zur Druckansicht

Banater Faschingsbräuche: Der Fasching auf der Totenbahre

In der Mehrzahl der Banater Ortschaften mit deutschen Bewohnern erlebte die Faschingszeit am Dienstag um Mitternacht ihren letzten Höhepunkt und ihr Ende zugleich. Schlag zwölf setzte mit dem Anbruch des Aschermittwochs die Osterfastenzeit ein, in der öffentliche Unterhaltungen – insbesondere im ländlichen Raum – untersagt waren.

In einzelnen Dörfern gipfelte das Letztfaschingsgeschehen kurz vor Mitternacht in einer szenischen Brauchhandlung des Ablebens oder des Vernichtens des Faschings, der als lebende Gestalt oder als lebensgroße Puppe dargestellt wird. Es handelt sich um überlieferte Formen des so genannten „Todaustragens“, die als fester Bestandteil von Winter-Frühjahrsbräuchen das Ende der „närrischen Zeit“ markieren, in der sich die Jugend seit dem Neujahrstag weitgehender Freiheiten erfreuen konnte, die es sonst im Jahreslauf nicht gab. Grund genug also das tiefe Bedauern über das Ausklingen der fröhlichen Zeit mit einem „Trauerakt“ öffentlich zu begehen: In Sackelhausen wurde das Puppenpaar Hansl und Gretl auf dem Rad verbrannt, in Dognatschka war es der Johann, in Sanktanna wurde der „Trogscheißer“ als Faschingsgestalt in einem Holztrog durch die Gassen gezogen. In Neukaransebesch aber wurde der Fasching in einem Trog „aufgebahrt“ und vom „Trauerzug“ der Faschingsgesellschaft unter Weinen und Klagen aus dem Wirtshaussaal getragen.

Eine ähnliche brauchgebundene Form des Faschingsbegrabens war bis Ende der 1930er Jahre auch Bestandteil des mehrtägigen ausgelassenen Geschehens in Deutschsanktpeter. In dieser Gemeinde wurde der auf einem Katafalk aufgebahrte Fasching in der Gestalt eines jungen Mannes vom Trauerzug der maskierten „Faschingsnarren“ in den Saal gebracht. Die Beschreibung dieser im Banat einzigartigen Inszenierung des Todaustragens verdanken wir der mündlichen Mitteilung von Zacharias Böhnisch, eines im Ort hoch angesehenen Gewährsmannes, der sich um die Dokumentation der Lokalgeschichte wie auch des überlieferten sprachlichen Volksgutes verdient gemacht hat. Seinen Angaben zufolge trugen vier „Totenträger“ ein mit Leintüchern überhangenes Lattengestell auf den Schultern; unter diesem schritt ein junger Mann einher, dessen Kopf aus einem Schlitz im Leinen herausragte; sein Gesicht war mit Mehl gepudert, den Kopf musste er, so gut es nur ging, nach hinten drücken, um den Eindruck eines Aufgebahrten zu vermitteln. Der Trauerzug, der auf die Klänge eines Trauermarsches in gemessenem Schritt der Bahre folgte, wurde in der Regel vom Wirt angeführt, in dessen Saal gefeiert wurde. Der anfänglich tiefernst gemimten Trauer der Faschingsnarren folgte aber bald noch eine kurze Zeit der Ausgelassenheit, in der man sich auch so manchen Schabernack mit der Faschingsgestalt und den „Totenträgern“ erlaubte. Dann verließ der Trauerzug den Saal, und der Aschermittwoch begann.

Diese bildliche Auslegung vom Ende der fröhlichsten Zeit im Jahr konnte im Banat noch vor wenigen Jahren dokumentiert werden, obwohl einzelne Faschingsbräuche nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr veranstaltet wurden. Die ursprüngliche Sinngebung war den Agierenden nur selten bekannt: Die zu Grabe getragene Faschingsgestalt oder stellvertretend ein Objekt standen symbolisch für das Ende der dunklen, kalten Jahreszeit – für das „Böse“ schlechthin. Dieses galt es zu vernichten, zu verbrennen oder zu Grabe zu tragen, um Raum zu schaffen für eine neue, lichtvolle Zeit des Wachsens, des Gedeihens und der Fruchtbarkeit. Die Symbolik, die Winter-Frühjahrsbräuchen zugrunde liegt, wurde den Trägern dieses überlieferten Volksgutes erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts durch Veröffentlichungen zur Banater Ethnologie bewusst gemacht.