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Auf der „globalen Dorfstraße“ unterwegs

Die Banat-Hauptseite des amerikanischen Internetportals www.dvhh.org (DVHH steht für Donauschwaben Villages Helping Hands)

Nikolaus Tullius ist Mitarbeiter der Banat-Sektion.

Das Internetportal DVHH bietet eine Fülle an Themen und Informationen über das Banat - Selbstverständlich sterben die Menschen, aber die Donauschwaben, als Volksstamm, bleiben bestehen. Als sie nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgt, vertrieben und entrechtet wurden, arbeiteten sie sich aus der Entrechtung und Heimatlosigkeit empor und wurden wieder angesehene Bürger, sowohl in der alten Heimat im Südosten wie auch in ganz Europa, in Nord- und Südamerika, überall dort, wohin sie das Schicksal verschlagen und in Verantwortung genommen hat.

Die Menschen des 21. Jahrhunderts haben sich verändert, sie haben neue Wertvorstellungen und eine neue Lebensauffassung. Doch allen Banater Schwaben, Donauschwaben und deren Nachfahren in der ganzen Welt gemeinsam sind die Wurzeln im Südosten Europas, Traditionen, Werte und Vorstellungen, die ihnen von den Vorfahren ins Leben mitgegeben wurden. Überdies ist die Welt in den vergangenen Jahrzehnten immer kleiner geworden, im virtuellen Raum des Internets entstehen unzählige „globale Dörfer“. Was früher im Banat die Bank vor der Gassentür war, sind heute das Mobiltelefon, das E-Mail oder die sozialen Netzwerke.

Die neue Generation der weltweit zerstreuten Donauschwaben schickt sich an, über die neuen Medien problemlos den Weg zueinander zu finden. Bereits 1996 gab es im Internet eine Mailing-Liste über donauschwäbische Ahnenforschung, mit den Schwerpunkten Banat und Batschka. Weitere Diskussionen erstreckten sich von der Kirchweih bis zu Großmutters „Hinglpaprikasch“. Drei Mitglieder der Banat-Liste – Monika Ferrier (Kanada), Rick Heli (USA) und Franz Quint (Deutschland, der schon am 10. Dezember 1996 in der „Banater Post“ über „Das Internet und die Banater Schwaben“ berichtete) – erstellten gemeinsam eine Liste der Ortschaften mit ehemals deutscher Bevölkerung aus dem Banat und der Batschka, die seither ergänzt wurde.

Fast jeder Banater Schwabe hat Verwandte, Nachbarn oder Bekannte, die irgendwann im 19. und 20. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert sind. Manche kamen mit ihren Ersparnissen ins Banat zurück, andere aber wurden Amerikaner. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschlug es mehrere Familien auch nach Kanada und Australien sowie in andere Länder, in denen Englisch entweder die Staatssprache ist oder aber von weiten Bevölkerungskreisen verstanden wird.

Als Folge der beiden Weltkriege verschwand der Deutschunterricht aus vielen amerikanischen Schulen und es war lange Zeit nicht ratsam, sich zum Deutschtum oder auch nur zur deutschen Abstammung zu bekennen. Das ist ein gewichtiger Grund dafür, dass viele Nachkommen von Donauschwaben heute nur noch englisch sprechen. Daran leidet die Verbindung zwischen Schwaben in Deutschland oder Österreich und ihren Verwandten in Übersee. Es gibt sogar Fälle, in denen der Kontakt zwischen Familien oder entfernten Familienmitgliedern in den turbulenten Jahren der Nachkriegszeit ganz verloren ging.

Doch in Nordamerika bestehen weiterhin viele Vereine und Schwabenclubs. Manche davon sind auch in Deutschland und Österreich bekannt. Sie tragen insgesamt zur Bewahrung des gemeinsamen donauschwäbischen Kulturgutes und zur Erhaltung und Pflege des geistig-kulturellen Erbes der Donauschwaben bei. Manchmal bereisen ihre jugendlichen Kulturgruppen Europa und treffen sich mit Landsleuten in Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Serbien und Kroatien.

Jahrzehnte nach dem Ende des Zeiten Weltkrieges besannen sich viele Donauschwaben und deren Nachkommen auf ihre Herkunft und beschäftigten sich mit Familienforschung. Dabei kamen ihnen das Internet und besonders die elektronische Post (E-Mail) zu Hilfe. So entstand in Nordamerika ein Diskussions-Forum (DVHH Mail List) bei donauschwaben-villages@rootsweb.com. Das Akronym DVHH steht für „Donauschwaben Villages Helping Hands“, was „Helfende Hände aus donauschwäbischen Ortschaften“ bedeutet, weil es den Familienforschern und allen an donauschwäbischen Themen Interessierten behilflich ist. Das Forum erleichtert die weltweite Kommunikation über Länder und Ozeane hinweg und trägt damit zur Ahnenforschung und sogar zum Wiederfinden lange vergessener Familienmitglieder, Nachbarn, Freunde und Bekannten bei. Es führt oft zur Wiederaufnahme des Briefwechsels, zu gegenseitigen Besuchen und sogar zu gemeinsamen Besuchen der alten Heimat.
Internetseiten können heute erstmals eine weltweite Verbindung der weit verstreuten Donauschwaben und ihrer Nachkommen möglich machen, indem sie sich weitgehend der englischen Sprache bedienen. Eine Folge des englischen Sprachgebrauchs ist die geringe Kenntnis der DVHH-Seiten in Europa. Das DVHH hat erfreulicherweise viele freiwillige Mitarbeiter in Deutschland, Österreich, in den USA, in Kanada, Australien, Brasilien und Argentinien gefunden. Viele von diesen sprechen nicht deutsch und englisch zugleich. Es gibt aber auch mehrsprachige Mitarbeiter, welche Texte ins Englische oder aus dem Englischen übersetzen.

Weit über die persönliche Verbindung und Hilfe bei Familienforschung hinaus, haben sich diese Internetseiten die langfristige Bewahrung der donauschwäbischen Kultur im englischsprachigen Internet zum Ziel gesetzt. Um ein bleibendes Reservoir der donauschwäbischen Lebensformen, der Geschichte und Literatur unserer Ahnen zu schaffen, entstanden umfangreiche Portale im World Wide Web. Als Beispiel erwähne ich das Portal www.dvhh.org, an dem ich gelegentlich mitarbeite. Das Motto der Webseiten lautet: „Keeping the Danube-Swabian legacy alive“, in etwa: „Das donauschwäbische Vermächtnis am Leben erhalten“. Das Portal bedient sich meistens, aber nicht ausschließlich, der englischen Sprache, bemüht sich aber auch, unseren Landsleuten in Deutschland und in aller Welt zugänglich zu sein. Der Inhalt reicht von Genealogie, Geschichte und Kultur über donauschwäbische Persönlichkeiten bis hin zum Kochen und Backen. Besondere Aufmerksamkeit wird der leidvollen Geschichte der Donauschwaben gewidmet, da diese in englischsprachigen Geschichtsbüchern so gut wie gar nicht erwähnt wird – was allerdings auch auf Deutschland zutrifft.

Die folgenden Angaben zum Inhalt der Homepage www.dvhh.org sollen zumindest die Fülle der Themen andeuten. Zunächst sind die individuellen Seiten der sechs donauschwäbischen Siedlungsgebiete zu nennen: Banat, Batschka, Ungarisches Mittelgebirge, Schwäbische Türkei, Syrmien-Slawonien und Sathmarer Gebiet. Das Banat ist zurzeit die umfangreichste Sektion, aber auch die Seiten der anderen donauschwäbischen Siedlungsgebiete werden ständig weiter entwickelt. Dann gibt es die so genannten DVHH Main Sites (Hauptseiten): Community (Gemeinschaft), Heritage (Erbe), History (Geschichte), Atrocities (Gräueltaten), Genealogy (Familienforschung), Search DVHH (Suche). Über die dritte Kategorie, „Connect / Contact“, gelangen die Nutzer zu Seiten, die der Kontaktpflege und Kommunikation dienen.

Der Banat-Abschnitt bietet Zugang zu den folgenden Unterabschnitten: Intro/News (Einleitung/Nachrichten), Village Index (Dörferindex), History (Geschichte), Research (Forschung), Literature (Literatur), Lifestyle (Lebensstil), Biographies (Biografien). Darüber hinaus betreiben einige Ortschaften ihre eigenen Internetseiten im Rahmen von DVHH. Als Beispiel sei die von mir betreute Seite www.dvhh.org/alexanderhausen genannt, die folgende Abteilungen umfasst: Neuigkeiten, Geschichte, Literatur, Erinnerungen, Familienforschung, Fotos, Quellen, Links.

Trotz der Sprachbarriere wäre eine enge Zusammenarbeit der deutschsprachigen Internetseiten mit ihren englischsprachigen Entsprechungen wünschenswert und vorteilhaft für unsere Landsleute auf der ganzen Welt. Als Beispiel kann die Zusammenarbeit der oben genannten Seite www.dvhh.org/alexanderhausen mit der Internetseite der HOG Alexanderhausen www.alexanderhausen.de erwähnt werden. Die beiden Homepages sind miteinander verlinkt, was einen Zugriff auf die jeweils anderssprachige Internetseite ermöglicht. Es wäre erfreulich, wenn möglichst viele andere Ortschaften den Weg zu einer ähnlichen Partnerschaft finden.

Seit 2007 ist DVHH als gemeinnützige Gesellschaft registriert und besteht weiterhin ausschließlich aus freiwilligen Mitarbeitern. Ihr Verwaltungsrat wird jedes Jahr von den Mitgliedern gewählt. Es gibt eine Redaktion, ein Berater- und ein Übersetzerteam. Obwohl alle Mitglieder vorzügliche Arbeit leisten, sei hier wenigstens Jody McKim Pharr, Herausgeberin und Webmasterin von DVHH, erwähnt. Ihre Vorfahren stammen aus Mercydorf und aus der Mehala. Die Bemühungen von Jody McKim Pharr im Dienste der DVHH sind einmalig. Sie unternahm mehrere Reisen ins Banat, sammelte viel Material und eignete sich die Erstellung und Verwaltung von Internetseiten an. Die Leiterin fand viele freiwillige Mitarbeiter und motivierte sie, Beiträge zu erstellen oder zu übersetzen. Dieser Arbeit hat sie viele Jahre gewidmet, ohne Anspruch auf Anerkennung oder materielle Belohnung, bloß zur Ehre unserer donauschwäbischen Ahnen. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist im Internet ersichtlich und wird es hoffentlich noch lange bleiben.

Jodys Landsmann und Mitarbeiter Henry Fischer hat zurecht einmal gesagt: „Das DVHH ist mein Fenster zur weiten Welt der Donauschwaben und ihrer Nachkommen in der ganzen Welt. Es bietet uns allen ein persönliches Forum zum Austausch von Informationen und Ressourcen, es hilft uns, verwandte Themen im Bereich von Kultur, Sprache, Erbe, Glauben und Traditionen zu erforschen. Die Sachkenntnis anderer wird uns zugänglich gemacht und unsere eigenen besonderen Interessen, Fähigkeiten und Forschungsergebnisse werden anderen zugänglich. (...) Das DVHH leistet einen Beitrag zum Erhalt einer Kultur, die einst in den Donauländern blühte und deren Erbe Spuren bei jedem von uns hinterlassen hat. Dadurch ehren wir die lange Reihe unserer Ahnen und Familienmitglieder, die unserem Leben Form und Inhalt gaben und dadurch bestimmten, wer wir sind und wer wir sein werden, wo immer in der Welt wir leben.“

Wenn die Donauschwaben auch in vielen Geschichtsbüchern nur noch als Fußnote stehen und in anderen überhaupt nicht vorkommen, ist die Hoffnung berechtigt, dass sie und ihre Geschichte auf der „globalen Dorfstraße“ noch viele Jahrhunderte überdauern werden. Das ist der Lohn der Arbeit.