz in der Hausbibliothek finden. Nimmt man das Buch in die Hand und blättert darin, erinnert man sich nicht nur an die Familiengeschichte – die vielen bekannten Namen von Freunden und Verwandten entführen uns dann kurzzeitig in eine Welt, die es bald nicht mehr geben wird.
Walter und Magdalena Wolf: Der katholische Friedhof aus Triebswetter im Banat 2015. 382 Seiten. Preis: 35 Euro. Zu beziehen bei Walter Wolf, Albert-Schweitzer-Straße 5, 90453 Nürnberg, Telefon 0911 / 89624255, E-Mail wnwolf@gmx